Der Trödelkönig aus der Kettengasse
Altstadt – Der Trödelladen mit den angestaubten Schaufenstern in der Kettengasse 7, direkt ums Eck von Ehrenstraße und Pfeilstraße wirktwie ein Fremdkörper im sonst so hippen Straßenbild. Aber er ist in dieser Stelle seit über 130 Jahren der Platzhirsch. Im Jahre 1886 kaufte das Ehepaar Küderling das Grundstück, baute ein Haus und eröffnete, eine Kohlehandlung und eine Art Second Hand Laden. Damit legten sie den Grundstein für einen Familienbetrieb, der hier seit damals ansässig ist. „Meine Großeltern wohnten oben im Haus und während mein Opa mit Briketts handelte, verkaufte die Oma im Laden gebrauchte Sachen. Meine Eltern haben alles übernommen, 1965 den Briketthandel aufgegeben und sich dann auf Wohnungsauflösungen spezialisiert“, erzählt Annelie Groth-Küderling, die Enkelin der Geschäftsgründer. Sie führt heute gemeinsam mit ihrem Ehemann den Laden, der gestopft voll ist: Auf den 80 Quadratmetern Verkaufsfläche gibt es ein scheinbar unendliches Sortiment: Kerzenständer aus 895er Silber, Kristallgläser, Regenschirme, eine Unmenge an Küchen- und Wanduhren, Bettwäsche, Pelzmäntel, Spiegel, Fotoapparate und unzählige Lampen aus allen Epochen. Durch diesen Laden kann man nicht flanieren. Ein ganz schmaler Pfad führt ins Innere, wobei hinter jeder Ecke neue Trödelware zum Vorschein kommt. „Das meiste hier ist Pröll ohne Ende. In dem Chaos stehen aber auch ein paar Schätze. Hier habe ich einen Waschtisch mit einem Wasserbehälter aus Zinn, um die Jahrhundertwende, für gerade mal 750 Euro. Dahinter steht ein antiker Schrank für 3000 Euro oder die Art-Deco Uhr für 600 Euro. Die Stücke haben für mich keine Bedeutung, gehören Verstorbenen, die keine Erben hatten oder zu viele Erben, die sich nicht einigen konnten. Am liebsten kaufe ich die gesamte Immobilie samt Inhalt“, erklärt Jörg Groth, der Ehemann von Annelie Küderling-Groth, der seit 1980 die Geschäfte führt, stets in enger Kooperation mit den Nachlassgerichten.
Neben dem Laden hat er noch ein 1000 Quadratmeter großes Lager in Vogelsang. „Wenn ich früher mit dem vollgeladenen LKW in der Kettengasse ankam, musste ich selten abladen. Gastarbeiter haben in den 50er und 60ern einen neuen Hausstand aufgebaut, und die Einbauküchen, Betten Schränke, alles haben direkt von der Ladefläche weggekauft“, schwärmt der heute 80-Jährige.
In den 60er und 70er Jahren war der Laden so eine Art Kaufhaus für arme Leute. „Meine Mutter hatte alle Preise im Kopf, musste nie eine Bestandsaufnahme machen, sie wusste immer, was sie hat und wo es steht. Es waren damals goldene Zeiten, wir mussten oftmals die Tür zu machen, weil die Leute Schlange standen,“ erinnert sich Annelie. Die 76-Jährige hat sich inzwischen aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Ihr Mann kann es aber nicht lassen, jeden Tag öffnet er den Laden. „Mit Trödel bin ich sehr reich geworden, aber die goldenen Zeiten sind jetzt vorbei. An manchen Tagen kommt keiner, manchmal gerade mal fünf Kunden. Das ist mir inzwischen scheißegal, ich bin der letzte Mohikaner. Unsere Söhne haben kein Interesse an dem Laden und wenn ich tot bin, dann fahren die hier einen Bagger rein“, sagt Groth mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Aber seinen Laden öffnet er weiterhin jeden Tag für zwei Stunden. Und damit er den Feierabend nicht verpasst, stellt er sich immer vorsichtshalber den Wecker. Auswahl hat er ja genug. Rosa Küderling Antiquitäten seit 1886, Kettengasse 7, 50672 Köln Geöffnet Mo-Fr 15 – 17 Uhr
Jörg Groth, Trödler