Köln – Noch ist alles sehr ungewohnt für Sofia. Die vielen Kinder, die Lautstärke auf dem Pausenhof, der neue Tagesablauf. Dennoch ist die Sechsjährige mit dem pink-gestreiften Ranzen stolz, nun ein Schulkind zu sein. Keine Selbstverständlichkeit, stand ihr Leben kurz nach ihrer Geburt auf Messers Schneide. Das Mädchen war gerade einmal acht Wochen alt, als die Eltern Jacqueline und Enzo Marotta (38 und 36) aus Bayenthal die niederschmetternde Nachricht erhielten, dass ihr Kind Leukämie habe.
Nur dank eines Stammzellspende, die die Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) vermittelt hat, überlebte das Mädchen. „Die Diagnose war für uns ein Schock“, sagt Jacqueline Marotta (38) im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sofia hatte hohes Fieber entwickelt und wollte nicht trinken. Sie musste ins Krankenhaus, die Mediziner waren aber zunächst ratlos. Dann aber kam ein Arzt auf die Station gerannt und sagte, Sofia müsse sofort eine Chemotherapie erhalten. Das half zunächst, die Nebenwirkungen waren aber erheblich. Die Speiseröhre des Kindes wurde in Mitleidenschaft gezogen, das Immunsystem drastisch geschwächt. Das Kind musste in eine kleine Isolationskammer.
Stammzellenspende rettete Sofia das Leben
Die Wende kam mit Ben Zimdahl. Der Familienvater aus Dessau hatte kurz zuvor von einem anderen Kind gelesen, dass dringend eine Stammzellspende benötigte und beschloss, sich bei der DKMS registrieren zu lassen. Ein Jahr später erhielt er eine Nachricht, dass ein kleines Kölner Mädchen seine Spende benötigte. Zimdahl zögerte nicht und ließ sich das Knochenmark in einer neunminütigen Operation entnehmen. 120 Milliliter Knochenmark, die Sofia das Leben retteten.
Spender und Spendenempfänger dürfen sich in den ersten zwei Jahren nach der Spende nicht kennenlernen. Dann aber zog Sofia ihr schönstes Kleid und ihren Lieblingshut an, und die Mutter schickte ein Foto des Kindes per Whatsapp an Zimdahl mit der Frage „Wer bin ich?“ „Es hat kurz gedauert, bis ich realisiert hatte, wer das war“, schilderte Zimdahl seine Eindrücke der DKMS. „Aber dann hatte ich einen extremen Gefühlsausbruch.“
Treffen im Kölner Zoo
Die Marottas und Zimdahl blieben im Kontakt und trafen sich etwas später im Kölner Zoo. „Wir waren mit den Nerven am Ende, wir haben geweint“, erzählt Jacqueline Marotta. Zimdahl und Sofia brauchten nur wenig Zeit, um sich kennenzulernen. Sie aßen zusammen Pommes und gingen zusammen rutschen auf dem Spielplatz. „Sie fand ihn echt cool“, sagt Marotta. „Für mich war die Spende kein Aufwand. Ich konnte damals nach bereits nach wenigen Stunde das Krankenhaus verlassen“, erzählt Zimdahl. „Es gibt wohl keinen einfacheren Weg, jemanden zu helfen.“
Isolation in der Corona-Zeit
Nun also wurde Sofia eingeschult. „Der erste Schultag war für uns sehr aufregend“, sagt Mutter Jacqueline Marotta. „In der Klasse kommt sie schon ganz gut zurecht. Manchmal hält sie sich aber die Ohren zu, wenn es zu laut wird. Es ist ein bisschen viel für sie.“ Denn die vielen Kinder ist Sofia nicht gewohnt. Weil ihr Immunsystem auch nach der Heilung vom Blutkrebs geschwächt war, konnte sie kaum den Kindergarten besuchen. Die Eltern hatten sich entschieden, dass Kind solange zu isolieren, bis Sofia durchgeimpft war. Und dann kam die Corona-Pandemie. Die Sorge der Eltern, dass sich das Kind mit Corona infizieren könnte, war zu groß.
Noch muss die Mutter ihr Kind in die Schule begleiten. „Ich warte auf dem Schulhof, falls sie zur Toilette muss oder etwas anderes ist“, sagt sie. Sie hilft ihrer Tochter dabei, sich richtig die Hände zu waschen und die Maske richtig aufzusetzen. Aber Sofia habe bereits eine erste Freundin gefunden, so die Mutter. „Mein Herz schmilzt, wenn ich die beiden zusammen sehe. Sie halten Händchen und schauen sich immer nach einander um. Ich wünsche so sehr, dass Sofia eine gute Freundin findet. Sie hat so viele Jahre darauf verzichten müssen.“
Das Mädchen wird die Lehrer wohl noch fordern. „Schon am zweiten Schultag hat sie die Lehrerin gefragt, wann sie denn endlich mit dem Lernen anfangen würden. Da sollten die Kinder eigentlich eine Schultüte malen, das war Sofia wohl nicht genug.“
Informationen zur DKMS und Stammzellspenden gibt es im Internet.
www.dkms.de