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Peter Millowitsch im Interview„Vielleicht muss ich auf Youtube senden“

Lesezeit 5 Minuten

Abgespeckt hat er. Um 15 Kilogramm sei er leichter, wie Peter Millowitsch nach dem Interview betont.

Köln – Er kommt in die von ihm gewählte Brasserie Bar Schmitz auf der Aachener Straße, schräg gegenüber des Theaters, das das Erbe seines Vaters Willy Millowitsch ist und in dem er groß geworden ist. Mit acht Jahren stand Peter Millowitsch, heute 67 Jahre alt, hier erstmals auf der Bühne. Nun sieht er seinen Betrieb, der als Privat-Theater nie einen öffentlichen Zuschuss bekam, langsam bröckeln. Er spricht sachlich, versucht auch äußerlich abgeklärt zu wirken, im Verlauf des Gesprächs wird jedoch seine Verletzung deutlich. Ein Foto in seinem „Laden“ lehnt er ab.

Nach der Entscheidung des Westdeutschen Rundfunks, Millowitsch-Stücke nicht mehr im Fernsehen zu zeigen: Wie schlimm ist es um Ihr Theater wirklich bestellt?

Was heißt schlimm? Wie schlimm es wirklich aussehen wird, das wissen wir erst am Schluss der Saison. Fragen Sie mich im März noch mal.

Das werden wir tun. Aber Sie verlieren eine große finanzielle Stütze. Können Sie den Verlust beziffern?

Klar kann ich. Tue ich aber nicht.

Bekommen Sie bereits Solidaritätsbekundungen?

Ach was. Sollen die Leute mir fünf Euro schenken oder was? Noch spiele ich ja.

Was wollen Sie denn ändern, damit das auch so bleibt? Gibt es Pläne?

Natürlich. Ich weiß es ja schon seit einem halben Jahr. Die Kalkulation ist jetzt schon anders gestaltet als vorher. Wir müssen den berühmten Gürtel enger schnallen.

Heißt das, die Karten werden bald teurer?

Nein. Ich will versuchen, es ohne Kartenpreiserhöhung zu schaffen. Wenn das nicht funktionieren sollte, ist das natürlich nächstes Jahr eine Option.

Peter Millowitsch über die Entscheidung des WDR und Publikum über 50

Aufräumen nach dem Krieg.

Ist Volkstheater überhaupt noch zeitgemäß?

Da die Bude voll ist, scheint es so zu sein. Ich rechne immer so mit 30.000 bis 40.000 Besuchern. Und wenn ich das Haus betrachte, kann ich nicht so viel falsch gemacht haben.

Warum zieht sich dann der WDR zurück? Können Sie diese Entscheidung nachvollziehen?

Weil das Sehverhalten der Menschen sich geändert hat. Man kriegt die Leute nicht mehr 90 Minuten am Stück gefesselt.

Der NDR sendet noch aus dem Ohnesorg-Theater.

Noch. Vielleicht hat das auch ein anderes Standing als ich in Köln. Nachdem schon der Elfte im Elften aus der Arena und die Hänneschen-Sitzung nicht mehr gezeigt wird, habe ich damit schon gerechnet. Ob diese Abwendung vom Lokalen für den WDR sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen.

Es gibt ja noch immer so etwas wie einen Programmauftrag.

Der Herr Programmdirektor scheint diesen Auftrag so zu verstehen, dass ihn Publikum jenseits der 50 nicht mehr interessiert. Die Funktion des Fernsehens ist aber auch eine andere geworden. Das Gefühl vom Lagerfeuer, um das sich alle versammelt haben, wenn Kulenkampff lief, das funktioniert nicht mehr. Wenn man jetzt glaubt das kompensieren zu können, indem man ganze Sparten rausschmeißt, muss das wohl so sein.

Peter Millowitsch über seinen Vater und die Zeichen der Zeit

Auch früher diente das Haus als Theater (Ansicht von 1909).

