Laura Beckmann ist kleinwüchsig„Meine Größe definiert nicht mein Leben“
Köln – Wenn Laura Beckmann durch die Schildergasse geht, schaltet sie auf Durchzug: Sie fixiert einen Punkt in der Ferne, schaut nicht nach rechts und links, stellt sich taub. All die Blicke, die dummen Bemerkungen, das Getuschel blendet sie einfach aus. „Ich will das gar nicht so mitbekommen“, sagt sie.
Laura Beckmann fällt auf. Mit ihren 18 Jahren misst sie gerade mal 1,30 Meter – und zählt damit zu den rund 100.000 Kleinwüchsigen in Deutschland. Sie ist es gewohnt, angestarrt zu werden, und hat gelernt, damit zu leben. Ein ganz normales Leben, wie sie betont. „Nur weil ich zwei Köpfe kleiner bin, sitze ich nicht den ganzen Tag in der Ecke und grübele vor mich hin.“ Man nimmt es ihr ab. Knallrote Lippen, die Augen dunkel geschminkt, Blümchen-Shorts: Laura Beckmann ist selbstbewusst, keine, die sich versteckt.
Normales Partyleben
Sie geht in Discos und auf Konzerte, obwohl ihr Drängelei und Menschenmassen unangenehm sind. „Dann habe ich schnell mal Rucksäcke oder einen Ellbogen im Gesicht.“ Eine Massenpanik wäre das Schlimmste für sie. Sie absolviert gerade an einer Grundschule in Müngersdorf ein einjähriges Praktikum, obwohl sie sich damit quasi in die Höhle des Löwen begeben hat. Sind es doch gerade die Kinder, die sie zeitlebens immer und überall mit Blicken und direkten Fragen verfolgt haben. „Bei Kindern stört mich das aber nicht, sie wissen es ja nicht besser.“
Sie kann Autofahren – mit Hilfe einer Pedalverlängerung. Und sie regelt selbstverständlich ihren Alltag alleine, obwohl sie sich beim Einkaufen kopfüber in die Tiefkühltruhe hängen oder auf dem Wagen balancieren muss, um an die Waren heranzukommen. Die 18-Jährige lässt sich von solchen Hindernissen nicht schrecken. „Meine Größe definiert nicht mein Leben, sie ist mir egal“, sagt sie.
Genetische Mutation ist Ursache
Als Laura Beckmann mit zehn Jahren aufhörte zu wachsen, wusste sie zwar, dass sie kleinwüchsig ist, aber was das bedeutet, war ihr nicht klar. „Erst als in der Pubertät alle meine Mitschüler in die Höhe schossen, habe ich gemerkt: »Oh, ich bin ja schon anders.«“ Komisch sei das zuerst gewesen, aber dann habe sie sich schnell damit abgefunden. Eine genetische Mutation, die außer ihr niemand in der Familie aufweist, ist für ihre Hypochondroplasie – so der Fachausdruck – verantwortlich.
Bei dieser Form bleiben die Menschen zwar klein, weisen aber normale Proportionen auf. Von den typischen Gesundheitsproblemen vieler Kleinwüchsiger, die aufgrund der verkürzten Extremitäten oft unter Gelenkverschleiß leiden, wird sie deshalb wohl verschont bleiben.
Dass viele Menschen so gut wie nichts über Kleinwüchsigkeit wissen, ärgert die 18-Jährige. Sie will aufklären, das ist der Grund, warum sie die Öffentlichkeit sucht. Es war auch einer der Gründe – neben dem Spaß an der Arbeit mit Kindern – warum sie für ihr Berufsschulpraktikum an eine Grundschule in Müngersdorf gegangen ist. Dort assisistiert sie seit vergangenem Sommer in einer ersten Klasse. In den ersten Monaten musste sie täglich mehrmals Fragen nach ihrer Größe beantworten, in nahezu jeder Pause, jeder Schulstunde.
Inzwischen hat sich der Ansturm gelegt. „Sie respektieren mich, obwohl einige mich, was die Größe angeht, schon überholt haben“, sagt Beckmann. Spätestens seit sie mit den Kindern Schuh-Tausch gespielt hat, ist sie zudem sehr beliebt. „Mit den Schuhen der Lehrerin herumzulaufen, fanden die natürlich toll.“
Grundschullehrerin oder Schauspielerin möchte sie werden
Grundschullehrerin möchte Beckmann gerne werden, wenn sie ihr Fach-Abitur geschafft hat. Oder Schauspielerin. „Ich stehe gerne vor der Kamera.“ Außerdem ärgert es sie kolossal, dass Kleinwüchsige in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht präsent sind. Fernsehmoderatoren etwa suche man vergeblich. Alles, was jenseits der sogenannten Norm ist, werde aussortiert. Eine Schauspielerin wie Christine Urspruch (1,32m), die im Münsteraner Tatort die Rechtsmedizinerin „Alberich“ spielt, beeindruckt sie daher sehr. Ihr Beispiel sollte Schule machen, findet Laura Beckmann.
650 Ursachen der Kleinwüchsigkeit
Rund 100.000 Bundesbürger sind nach Angaben des Bundesverbandes Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien (BKMF) von Kleinwüchsigkeit bedroht. Als Erwachsene erreichen sie eine Größe von 80 Zentimetern bis 1,40 Meter. Man unterscheidet heute 650 verschiedene Ursachen von Kleinwuchs. Eine der häufigsten Formen ist die Achondroplasie, eine Entwicklungsstörung des Knorpel- beziehungsweise Knochengewebes, die unter anderem zu einer Verschiebung der Körperproportionen führt. Arme und Beine sind verkürzt, der Kopf vergrößert. Bei der Hypochondroplasie dagegen bleiben die Proportionen weitgehend erhalten. Sie gilt als die leichtere Störung. (jac)