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Die Stadt frisst sich in die Fläche

Lesezeit 6 Minuten

Die Landschaft an der Bezirkssportanlage Weidenpesch (unten l.) steht für den Siedlungsbau zur Debatte, ebenso der Acker am Lindweilerweg (r.). Auf der früheren Nordfriedhof-Erweiterungsfläche kampieren jährlich die „Mauenheimer Mongolen“ (oben).

Nippes/Chorweiler – Köln wächst und wächst. Laut Prognosen steht der Stadt auch in den kommenden Jahrzehnten ein kräftiges Einwohner-Plus bevor. Um der zusätzlichen Nachfrage an Wohnraum zu begegnen – und damit auch die Mieten nicht ins Uferlose steigen –, hat die Stadtverwaltung mögliche Flächen für den Wohnungsbau ausgeguckt. Festgezurrt werden sollen sie über die Aktualisierung des sogenannten „Regionalplans“ der Bezirksregierung Köln, dem ranghöchsten Planungsinstrument. Mit den stadtweit in Erwägung gezogenen rund 650 Hektar neuer Siedlungsflächen soll der Platzbedarf fürs Wohnen zumindest teilweise gedeckt werden. Bald soll der Rat über die Ideen beraten. Dass alle vorgeschlagenen Siedlungsflächen Bestand haben werden, ist inzwischen zweifelhaft. Nachdem Naturschützer gegen die Bebauung von Grün- und Ackerland protestiert haben, haben sich auch die im Rat einflussreichen Grünen gegen das Konzept gewandt. Das Wohnungsproblem müsse man anders lösen, heißt es; die Stadt solle möglichst keine freien Flächen mehr bebauen.

Bezirk Nippes Vom Regionalplan-Verfahren ist der Stadtbezirk Nippes weniger stark betroffen. „Nur“ vier Flächen mit insgesamt 16,5 Hektar hat die Stadt als neue „Allgemeine Siedlungsbereiche“ (ASB) vorgeschlagen. Es handelt sich um Freiflächen, die im aktuellen Regionalplan als Waldflächen und Grünzüge stehen.

Longerich Zwei Flächen stehen in Longerich zur Debatte. Sie befinden sich im äußersten Westen (Lindweilerweg) sowie im äußersten Osten des Stadtteils (Lachemer Weg); rund drei Kilometer voneinander entfernt.

Die 4,9 Hektar große Fläche am Lindweilerweg liegt zwischen Longericher Hauptstraße und dem Kreisel zur Butzweilerstraße. Es handelt sich größtenteils um Acker; nahe des Kreisels und entlang des Lindweilerweges zieht sich etwas Wald entlang. Auf einem Teil des Areals eröffnete 2015 ein Flüchtlingsheim, dessen Kapazität 2017 auf 156 Plätze verdoppelt wurde. Am anderen Ende der Fläche befindet sich das Vereinsheim des Handballclubs Longericher SC. Vorgesehen ist laut Stadt Wohnungsbau sowie Nahversorgung, die in jenem Teil Longerichs zu wünschen übrig lässt.

Mit 5,4 Hektar etwas größer ist die Fläche am Lachemer Weg. Es handelt sich um das „Rübenacker“ genannte Gelände hinter dem Dr.-Dormagen-Guffanti-Haus der Sozial-Betriebe Köln (SBK). Hier könnte laut Stadt eine Schule entstehen. Ende 2016 hatte die Bezirksvertretung Nippes die Fläche für eine weiterführende Schule vorgeschlagen. Damals lehnte die Stadt noch ab; hierfür müsse erst der Regionalplan geändert werden – was nun aber ja passieren soll. Das Gelände sei außerdem als Frischluftschneise wichtig, hieß es. Wie Nina Kristin Sieberns vom Amt für Stadtentwicklung jedoch den Bezirksvertretern erläuterte, sei man im Dialog mit elf Fachämtern überein gekommen, dass die Freifläche für die Luftversorgung doch nicht zwingend sei.

Weidenpesch 3,7 Hektar zwischen Neusser Straße und Bezirkssportanlage Scheibenstraße sollen laut Verwaltung überplant werden. Zwischen der Feuerwehr im Süden und den Güterzug-Schienen im Norden passiert man Sportplätze; danach beginnt eine Busch- und Heidelandschaft, ein Landschaftsschutzgebiet. Die Fläche würde sich laut Stadt für Wohnen, Kleingewerbe, Einzelhandel und vielleicht eine weitere Schule – wohl eine Grundschule – eignen. In einen Teil der Fläche ragt der Hof der Abbruch-Firma Jean Harzheim GmbH & Co. KG hinein. „Bisher hat uns die Stadt noch nicht kontaktiert“, meint dazu Johannes Harzheim, Kölner Leiter des Betriebs, der nun zur Gütersloher Hagedorn-Gruppe gehört. „Die Fläche wäre aber geeignet für Wohnraum. “ Die Stadt könne die Fläche aus seiner Sicht potenziell erwerben.

Die Landschaft an der Bezirkssportanlage Weidenpesch (unten l.) steht für den Siedlungsbau zur Debatte, ebenso der Acker am Lindweilerweg (r.). Auf der früheren Nordfriedhof-Erweiterungsfläche kampieren jährlich die „Mauenheimer Mongolen“ (oben).

