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Dügün TVHeiraten vor laufender Kamera

Lesezeit 3 Minuten

Türkische Hochzeiten sind keine Privatsache: Als Kaan Atas seine Özlem zum Hochzeitstanz bittet, laufen zahlreiche Kameras.

Köln – Güler Balaban (48), Chefin des Kölner Hochzeitssenders Dügün TV, sagt, Heiraten habe sich bei ihr „nicht ergeben“. „Viele Menschen heiraten zu früh“, sagt Kameramann Hüseyin Özdemir (27, ledig), „und irgendwann meinen sie dann, sie hätten was verpasst in ihrer Jugend“. Auch Moderatorin Pinar Aras (32) ist nicht verheiratet.

Geschäft und Privatleben sind bei Balaban, Özdemir und Aras streng getrennt – Hochzeiten sind ihr Geschäft. Seit der Sender im Oktober 2004 die ersten Hochzeiten übertrug, ist das Unternehmen mit Sitz in Dellbrück stetig gewachsen. 24 Stunden am Tag sendet Dügün TV (Dügün ist Türkisch und heißt Hochzeit) Hochzeiten, Verlobungs- und Beschneidungsfeiern. Am unteren Bildrand wir per (kostenpflichtigen) Kurzmitteilungen unentwegt geflirtet. Viele der Liebeleien haben bei den Hochzeitsfeiern ihren Anfang genommen.

Samstagabend im MK-Palast, Venloer Straße. Als Kaan Atas seine Braut Özlem küsst, fokussiert Hüseyin Özdemir mit seiner knapp neun Kilo schweren Kamera auf das Paar. Kuss und Hochzeitstanz sind auf zwei Riesenleinwänden und einem Fernseher im Saal zu sehen, 1000 Gäste schauen zu – türkische Hochzeiten sind auch Statussymbol. Wenn die Hochzeit auf „Dügün TV“ ausgestrahlt wird, werden 100 000 zugucken. Über 90 Prozent der Türken kennen den Sender, „und Hochzeiten spielen in der türkischen Kultur eine größere Rolle als in der deutschen“, sagt Güler Balaban.

Nach einem Volkstanz (Halay) mit ohrenbetäubender Trommel (Davul) und Blasinstrument (Zurna) bittet Moderatorin Pinar Aras das Paar zum Interview. „Es ist nicht so, dass ich sie angesprochen habe, sie hat mich angemacht“, sagt Kaan Atas, der einige Jahre in der Ersten Mannschaft von Viktoria Köln Fußball gespielt hat. Kaan (26) und Özlem (22), in Deutschland aufgewachsen, haben sich in einem türkischen Urlaubsort kennengelernt und drei Jahre später in Deutschland zufällig wiedergetroffen. Kaan winkt in die Kamera und grüßt seine Verwandten in der Türkei, Özlem auch, die Grüße sind Rituale der TV-Reportagen – „so schlagen wir die Brücke zwischen Türkei und den Ländern, aus denen wir berichten“, sagt Güler Balaban.

Als der Sänger der Live-Band zum Mikro greift, füllt sich die Tanzfläche mit jungen Menschen. Es gibt schüchterne Blicke und forsche Sprüche, man kommt sich näher, die Alten gucken und tuscheln. „Das sind meine Kunden von morgen“, sagt Balaban, „Hochzeiten sind die wichtigsten Kontaktbörsen für neue Paare.“ Zu ihrer Moderatorin Aras sagt sie, als die ein paar Jugendliche interviewt: „Sei nett zu ihnen, sie sind unser Kapital!“

Die Mutter des Bräutigams umarmt Aras stürmisch, „ich liebe deine Sendung, gucke sie jeden Sonntag“. Die Mutter der Braut will lieber nichts vor laufender Kamera sagen, „Özlem ist zwar noch unsere Tochter, aber sie gehört jetzt nicht mehr zur Familie“, sagt der Brautvater. „Das Wichtigste ist aber, dass unsere Tochter glücklich ist.“ Die Eltern von Özlem haben nicht – wie bei traditionellen Hochzeiten nicht unüblich – Geld oder Goldketten als „Ablöse“ verlangt. Die Braut trägt Tätowierungen und Piercing, der Raki wird nicht unter dem Tisch, sondern ganz offen getrunken. Dügün TV zeigt eine moderne türkische Kultur, interviewt werden auch deutsche Gäste. „Damit leisten wir einen Beitrag zum besseren Verständnis“, sagt Balaban. Zwangsheiraten seien ein Klischee, in manchen türkischen Regionen aber leider noch seltene Realität. „Und auch diese Leute sehen über Dügün TV, wie unbeschwert Hochzeitsfeste sein können.“