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Die Postmoderne aus der Vergangenheit

Lesezeit 3 Minuten

Zur Siedlungskonzeption des Architekten Wilhelm Riphahn gehörten auch stets Geschäfte, wie hier in der Siedlung „Die weiße Stadt” in Buchforst.

Buchforst – Das moderne Köln entwickelte sich in den 1920er Jahren. Damals war Konrad Adenauer Kölns Oberbürgermeister, und zahlreiche große Fabriken zogen viele Arbeiter in die Stadt und machten Kölner Produkte in aller Welt bekannt.

In diesem Zuge entstanden im linksrheinischen und im rechtsrheinischen Teil der Stadt zahlreiche neue Siedlungen und sorgten für die Ausdehnung der Stadt. Ihre Entstehung ist untrennbar verbunden mit dem Architekten und Stadtentwickler Wilhelm Riphahn (1889-1963), dem in der Kulturkirche Ost eine große Ausstellung gewidmet ist. Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Denn gleich um die Ecke befindet sich eine von Riphahns markanten Siedlungsprojekten: Die sogenannte „Weiße Stadt“, gebaut in den Jahren von 1929 bis 1932 als Teil des neuen Stadtviertels Buchforst. Damals wie heute ist sie im Besitz der Wohnungsbaugesellschaft GAG, die im Jahr 1913 als halbstädtische Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau in Köln gegründet worden war. Und damals wie heute garantiert die GAG bezahlbaren Wohnraum in der Großstadt Köln, in der die Mieten auf dem freien Markt wie in allen Großstädten in den letzten Jahren explosionsartig angestiegen sind. Die Bedeutung der Schaffung großer Siedlungen im sozialen Wohnungsbau hat sich im Vergleich zu den 1920er-Jahren, als Riphahn Gebäude für Köln konzipierte, nicht grundlegend verändert. Außer dass die vorhandenen Räume für neuen Wohnungsbau heute enger geworden sind.

Gleichfalls nicht verändert hat sich ästhetische Kraft und funktionale Klarheit der von Riphahn entworfenen Wohnareale. Obwohl er selbst nie am legendären Bauhaus studierte, sind sie stark geprägt von den modernen architektonischen Ideen, die auch dort gepflegt wurden.

Mehrere Fotos zeigen Beispiele von typischen Wohnungseinrichtungen aus den 1920er Jahren.

Das belegen die vielen Fotografien, die die bekannten Fotografen Werner Mantz und Hugo Schmölz seinerzeit im Auftrag der GAG von den neu errichteten Siedlungen anfertigten. So dokumentiert die Ausstellung nicht nur die bauliche Schönheit moderner Architektur und ein wichtiges Kapitel Kölner Stadtentwicklungsgeschichte. Sie zeigt zugleich den besonderen Blick zweier Fotografen, deren Platz in der künstlerischen Fotografie längst sicher ist. Die Ausschnitte und Perspektiven, die sie wählten, Ausdruck der „Neuen Sachlichkeit“, waren für die Fotografie ebenso richtungsweisend wie Riphahns bauliche Konzepte für die Architektur. Ergänzt wird die Schau darüber hinaus durch mehrere originale architektonische Aufrisszeichnungen und zeichnerische Entwürfe Riphans für Möbelstücke. Denn Riphan zeigte auch im Bereich des Designs innovatives Interesse.

Dass das neue Wohnen in den 1920er Jahren auch im Inneren grundlegende Modernisierungen erfuhr, demonstrieren zahlreiche Fotos von Inneneinrichtungen aus der damaligen Zeit. Die Küchen-, Wohn- und Schlafzimmermöblierungen erscheinen in Raumaufteilung und funktionaler Schlichtheit bis heute vielfach sehr modern, wie nicht wenige Ausstellungsbesucher erstaunt feststellen. Eindrucksvoll bringen die Fotos gleichfalls besondere Einzelheiten in der Mauergestaltung wie bei den Siedlungshäusern am Höninger Weg in Zollstock oder bauliche Akzentsetzungen durch Kirchenbauten und Geschäfte wie in der Siedlung Bickendorf II zum Ausdruck. Die von Riphahn entworfenen Wohnsiedlungen setzen bis heute Maßstäbe.

Dass sich viele Bauprojekte durch die zunehmende Digitalisierung und Ökonomisierung von Planungsvorgängen davon entfernt haben, wird in der Ausstellung sichtbar. Die Hommage an Riphahn lässt den Schluss zu, dass auch die Moderne und Postmoderne ein paar beständige bauliche Prinzipien beherzigen sollte. Das Kunststück dieses Ausnahme-Architekten besteht darin, dass es für ihn offenbar keinen prinzipiellen Gegensatz zwischen Tradition und Moderne gibt.

Kulturkirche Ost, Kopernikusstraße 34, donnerstags und freitags von 17-20 Uhr, bis 20.11.