Was hat sich im Vergleich zu der Zeit Ihres Vaters verändert?

Als Willy noch war, gab es erst eins, dann zwei und dann drei Fernsehprogramme. Inzwischen gibt es ich weiß nicht wie viele. Es gibt nicht mehr die Fernsehunterhaltung. Es gibt Unterhaltung für Kids, für Heranwachsende, Erwachsene und Ältere.

Dann brauchen Sie vielleicht einen Youtube-Kanal oder müssen streamen.

Ja, irgend so was. Wenn der WDR die Rechte nicht mehr hat, muss ich wirklich darüber nachdenken. Aber das sind ja auch wieder Mordskosten, die da entstehen. Da brauchen sie schon drei Kameraperspektiven und einen ordentlichen Schnitt. Da können sie nicht einfach nur draufhalten. Das kann ich vergessen. Das kann ich sowieso nicht leisten. Aber ich kann ja mal laut drüber spinnen. Ich muss jetzt gucken, was dann noch übrig bleibt.

Was würde Ihr Vater jetzt tun? Sich ärgern und herumbrüllen?

Willy war eher so gestrickt, dass er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Er würde glauben, dass alle sich gegen ihn verschworen hätten. So etwas würde ich nie sagen. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen.

Das Theater als Immobilie gehört seit 30 Jahren der Freien Volksbühne. Seit 2014 pachten Sie es nur noch saisonal und die Kollegen bespielen die Bühne das restliche Jahr. Wie klappt das Nebeneinander?

Gut. Vor allem erspart mir das Kosten. Aber die gehen doch nicht mit der Miete runter, nur weil mir der WDR laufen gegangen ist.

Peter Millowitsch über die Rolle seines Theaters in der Stadt

Willy mit Schwester Lucy 1945.

Und wie wäre es, wenn Sie mal an die Tür der Stadt Köln zu klopfen? Die Volksbühne kriegt schließlich einen Zuschuss, den Sie nicht haben.

Hören Sie mir mit der Stadt auf. Die hat genug mit sich selbst zu tun. Die Volksbühne ist Kultur. Ich bin ja nur Unterhaltung. Ich bleibe lieber frei. Dann brauche ich keinen zu fragen, bin aber auch alles selber schuld.

Das Millowitsch-Theater soll keine Kultur sein? Viele Kölner würden es sogar zum Weltkulturerbe erklären.

Ja, in Köln ist das Millowitsch weltberühmt. (lacht laut) Der Bekanntheitsgrad bundesweit schwindet jedoch mit der Fernsehpräsenz. Früher gab es an 20 Prozent aller Wochenenden Millowitsch im Fernsehen.

Was wäre Köln ohne Ihr Theater?

Die Stadtgeschichte ist mehr als 2000 Jahre alt. Die von Millowitsch knapp 200, sehr großzügig gerechnet. Die Geschichte würde ohne uns keinen Deut anders verlaufen.

Aber wir hätten einen Millowitsch-Platz und ein Denkmal ohne Bezug zur Gegenwart.

Na gut. So what. Wer weiß denn noch, wer Haubrich war? Und was das Millowitsch war, weiß in 40 Jahren auch keiner mehr.

Was würde Ihnen persönlich denn fehlen?

Ein Hobby, mit dem man Gott sei Dank auch Geld verdienen kann. Aber es gibt ja noch andere Theater, in denen ich spiele. Es gibt auch andere schöne Städte.

Peter und Willy im „Etappenhase“.

Aber ist das Theater nicht auch ein Stück Zuhause?

Das ist es schon zwei Jahre nicht mehr. Damals war das emotional schwer. Inzwischen hab ich mich daran gewöhnt. Es mit Verstand zu betrachten und nicht mit Gefühl macht es einfacher. Und unser aktuelles Stück heißt „Et hätt noch immer jot jejange“. Das ist doch ein gutes Zeichen. Das kann kein Zufall sein.