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Der Jahrhundert-KölnerLudwig Sebus wird 99 und blickt mit neuem Song nach vorne

Lesezeit 4 Minuten
Ludwig Sebus zeigt in seinem Arbeitszimmer ein Foto von sich und seinem verstorbenen Kollegen und Freund Hans Süper

Ludwig Sebus zeigt in seinem Arbeitszimmer ein Foto von sich und seinem verstorbenen Kollegen und Freund Hans Süper

Ludwig Sebus wird am Donnerstag, 5. September, 99 Jahre alt. Vorab lud er den „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu einem Gespräch und Frikadellen.

Der Duft von gebratenen Zwiebeln und Butter weht direkt in die Nase, als Ludwig Sebus die Haustür öffnet. „Die Inge macht Frikadellen für uns – aber so schöne kleine, die kann man besser essen.“ Mit einem lauten „Oder Inge?“ in Richtung Küche vergewissert sich der 98-Jährige noch mal, was seine Haushälterin gerade am Herd zaubert. „Aber natürlich“, murmelt Inge Hellwig beschwichtigend. Schnell wird klar, auch beim Blick auf die Thermoskanne mit Kaffee neben Saft und Plätzchen auf dem Wohnzimmertisch: Der Gast soll es gut haben. Und das hat er, aber sowas von.

Köln: Ludwig Sebus wird 99 Jahre alt

Wir wollen über das Alter reden. Das ist bei einem Senior wie Ludwig Sebus natürlich immer ein Thema, aber am Donnerstag (5. September) ein herausragendes: Dann wird der Kölner Sänger 99. Angesichts dieser stolzen Zahl könnte man im Gespräch auf ein erfülltes Leben zurückblicken, das laut Sebus erst nach 25 Jahren begann, als er die Nazi-Zeit, den Krieg und die Gefangenschaft in Russland überlebt hatte. Doch ebenso die Rückschau auf die Erfolge im Kölner Karneval hat Sebus schon oft gehalten – vom ersten großen Hit in der Session 1954/1955 mit dem Lied „Jede Stein in Kölle eß e Stöck vun deer“ bis hin zu unzähligen Preisen und Ehrungen.

Daher will der Altmeister lieber über die Gegenwart reden und nach vorne blicken. Bereits drei neue Lieder hat er in diesem Jahr geschrieben – mehr als in vielen Jahren zuvor. Im Frühjahr veröffentlichte er mit „Die wiesse Duuv“ einen Appell für den Frieden in der Welt, für die 1. Kölner Damengarde komponierte er einen Gardemarsch, und soeben ist ein Ohrwurm fertig geworden, der Ludwig Sebus besonders am Herzen liegt: „Süpers Hans, do brahts uns off zom Laache / Süper Kölsch, dat loch dir op der Zung / Ahn dinger Krätzjer kunnt mer sich vermaache / Manch Tränche floss, sungs do vum kölsche Jung“.

Ludwig Sebus erinnert mit neuem Lied an Hans Süper

Hans Süper, Hälfte des legendären Colonia-Duetts, setzt Sebus nun ein musikalisches Denkmal in Form einer schmissigen Nummer, die nicht nur ins Ohr, sondern auch ins Bein geht. „Er fehlt“, sagt Sebus über seinen langjährigen Freud, der 2022 starb. Beide hatten ein so inniges Verhältnis, dass Sebus ein paar Tränen kommen, wenn er über letzte Begegnungen, Telefonate oder Anekdoten erzählt.

Mit dem Süper-Song blickt Sebus nach vorne, überlegt, wo und wann eine offizielle Präsentation Sinn machen würde. „Du musst Dir im Alter immer noch Ziele setzen, die Du auch erreichen kannst“, mahnt der Sänger. Natürlich merke er die 98, bald 99 Jahre: „Ich könnte jetzt 99 Hindernisse aufzählen, die mich alle quälen. Aber es ändert ja nichts. Du kannst im Bett liegen bleiben und warten, dass du stirbst – oder du trittst Dich in den Hintern und stehst auf.“

Der menschliche Körper ist nicht für 100 Jahre gemacht
Ludwig Sebus

Dass er gerade als Sänger so schwerhörig sei, nerve ihn besonders. Und: „Was ich früher in einer halben Stunde geschafft habe, dafür brauche ich jetzt zwei Stunden.“ Er sei sich sicher: „Der menschliche Körper ist nicht für 100 Jahre gemacht.“ Daher wolle er auch gar nicht 100 werden.

Offenbar spürt Sebus, dass solche Sätze beim Gegenüber Wirkung hinterlassen, so dass er die nächsten mit einer Prise Humor würzt: „Ich gehe auch nicht mehr ins Krankenhaus. Wenn das Genesungshaus heißen würde, dann wäre das vielleicht etwas anderes.“ Dann erzählt er über ein paar Gymnastikübungen und legt humorvoll nach: „Also, das geht auch alles nicht mehr so gut. Aber wenn mir jetzt zum Beispiel ein 200-Euro-Schein runterfällt – nach dem kann ich mich noch immer bücken.“

Und er kann sich noch immer aufregen: Bei AfD-Politikern wie Björn Höcke kommen die Erinnerungen an die eigene Jugend wieder hoch: „Es gab damals Millionen von Arbeitslosen. Hitler hat ihnen Arbeit versprochen. Heute ist es so, dass die AfD primitive Lösungen verspricht, zum Beispiel bei der Zuwanderung.“ Sebus spricht aus Erfahrung: „Wenn das Volk in einem Punkt befriedigt wird, dann jubelt die Masse. Und da beginnt der Weg in die Abhängigkeit, und das kann dann so weit gehen, dass nach und nach die Demokratie verschwindet und Diktatur herrscht. Das ist die große Gefahr.“

Ludwig Sebus und Inge Hellwig stehen vor einer Schrankwand im Wohnzimmer.

Ludwig Sebus und Inge Hellwig sind ein eingespieltes Team.

Zu seinem Ehrentag hat Sebus bewusst einen kleinen Kreis in eine Kneipe eingeladen, die dennoch brechend voll werden wird. Auf seine „wunderbare“ Familie, die aus vier Kindern, neun Enkeln und acht Urenkeln besteht, freut er sich besonders. Und wenn er an die denke, dann werde ihm einmal mehr bewusst, wie gut es ihm gehe. „Ich muss übrigens auch keine Angst haben, dass Aktienkurse einbrechen oder so was“, stellt Sebus lachend fest. „Und ich darf essen, worauf ich Appetit habe.“

Das Gespräch endet abrupt, als Inge Hellwig mit den Frikadellen kommt. Gesprochen wird nur noch, wenn der Mund nicht wieder voll ist. „Schmecken gut, ne?“, lobt Sebus. Ja, sehr gut. „Nimm noch eine“. Danke. „Jung, Du musst mehr Senf nehmen.“ Ja, doch.