Das zweite Weidenpescher Areal ist die frühere Nordfriedhofs-Reservefläche Ecke Merheimer Straße / Schmiedegasse, rund 2,5 Hektar groß. Auf der Wiese, wo bislang die „Mauenheimer Mongolen“ ihr jährliches Stämmelager aufschlagen, ist auf mittlere Sicht die zweite Gesamtschule im Bezirk Nippes geplant; laut Stadt wäre zusätzlich auch Wohnungsbau denkbar. Zuvor wird das Gelände jedoch zum Park: Als Kompensation für die Ausweich-Container des Dreikönigs-Gymnasiums (DKG) im Bürgerpark-Nord von Bilderstöckchen hatte der Naturschutzbeirat als Auflage bestimmt, die Fläche als Ausgleichsgrün der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Bezirk Chorweiler In Chorweiler hat die Stadtverwaltung mehrere potenzielle Grundstücke für dringend benötigten Wohnungsbau vorgeschlagen. Auf ihrer jüngsten Sitzung lehnten die Chorweiler Bezirksvertreter einen der Vorschläge jedoch ab. Dabei handelt es sich um eine 18,3 Hektar große Fläche am nördlichen Rand von Roggendorf/Thenhoven. Dort gebe es schon genug Wohnungsbau, zudem würde die Siedlung weiter an die chemischen Werke heranrücken. Den restlichen Vorschlägen für die Änderungen des Regionalplans stimmte das Gremium mit Anmerkungen zu. „Es muss bei der gesamten Entwicklung mit Augenmaß gearbeitet werden“, forderte der Grünen-Fraktionschef Wolfgang Kleinjans. Merkenich Die beiden Flächen zwischen Rheinkassel und Langel messen insgesamt 51 Hektar. Dort könnten Wohnungen entstehen, langfristig auch eine Anbindung an die Stadtbahnlinie 12. Das Areal in Langel hat laut Stadt eine besondere ökologische Funktion. Fühlingen Das 17,1 große Grundstück grenzt an den Mennweg und schlägt eine Kurve Richtung Blumenberg. Ein Bereich hat ebenfalls eine ökologische Funktion, ist unter anderem eine „Biotopverbundfläche“. Dort könnten laut Stadt Wohnungen entstehen. Die Kommunalpolitiker sprechen sich gegen eine hohe Bebauung aus, sie solle „der Umgebung angepasst“ sein. Pesch Die 8,1 Hektar große Grünfläche liegt zwischen Pescher Weg und Pestalozzistraße und zeichnet sich durch Arten- und Wasserschutz aus. Dort könnten Wohnungen entstehen. Esch/Auweiler Dort schlägt die Stadt zwei Flächen vor: eine nördlich des Orts mit 29,9 Hektar und eine mit 4,1 Hektar in der Nähe der Sportanlage. Dort könnten Wohnungen entstehen und langfristig ein Anschluss an die Stadtbahnlinie 5. Probleme sehen die Kommunalpolitiker beim Verkehr. Schon jetzt gebe es „massive Beschwerden“ von Anwohnern über zu viele Autos aus Pulheim und den benachbarten Ortschaften. In Esch/Auweiler standen weitere Flächen mit mehreren Hektar zur Diskussion, die von der Stadt aber wieder gestrichen wurden. Zum Glück, sagt Kleinjans: „Wie soll denn dort Dorfleben stattfinden, wenn der Ort verdoppelt wird?“ Volkhoven/Weiler 33,4 Hektar misst das Areal, auf dem laut Regionalplan Wohnungen und Gewerbe entstehen könnten. Die Bezirksvertreter lehnen jedoch ein Gewerbegebiet ab und wünschen sich ausschließlich Wohnungsbau. Ein Areal unterliegt dem Bodenschutz und ist laut Stadt eine klima-aktive Fläche. Roggendorf/Thenhoven Dort stehen vier Flächen zur Disposition, eine davon lehnte die Bezirksvertretung ab. Die restlichen drei Grundstücke liegen verteilt im Ort: eines südlich des Dorfes mit einer Größe von 12,1 Hektar, eines grenzt an Hackenbroich, mit 27 Hektar, und eines auf der gegenüberliegenden Seite der Autobahn mit 30,9 Hektar. Die Politiker fordern, dass zunächst der nahe liegende Blumenbergsweg ausgebaut wird, bevor in der Umgebung neue Häuser entstehen.

Der Regionalplan

Der Regionalplan wird von der Bezirksregierung aufgestellt, der Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) vorsteht. Hier sind Flächen als Allgemeine Siedlungsbereiche (ASB), als Gewerbe- und Industriebereiche (GIB) oder für andere Nutzungen gekennzeichnet. Der Plan ist die verbindliche Grundlage für die baurechtliche Planung der Kommunen.

Bis 2040 soll mit der aktuellen Überarbeitung der Bevölkerungsentwicklung Rechnung getragen werden. Aber auch anderen Zielen wie „der Schaffung von gleichberechtigten Lebensverhältnissen, der Sicherung von Freiräumen, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, aber auch der Eröffnung von Zukunfts-Chancen“ soll der Plan dienen. Zwischen diesen sich teilweise widersprechenden Zielen gilt es für die Politiker abzuwägen. Die Stadt Köln beteiligt sich mit Vorschlägen an dem Verfahren. Abschließend entscheidet der Regionalrat, der als politisches Gremium die Arbeit der Bezirksregierung kontrolliert, über den Plan. (phh)