Diesel-AutoKölner verweigert Software-Update und soll 500 Euro Strafe zahlen
Köln – Als Helmut Krevet vor knapp zwei Wochen einen gelben Umschlag mit amtlichen Stempel aus seinem Briefkasten zieht, kann es der 56-Jährige nicht fassen: 500 Euro Strafe fordert die Stadt Köln von dem Sürther, weil er das nach dem VW-Skandal vom Kraftfahrtbundesamt vorgeschriebene Software-Update zur Beseitigung der illegalen Abschalteinrichtung noch nicht hat installieren lassen. Rechtlich scheint das zunächst einwandfrei – doch einiges am Fall Krevets ist außergewöhnlich: Denn noch klagt er vor Gericht, weil sein Wagen nachweislich zu viel Diesel verbraucht. Für Krevets Anwalt ist klar: Das Softwareupdate könnte Beweise vernichten.
Wenn Helmut Krevet heute in seinen grauen Seat Exeo steigt, den Zündschlüssel umlegt, der Dieselmotor zu brummen beginnt, dann überkommt den 56-Jährigen die Wut. Mit seiner einstigen Wunschbeziehung zum über Jahrzehnte so hochgelobten Diesels soll nun soll ein für alle Mal Schluss sein – ohne Wehmut, ohne versöhnlichen Abschied. Denn hinter ihm liegen rund drei Jahre Gerichtsstreit um seinen Kombi, den Krevet vor fünf Jahren gerade wegen des angeblich niedrigen Verbrauchs gekauft hatte. Doch schnell merkt er: Sein Wagen verbraucht deutlich mehr als angegeben.
Stadt verlangt Nachrüstung
Der Sürther zieht vor Gericht. Über 20 Prozent Mehrverbrauch stellt ein vom Landgericht Köln bestellter Gutachter nach monatelanger Prüfung fest. Ein „erheblicher“ Mangel, heißt es später im bisher nicht rechtskräftigen Urteil, das Krevet vor zwei Wochen zugestellt wurde. Darin wird der Autohändler verpflichtet, den Wagen Krevets gegen entsprechende Entschädigung zurückzunehmen. Ein Erfolg für den 56-Jährigen. Doch nach Feiern ist dem Sürther trotzdem nicht zumute. Denn noch während des laufenden Verfahrens fordert die Stadt Krevet in zwei Schreiben binnen knapp zwei Wochen zur Nachrüstung eines Diesel-Updates auf.
Wie Millionen andere Autos ist der Wagen Krevets nämlich betroffen vom Abgasskandal und damit mit einer illegalen Abschalteinrichtung ausgerüstet, die nach Vorgabe des Kraftfahrtbundesamts durch ein Update entfernt werden soll. Zuerst erhielt Krevet wie auch alle anderen Betroffenen noch Post vom Hersteller und des Kraftfahrtbundesamtes mit der Bitte um die Vereinbarung eines Werkstatttermins – doch als er diese Schreiben wegen seines laufenden Verfahrens ignorierte, schaltete sich die Zulassungsstelle der Stadt Köln als vollziehende Behörde ein – und die fordert in ihrem im zweiten Schreiben gegen Krevet nun ein Zwangsgeld über 500 Euro.
Bitte um Aufschub abgewiesen
„Die Welt war für mich auf den Kopf gestellt“, erzählt der 56-Jährige. „Ich wehre mich ja selbst gegen einen zu hohen Verbrauch meines Wagens, nun werde ich selbst in die Rolle des Umweltsünders gesteckt.“ Bereits nach dem ersten Schreiben hatte er die Stadt um einen Aufschub der einwöchigen Frist zum Nachrüsten des Updates bis Mitte Juni gebeten – doch seine Bitten verhallten. Für seinen Anwalt Domenique Kreymborg ist das Verhalten der Behörden nur schwer nachvollziehbar: „Die Problematik um den Dieselskandal ist seit 2015 bekannt – jetzt, wo gerade viele Betroffene klagen, soll es plötzlich ganz schnell gehen.“
Aus rechtlicher Sicht ist das ein Problem – vor allem für den Verbraucher, glaubt der Verkehrsrechtsanwalt. Denn bisher sei ungenügend geregelt, wie das Softwareupdate juristisch zu behandeln ist. „Bei dem konkreten Fall besteht das Risiko, dass der Verbrauch des Fahrzeuges nach dem Update niedriger oder viel wahrscheinlicher noch höher ausfällt“, sagt Kreymborg. „Für die Gegenseite wäre das in einem Verfahren eine Steilvorlage.“ Seine Befürchtung: Bei einem drohenden Berufungsverfahren könnte der Autohändler das erste Gutachten als fehlerhaft anfechten, eine zweite Begutachtung durchsetzen und die überhöhten Werte aus dem zweiten Gutachten einzig dem Update zuschreiben – wodurch der Autohändler womöglich aus dem Schneider wäre. „Damit wäre es zu einer Beweisvereitelung gekommen“, ist Kreymborg überzeugt.
