Ärger bei EinzelhändlernNur noch ein verkaufsoffener Sonntag in Nippes und Chorweiler
Nippes/Chorweiler – Bei den Händlern und beteiligten Vereinen ist der Ärger über das Aus etlicher verkaufsoffener Sonntage groß.
Anfang Februar hatte die Gewerkschaft Verdi Klage gegen die städtische Erlaubnis für Verkaufs-Sonntage in Köln eingereicht – aus Sorge, den Prozess zu verlieren, zog die Stadt vor einigen Tagen alle Genehmigungen zurück. Der Hauptausschuss des Rates ließ jedoch sieben der einst 36 Sonntage weiter zu, da es sich in diesen Fällen um recht große Feste mit großem Publikumsandrang handle – was eine Öffnung wohl juristisch rechtfertige, wie die Stadt hofft.
„Die Klage der Gewerkschaft Verdi ist ein Unding“, schimpft Robert Nußholz vom Veedelsverein „Für Nippes“. Weder zum Klimastraßenfest auf der Neusser Straße im September noch zum Schlusstag des Nikolausmarkts, beides vom Verein organisiert, dürfen laut Entscheid des Ausschusses die Läden öffnen – sondern nur noch zum Bürgerfest der Nippeser Bürgerwehr.
„Beim Nikolausmarkt habe ich am ehesten Verständnis, da er nicht direkt auf der Neusser Straße stattfindet. Aber nicht beim Klimastraßenfest“, so Nußholz. „Dessen Premiere fand sogar an einem Samstag statt; wir gingen auf den Sonntag, um den Händlern zu helfen.“ Ohne deren Unterstützung drohe ein Minus; nun überlege man, das Fest wieder auf Samstag zu legen und hoffe, dass alle Bühnenakteure Zeit haben.
„Ein Armutszeugnis“ – Alternativen müssen her
Ähnlich sieht es in Longerich aus. Hier entfallen alle drei Verkaufs-Sonntage: zum Sportfest „Longerich bewegt“ am 2. April, zur Kunstmeile im Juni und zum Nikolausmarkt auf dem Kriegerplatz. „Es ist zum einen eine Frechheit, dass eine Gewerkschaft dagegen vorgeht. Und zum anderen ein Armutszeugnis für die Stadt“, so Helmut Hendricks vom Alt-Longericher Sportladen Südstadtsport. „Auch Taxi-, Busfahrer und Ärzte müssen sonntags arbeiten – was ist denn mit denen?“
Nun überlege man ebenfalls, die Feste auf einen Samstag zu verlegen, eventuell mit längeren Öffnungszeiten. Sogar ein Ersatz für die Kunstmeile, die deren Organisatorin Annegret Thurn ohnehin eingestellt hatte, ist geplant – ob dann alle Künstler mitmachen könnten, stehe auf einem anderen Blatt. „Und erfahrungsgemäß ist die Resonanz samstags nicht so groß wie sonntags, denn dann ist meist die Familie komplett zusammen.“
Auch in Chorweiler muss man umdenken. Nur zum Stadtbezirksfest ,,18 Veedel – Ein Bezirk“ am 11. Juni hat die Öffnung Bestand; zum Sportfest mit dem DJK Wiking und zu „Chorweiler singt kölsch“ der 1. Großen KG Köln-Nord wurden sie gestrichen. Auch hier soll ein Ausweichen auf den Samstag helfen, das Fest zu retten. „Wir haben uns relativ schnell mit dem City-Center geeinigt, das uns unterstützt“, erläutert DJK-Pressewart Jörg Benner. „Es wird ganz viele Mitmachangebote geben, wie das Kinder-Bewegungsabzeichen Kibaz.“
Sonntags solle man sich mit der Familie erholen, so Kirchen und Gewerkschaften
Beim Streit geht es um den Schutz der Mitarbeiter versus die Interessen von Händlern und Kunden. Der Tag für Erholung und Familie sei wichtiger als Sonntags-Shoppen, sagen Kirchen und Gewerkschaften. In jüngerer Zeit wurden die Regeln strenger: Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2009, dass Sonntags-Öffnungen einen besonderen Anlass wie ein örtliches Fest benötigten, und nicht „einfach so“ stattfinden können.
Die NRW-Landesregierung setzte das Urteil 2013 mit einer Verschärfung des Ladenöffnungs-Gesetzes um. Köln ging sogar noch weiter und ließ nur bis zu drei statt der gesetzlich möglichen vier offenen Sonntage pro Jahr und Stadtteil zu, von 13 bis 18 Uhr.
2015 ergänzte das Bundesverwaltungsgericht: Die Öffnungen müssten räumlich mit dem Fest zusammenhängen. Ferner sei ein überörtlich attraktiver Anlass nötig, zu dem mehr Fest- als Ladenbesucher kämen. Sich hierauf stützend, brachte der Verdi-Bezirksverband Köln zum Jahresstart die Sonntagsöffnung zum Neujahrsmarkt in Porz-Eil vor dem Verwaltungsgericht zu Fall – nun geht es ums „große Ganze“.
