Vogelschutz in ChorweilerKiebitze sollen zurück in die Rheinaue kommen
Chorweiler – . Ein Gesangstalent ist der Kiebitz nicht. Wenn er sich bemerkbar machen will, lässt er ein Quiekquiek ertönen – der Name „Kiebitz“ nimmt lautmalerisch darauf Bezug. Er hat die Größe einer Taube und ein dunkel geflecktes Gefieder. Sein Erkennungsmerkmal ist die vom Hinterkopf abstehende Feder. Im Internet lässt er sich noch besichtigen, auf diversen Portalen sind Videos zu sehen, doch dem Kiebitz in der freien Natur und noch dazu auf Kölner Stadtgebiet zu begegnen, dafür braucht man sehr viel Glück.
Aus Naturschutzgründen ist auch davon abzuraten, den Vogel aufzustöbern, er braucht absolute Ruhe. Steht er doch auf der Internationalen Roten Liste der gefährdeten Arten, ist akut vom Aussterben bedroht. In der nördlichen Rheinaue ist das Vorkommen so rar, dass die nachgewiesenen Exemplare an einer Hand abzuzählen sind. Maximal zehn bis 15 Paare gebe es im Stadtgebiet noch, im Kölner Norden und im Südwesten (Widdersdorf, Rondorf, Meschenich), schätzt Elmar Schmidt von der Biologischen Station in Leverkusen, die in der Trägerschaft des Naturschutzbundes (Nabu) ist. In Porz ist der Kiebitz bereits ausgerottet. Dort wurde er in den letzten Jahren so gründlich von den angestammten Brutplätzen vertrieben, dass er den Nestbau und damit auch die Fortpflanzung aufgegeben hat.
Mit seinem Kollegen Walter Halfenberg hat Schmidt im Frühjahr, von März bis Anfang Juni, ein in der Rheinaue angesiedeltes Kiebitzschutz-Projekt betreut, das innovativen Charakter hat und erstmals in Köln realisiert wurde. Kooperationspartner waren das städtische Amt für Umweltschutz und die Landwirtschaftskammer NRW. In der Voreifel habe man bereits einschlägige Erfahrung im Kiebitzschutz gesammelt, sagt Anja Glinka vom Umweltamt beim Gespräch im Deutzer Stadthaus.
In Euskirchen und Düren gebe es solche Projekte seit drei Jahren. „Dem Kiebitz geht es definitiv nicht gut, mit dem Projekt wollen wir die Lebensbedingungen für diese Vogelart verbessern. Vogelschutz funktioniert aber nur gemeinsam mit den Landwirten, unser Ziel ist, bei ihnen Verständnis zu wecken, Naturschutz und Landwirtschaft sollen miteinander harmonieren.“ Der Kiebitz nistet bevorzugt in offenem Gelände, auf Feuchtwiesen und frischen Ackerflächen, die noch ohne Bewuchs sind. Ideal ist magerer Boden oder Sumpfgebiet.
Für die Brutzeit bilden die Paare gern eine Kolonie. Freie Sicht ist von zentraler Bedeutung. „Wenn das Weibchen auf dem Nest sitzt, will es den Rundumblick ins Gelände haben, um Beutegreifer zu erkennen“, erklärt Schmidt. Natürliche Feinde sind unter anderem Fuchs, Habicht, Wanderfalke, Hauskatze. Pech für den Kiebitz: Sein Brutverhalten kollidiert mit den Methoden der intensiven Landwirtschaft. Die Nester in den Ackermulden sind so unauffällig, dass ein Bauer, der im Frühjahr das Feld bestellt, unbemerkt mit seiner schweren Maschine darüberrollt und sie zerstört.
An dem Punkt setzte nun das Schutzprojekt an: Im März, vor Saisonbeginn, suchten Schmidt und Halfenberg entlang der Rheinaue systematisch Felder und Wiesen nach Kiebitznestern ab – drei fanden sie und markierten sie mit farbigen Stöcken. Die GPS-Daten der Fundorte gingen an die Landwirtschaftskammer NRW. Die wiederum nahm Kontakt mit den betroffenen Landwirten auf und bat darum, die Brutstelle bei der Bodenbearbeitung zu verschonen. Bis Anfang Juni unternahmen Schmidt und Halfenberg regelmäßige Kontrollgänge.
Die Küken verlassen normalerweise das Nest sofort, von den Eltern werden sie mehrere Wochen lang angelernt, bis sie bei der Nahrungssuche selbstständig sind. Ob ein Bruterfolg stattgefunden hat, sei an der Beschaffenheit der zurückgelassenen Eierschalen zu erkennen, erklärt Schmidt. Wenn sie stark zerkleinert sind und das Nest unter Stroh liegt, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Jungvögel schlüpfen konnten. Kiebitze haben die Angewohnheit, nach erfolgreicher Aufzucht das Nest sorgsam zu verstecken, um es im nächsten Jahr zu reaktivieren.
Geld für die Bauern
Zum Projekt ist ein Flyer erschienen, den interessierte Landwirte bei den zuständigen Stellen anfordern können. Die Biologische Station in Leverkusen bietet auch Beratung an und stellt Gebietskarten mit potenziellen Brutplätzen zur Verfügung.
Das Angebot der finanziellen Entschädigung gehört ebenfalls dazu: Landwirte, für die der Kiebitzschutz eine finanzielle Einbuße bedeutet, bekommen pro Hektar 440 Euro erstattet. Informationen sind zu erhalten beim Amt für Umweltschutz, bei der Nabu-Biologischen Station Leverkusen und bei der Landwirtschaftskammer NRW. (kaw)
Das Brutergebnis in der Rheinaue war am Ende dürftig: Zwei der drei markierten Nester räuberte ein Fuchs, er fraß die Eier auf. Das dritte Nest kam davon: „Wir konnten zwei flügge Jungvögel mit ihren Eltern beobachten“, so Halfenberg. Darüber hinaus habe man auf einer etwa vier Hektar großen Ackerfläche, die nicht bewirtschaftet wurde, weitere Kiebitzpaare gesehen, doch über deren Bruterfolg sei nichts in Erfahrung zu bringen gewesen.
Trotz der mageren Bilanz zeigt Halfenberg sich optimistisch. Der Gelegeschutz habe insgesamt funktioniert. „Er sollte unbedingt fortgeführt werden, um die vorhandenen wenigen Kiebitz-Brutpaare zu erhalten und zu unterstützen.“ Die Zusammenarbeit mit den Landwirten sei reibungslos verlaufen. Lisa Klophaus betreut bei der Landwirtschaftskammer NRW das Projekt. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt sie: „Wir haben positive Rückmeldungen bekommen.“ Die Landwirte hielten es für eine gute Idee, im Frühjahr Kiebitznester zu markieren, um so die Gelegenheit zu erhalten, eine Brutstelle gezielt zu umfahren. Das Projekt solle fortgesetzt werden, sagt auch Klophaus.