Kölner Krankenpfleger über Corona„Die Proteste sind ein Schlag ins Gesicht“
Köln – Dominik Stark wird an der Kölner Uniklinik zum Fachkrankenpfleger für Anästhesie- und Intensivpflege ausgebildet. Der 29-Jährige hat die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf einer Intensivstation, einer speziellen Corona-Station und in der Notaufnahme hautnah erlebt. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht er über die Dauerbelastung während der Pandemie die Schieflage des Gesundheitssystems.
Herr Stark, wie macht sich die zweite Welle der Corona-Infektionen an der Uniklinik bemerkbar?
Die Belastung hat seit dem Frühjahr nie abgenommen. Im Sommer wurden viele Operationen nachgeholt, die im Frühjahr nicht stattfinden konnten. Dann kam diese riesige zweite Corona-Welle. Wir merken, dass die Zahl der Patienten massiv steigt. Vor kurzem ist die Zahl der freien Intensivbetten zwischenzeitlich fast auf null gesunken. Da hat in der Klinik ein Notfallplan gegriffen und wir haben Stationen umgebaut.
Wie erleben Sie die Situation in der Notaufnahme?
Dort haben wir ständig das Problem, nicht zu wissen, wer infiziert ist. Viele Patienten haben Husten, Fieber oder Übelkeit, Symptome also, die auch bei Corona auftreten. Wir isolieren diese Patienten dann, bis ein Testergebnis da ist. Das macht die Arbeit schwer. Wir haben oft jeden Raum in der Notaufnahme belegt. Dann haben wir oft Probleme, die Patienten auf die teilweise voll belegten Stationen zu verteilen. Der zusätzliche Aufwand ist derzeit immens, der Druck extrem hoch.
Die Versorgung von Nicht-Corona-Patienten funktioniert weiterhin?
Ja, bislang schon. Jeder, der etwas hat, wird behandelt. Aber natürlich müssen wir viele Behandlungen, die nicht dringend nötig sind, aktuell verschieben.
Gab es an Ihren Stationen schon Corona-Fälle unter den Pflegern?
Zum Glück nicht. Wir alle isolieren uns konsequent und nehmen die Verhaltensregeln sehr ernst. Damit haben wir bislang Erfolg. Wir klopfen genau ab, welche Symptome bei Patienten vorliegen. Gibt es klare Hinweise auf Covid-19, tragen wir alles, was sich im Behandlungsraum oder Patientenzimmer befindet, vorsorglich raus, um eine Kontaminierung zu vermeiden.
Wie würde es im Infektionsfall weitergehen?
Wir tragen natürlich Mundschutz und machen keine Pausen zusammen, um eine weitere Verbreitung in diesem Fall zu vermeiden. Die Gefahr, dass wir das Virus weitertragen, wäre eher gering. Das muss sie auch sein: Wären auf einer Station drei oder vier Pfleger infiziert, hätten wir ein riesiges Versorgungsproblem.
Das Pflegepersonal soll als erstes geimpft werden. Gut so?
Klar, das ist eine gute Nachricht. Wir haben regelmäßig Kontakt zu Risikogrupen und können Viren weitertragen. Das will ich verhindern, deswegen lasse ich mich auch jedes Jahr gegen die Grippe impfen. Ich freue mich riesig, dass die Entwicklung der Impfstoffe so weit ist. Ich habe großes Vertrauen, dass kein potenziell gefährliches Mittel zugelassen wird.
Seit März gibt es viele warme Worte für das Krankenhauspersonal. Kam darüber hinaus schon politische Unterstützung bei Ihnen an?
Nein, mehr als Schulterklopfen kam bislang nicht, auch kein Bonus. Das ist sehr schade. Wir gehen dauerhaft an unsere Grenze. Ich hoffe, dass sich politisch an dieser Stelle deutlich mehr tut. Ohne uns geht es nicht.
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Man muss das Arbeitsumfeld attraktiver machen, um junge Menschen in die Kliniken zu bekommen – und sie dort zu halten. Es braucht mehr Personal, mehr Geld und bessere Strukturen.
Haben Sie Ihre Berufswahl in den vergangenen Monaten hinterfragt?
Nein, ich bin sehr stolz, in der Pflege zu arbeiten. Natürlich ist die Belastung unangenehm, psychisch und körperlich. Einigen wurde das in den vergangenen Monaten zu viel. Bei vielen meiner Kollegen stelle ich in dieser Krise aber eine Jetzt-erst-Recht-Haltung fest. Wir sehen uns in einer Verantwortung und versuchen, dieser gerecht zu werden.
Was muss sich an den Strukturen ändern, um besser auf die nächste Pandemie vorbereitet zu sein?
Schon ganz unabhängig von Corona können wir nicht sieben Operationen durchführen, wenn wir nur Personal für zwei haben. Diese Pandemie hat überdeutlich gezeigt, dass hier vieles in einer Schieflage ist. Das in weiten Teilen privatisierte Gerüst ist sehr wackelig. Wenn es um Gesundheit geht, darf es nicht um Profit gehen. Vielleicht würde ein Solidaritätsfonds helfen – ich hoffe, die Politik hört, was die medizinischen Fachschaften zu sagen haben.
Was wünschen Sie sich für die kommenden Monate?
Ich hoffe sehr, dass die Überlastung nicht noch weiter ansteigt. Von der Politik wünsche ich mir, dass eines grundlegend verstanden wird: Wir sind nicht da, um den Patienten Kaffee und Kuchen zu bringen. Wir bedienen hoch komplizierte Maschinen und helfen, Leben zu retten. Und ich wünsche mir, dass diese Proteste aufhören. Wenn wir hier am Limit arbeiten und auf der Straße von Mikrochips und Verschwörungen geredet wird, ist das wie ein Schlag ins Gesicht. Diese Krankheit kann tödlich enden, das muss man begreifen. Wir sollten diese Krise gemeinsam meistern und aus ihr lernen.