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Ganz ähnlich sieht das ADAC-Rechtsexpertin Alexandra Elhöft. Rechtlich ist der Bescheid der Stadt aus ihrer Sicht zwar zunächst nicht zu beanstanden, doch auch sie appelliert wie Kreymborg an einen Handlungsspielraum der Kommunen. „Durch das Update könnten nämlich tatsächlich Beweise laufender Verfahren vernichtet werden“, betont Elhöft. Deshalb sei der ADAC bereits im Kontakt mit mehreren Kommunen in NRW und fordert dort ein Entgegenkommen der Behörden gegenüber noch in Verfahren befindlichen Autofahrern – denn mit seinem Problem bei weitem nicht der einzige.
Doch die Stadt Köln signalisiert schon jetzt klar: „Wir haben keinerlei Spielraum“, sagt Stadtsprecherin Inge Schürmann auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Aktuell fordere das Kraftfahrtbundesamt nämlich für 159 Fälle in Köln, bei denen Autofahrer nach wie vor das gesetzlich vorgeschriebene Update noch nicht installiert hätten, schnellstmöglichen Vollzug – ob sich einige von ihnen noch in laufenden Verfahren befinden, sei dabei unerheblich. „Wir haben vom Kraftfahrtbundesamt klare Anweisungen. Die setzen wir um und gehen nicht mehr in die Sachprüfung der einzelnen Fälle.“
Vertrauen verloren
Auf Nachfrage dementiert das Kraftfahrtbundesamt allerdings, dass es solche Anweisungen gegenüber Kommunen gebe. Die Frage der Durchsetzung der Dieselumrüstung seien „Einzelfallentscheidungen der Landesbehörden, die im pflichtgemäßen Ermessen der jeweiligen Behörde stehen“, so Sprecher Stephan Immen. Also sind die Behörden doch zur Einzelfallprüfung angehalten?
Die Stadt verweist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln, das erst vor wenigen Tagen einem Dieselfahrer einen Aufschub zur Installation des Updates verweigerte. Dem gegenüber steht allerdings eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe aus dem März, das einen sofortigen Vollzug einer Stilllegung des Fahrzeuges nach Nichtinstallation des Updates für rechtswidrig erklärte.
Denn das private Interesse des gegen den VW-Händler klagenden Fahrzeugbesitzers überwiege gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Stilllegung des Fahrzeuges, argumentierte das Karlsruher Gericht. Trotzdem haben die Kfz-Behörden in München und Hamburg in diesen Tagen bereits erste Dieselautos ohne Update zwangsweise stillgelegt. Ob diese Fälle allerdings auf den von Krevet übertragbar sind, müsste wiederum ein Gericht klären. Inzwischen hat die Zulassungsstelle allerdings angekündigt, das Zwangsgeld gegen Krevet fallen zu lassen – aber nur, weil dieser seinen Wagen mittlerweile abgemeldet und an den Autohändler zurückgegeben hat.
Aber trotzdem: Wie ein Gewinner fühlt sich Krevet nicht. Denn Vertrauen verloren hat er schon jetzt: In das Kraftfahrtbundesamt, in die Stadt Köln, vor allem aber in die Autoindustrie. „Man wird bewusst vorgeführt von den Autobauern und das Rechtssystem scheint dagegen machtlos“, sagt Krevet. Einen Diesel kaufen will er nicht mehr – der Mythos vom als so zuverlässig geltenden Dieselmotor ist für ihn ausgeträumt.