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MilieuschutzBickendorf droht Gentrifizierung - Mieter wehren sich

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Einer der Innenhöfe auf dem Areal der ehemaligen Brunckenfabrik in Bickendorf. 

  1. Nach dem Severinsviertel und Mülheim Süd fordern jetzt auch Bezirkspolitiker in Bickendorf eine Milieuschutzsatzung für ihr Veedel.
  2. Damit wollen sie verhindern, dass in Bickendorf zu viel teurer Wohnraum entsteht.
  3. Im Viertel herrscht Aufruhr. 30 Mieterinnen und Mietern der alternativen Loft-Wohnungen in der Rochusstraße 56 droht der Rauswurf.

Bickendorf – Im Viertel herrscht Aufruhr. Die Angst vor „Gentrifizierung“ geht um. Mit diesem Schlagwort zog eine Gruppe Demonstranten vor das Bürgerzentrum Ehrenfeld. Bevor dort die Sitzung der Bezirksvertretung Ehrenfeld begann, machte der von der Partei Die Linke getragene Protest auf einen Vorgang aufmerksam, der ein historisches Gebäude an der Rochusstraße 56 betrifft. Den Bewohnerinnen und Bewohnern dort drohe die Verdrängung. Stattdessen könnten neue, deutlich teurere Wohnungen entstehen. Das typische Muster von Gentrifizierung.

30 Prozent teurere Mieten

Das dortige Gebäude, dessen rückseitige Anbauten bis zur parallel verlaufenden Teichstraße reichen, soll verkauft und abgerissen werden.Den Mietern – so berichten die Aktivisten – sei bereits gekündigt worden. 30 Menschen müssten sich eine neue Bleibe suchen. Befürchtet wird, dass anstelle der alten Bauten, die frühere „Maschinenfabrik Bruncken“, ein ähnlich teurer Wohnraum entsteht wie bereits auf dem Nachbargrundstück. In einem dort kürzlich fertiggestellten Wohngebäude liegt der Mietpreis bei 16 Euro pro Quadratmeter. Dieser Preis liege 30 Prozent über den Quadratmeterpreisen des Marktberichts der Kölner Immobilienbörse, erläuterte die Fraktion der Linken in der Bezirksvertretung.

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Die Fassade des früheren Verwaltungsgebäudes der Elektromotorenfabrik Bruncken an der Rochusstraße.

Mehrheit für Milieuschutzsatzung

Ihr Antrag, für den Stadtteil Bickendorf eine Milieuschutzsatzung zu erlassen, fand eine breite Mehrheit. Ob und wann diese dann greift, ist jedoch noch völlig offen. Zunächst muss der Stadtentwicklungsausschuss den Auftrag an die Stadtverwaltung geben. Diese hat gerade erst die Milieuschutzsatzungen für das Severinsviertel und für Mülheim Süd fertig, erläuterte Brigitte Scholz, Leiterin des Amts für Stadtentwicklung. Anschließend will sie sich mit Ehrenfeld befassen.

Dazu sind umfangreiche Datenerhebungen nötig. Erst danach käme Bickendorf an die Reihe. Einen weiteren Versuch, das ehemalige Fabrikgebäude zu erhalten, unternahm die CDU-Fraktion. Sie forderte Denkmalschutz für das direkt an der Rochusstraße liegende ehemalige Verwaltungsgebäude der Fabrik sowie für die rückwärtigen früheren Werkshallen. Für die Grünen sagte Bezirksvertreter Ralf Klemm: „Beim Milieuschutz sollte Ehrenfeld zuerst abgearbeitet werden.“

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Blick in eine der Loft-Wohnungen in der ehemaligen Brunckenfabrik.

Bickendorfer Mieter wehren sich

Ob Denkmalschutz etwas bringe, bezweifelte er. „Wir müssen den Besitzer auffordern, mit den Menschen zu sprechen. Wir können es nicht zulassen, dass man sie auf die Straße setzt und dass ein stadtteilprägendes Gebäude verschwindet.“

Die Anfänge der Fabrik reichen in das Jahr 1910. Johannes Bruncken, ehemals Ingenieur bei den Helios-Werken in Ehrenfeld, machte sich hier selbstständig. Der Verein Bickendorfer Kulturpfad brachte in Erfahrung: „Bis in die 1970er-Jahre fertigten über 100 Beschäftigte hier Ankerwicklungen für Elektromotoren. Seit 1991 entstanden auf dem Gelände Lofts zum Wohnen und Arbeiten.“

Beliebte Loftwohnungen seit 30 Jahren

Die Loftwohnungen sind seit fast 30 Jahren bewohnt. Im Laufe der Zeit sind in den alten, verschachtelten Gemäuern unkonventionelle Wohnungen entstanden, die zum Teil über mehrere Etagen reichen, über Emporen und Dachterrassen verfügen. Kleine Nischen wurden wurden zu lauschigen Innenhöfen. Die Mieter sollen auf die Kündigungen mit Widerspruch reagiert und sich Rechtsbeistand gesucht haben, war aus dem Umfeld zu erfahren. Unter anderem pochen sie auf einen Kündigungsschutz, der ihnen für Wohnnutzung zusteht. In den Kündigungsschreiben soll jedoch von einer gewerblichen Nutzung die Rede sein. Aufgrund des schwebenden Verfahrens wollen sich die Bewohner selbst nicht direkt an die Öffentlichkeit wenden.

Der Eigentümer bestätigte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass die Gebäude verkauft seien. Die Vermietung sei unrentabel, zudem erfüllten die noch bewohnten Lofts nicht die baurechtlichen Anforderungen an Aufenthaltsräume. Der Käufer habe daher die Absicht, alles abzureißen und neue Gebäude zu bauen. Auch auf die Rechtsstreitigkeiten wegen der Kündigungen ging er ein. Zum Teil seien Kündigungen schon vollzogen, ein weiterer Teil der Mietverträge wurde mit einer Frist neu geschlossen. Sechs Mieter hätten eine „einvernehmliche Beendigung der Mietverträge“ abgelehnt. Zugleich hätten sie die Absicht bekundet, ein Kaufangebot zu unterbreiten.

Hort für ein anderes Leben

Der Vermieter zeigt einerseits Verständnis, da das Gebäude auch für ihn und seine Familie viele Jahre ein „Hort für ein etwas anderes Leben“ gewesen sei. Den Erhalt der Gebäude, halte er nicht für sinnvoll. Der beabsichtigte „moderne Wohnungsbau“ würde den Stadtteil Bickendorf „veredeln“.