„Wir haben immer gesagt, dass wir gegen Verkaufs-Sonntage sind“, so Britta Munkler, Vize-Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks. „Die Verwaltung hat schlecht gearbeitet – die Anlässe nicht ausreichend geprüft und Besucherzahlen falsch eingeschätzt. Wir werden deshalb die Praxis an sich prüfen lassen.“ Derzeit modifiziere man die Klage, da sich nach der Streichung von 29 der 36 Sonntage die Lage geändert habe. Es herrsche aber Zuversicht, man habe in NRW schon rund 20 Prozesse in der Sache gewonnen.
Fragen an Wolfgang Behrend: Sind Verkaufs-Sonntage wichtig?
Wolfgang Behrendt ist der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Rodenkirchen, einem Zusammenschluss von rund 100 Geschäften, Restaurants, Praxen und Institutionen in Rodenkirchen. Er kritisiert die Rücknahme der Sonntagsöffnungen im lokalen Einzelhandel.
Herr Behrendt, die Kunstmeile startet am Sonntag, 2. April. An dem Tag haben normalerweise die Geschäfte geöffnet, in denen die Kunstobjekte zu sehen sind. Die Sonntagsöffnung hat der Rat aber gekippt. Ist der Kunstmeilen-Auftakt gefährdet?
Ein klares Nein. Die Geschäfte sind an diesem Tag offene Ateliers. Die dürfen aufhaben und Besucher können sich umschauen, das ist völlig legitim. Die Kunstmeile beginnt wie geplant um zwölf Uhr im Sommershof.
Im September gibt es den Lifestyle-Tag und im Dezember den Winterzauber. Auch da war ein Sonntagsverkauf geplant, der nun wohl hinfällig ist.
Das muss man noch abwarten. Verwaltung und Politik begrüßen ja eigentlich die Geschäftsöffnung an Sonntagen, und die Verhandlungen laufen noch. Für das zweite Halbjahr wurde das Verbot des Sonntagsverkaufs zum Teil auch schon wieder zurück genommen. Im Moment wurden wir noch nicht informiert, ob Rodenkirchen dabei ist oder nicht. Alles ist offen. Aber auch ohne Sonntagsverkauf würden wir die Feste wie gewohnt durchführen.
Was bedeuten verkaufsoffene Sonntage für den lokalen Einzelhandel?
Sie werden in der Regel gut angenommen. Die Geschäfte profitieren davon, wenngleich je nach Branche unterschiedlich stark. Außerdem sind sie ein Beitrag gegen die Verdrängung der Wirtschaftskraft. Viele Bürger fahren an Sonntagen nach Belgien oder Holland. Dort sind 50 Sonntage geöffnet. Aber letztlich geht es nicht nur um den Umsatz.
Sondern?
Die Feste in Verbindung mit den offenen Geschäften sind für den Ort sehr wichtig, sie fördern das Gemeinschaftsgefühl. Die Bürger treffen sich, feiern gemeinsam, und die Läden können sich bei der Gelegenheit präsentieren. Dicke Kasse machen die Läden wohl eher nicht. Manchmal sind die Ausgaben sogar höher als die Umsätze.
Aber die Mitarbeiter der Geschäfte müssen sonntags arbeiten. Verdi will sie schonen, und die Kirche befürchtet noch mehr Schwund in den Messen. Nachvollziehbare Argumente?
Für mich sind das krumme Argumente. Aus meiner Erfahrung arbeiten die Kollegen gern hin und wieder am Sonntag. Es gibt schließlich Lohnzuschläge. Es wird auch kein Mitarbeiter gezwungen. Und man darf nicht vergessen, dass es sich lediglich um drei Sonntage im Jahr handelt.
Das Gespräch führte Ulrike Süsser.
Wie wichtig sind verkaufsoffene Sonntage für Kunden und Händler?
„Ich brauche keine verkaufsoffenen Sonntage hier in Chorweiler. Mir tun die Verkäuferinnen immer so leid. Und unter der Woche sind die Läden so lange geöffnet, dass man genug Zeit zum Einkaufen hat.“ – Funda Isildak
„Die Sonntage bringen uns wenig, sie sind eher für Boutiquen wichtig. Ich glaube nicht, dass sie große Wirkung haben, etwa im Dezember zeitgleich zur City. Da können wir Nippeser nicht mithalten.“ – Christoph Stock, Metzger
„Meinetwegen können die Läden sonntags geschlossen bleiben. Da kann man auch einfach mal entspannen. Ich als Polizist muss auch sonntags in Chorweiler arbeiten und weiß, was das für die Verkäufer heißt.“ – René Berg
„Sie waren nie ein Erfolg auf der Neusser Straße, das merkten wir auch in unserem Buchladen. Und die Filialisten nehmen meist ohnehin nicht teil. Besser ist der Blaue Abend, der zum Veedel passt.“ – Dorothee Junck
„Wir im Café Melange Orange sind sonntags sowieso da, und wir liegen etwas weiter weg vom Nippeser Zentrum. Wir freuen uns aber, wenn sich das Veedel weiter entwickelt, und da kann das ein Beitrag sein.“ – Guido Grigoleit