Alexia Metge saß vier Jahre im Gefängnis, auch in Köln. Von der wohl schlimmsten Zeit ihres Lebens erzählt sie im Gespräch.
„Du gehst kaputt da drin“Transfrau Alexia Metge erzählt von ihrem Kampf hinter Gittern der Kölner JVA
Alexia Metge feierte kürzlich ihren ersten Geburtstag. Wenn sie über ihr neues Leben spricht, strahlt sie, wirkt glücklich. Doch das sei nicht immer so gewesen, sagt sie. „Wie würde es dir gehen, wenn du 24 Stunden in einem sieben bis neun Quadratmeter großen Raum eingesperrt bist und dreimal am Tag die Tür aufgeht?“, fragt sie.
Noch immer wache sie nachts verängstigt auf. Ihren schlimmsten Albtraum habe sie aber schon hinter sich. „Das bleibt fürs ganze Leben“, so Metge. Vor rund einem Jahr hatte sie ihre geschlechtsangleichende Operation. Lange nach dem eigentlich geplanten Termin. Dazwischen lagen vier Jahre Haft. Was folgte, war ein unerbittlicher Kampf für ihre Transition.
Alexia Metge berichtet von Diskriminierungen im Gefängnis
2018 kam sie wegen Steuerhinterziehung und Betrugs ins Gefängnis. „Ich habe Scheiße gebaut und da stehe ich zu“, so die 61-Jährige, „aber du wirst nicht nur vom Richter bestraft. Die Tat wird dir immer wieder vor Augen geführt. Du gehst kaputt da drin.“ Diskriminierungen habe sie erfahren, wie sie berichtet, Gefangene würden wie der Abschaum der Gesellschaft behandelt.
2015 traf sie die endgültige Entscheidung: „Ich habe meine Männerklamotten in den Container geschmissen.“ Kurz vor ihrer Verhaftung konnte sie ihren Personenstand in „weiblich“ ändern. Nach dem Urteil beantragte ihre damalige Anwältin eine Unterbringung unter weiblichen Gefangenen. Das mit Erfolg: Sie kam ins Frauengefängnis.
Regelung für Transmenschen in Gefängnissen fehlt
Doch auch im Frauengefängnis schien sich keiner verantwortlich für Metge zu fühlen, schildert sie ihren Eindruck. Sie kam zuerst in die JVA Dinslaken, dann nach Köln, dann nach Willich. Mit Unterstützung eines Petitionsausschusses setzte sie eine Verlegung zurück nach Köln durch. Doch in allen Gefängnissen fühlte sie sich alleingelassen: „Auf meinen Leidensdruck ist keiner eingegangen.“
Der Trennungsgrundsatz nach dem Paragrafen 85 des Strafvollzugsgesetzes NRW besagt: „Weibliche Gefangene werden getrennt von männlichen Gefangenen untergebracht.“ Metges Anwalt Christian Mertens kritisiert: „Für Diverse gibt es keine Regelungen und das halte ich für ein massives Problem, da hat der Gesetzgeber wieder gepennt und die Realität verweigert“.
Vor dem Hintergrund des Selbstbestimmungsgesetzes prüft derzeit das Justizministerium NRW die Regelungen der Justizvollzugsgesetze neu. „In Abhängigkeit von dem Ergebnis dieser Prüfung wäre dann dem Landtag ein Gesetzentwurf vorzulegen“, so ein Sprecher des Ministeriums.
Psychische Belastung für Transmenschen in Haft
Monatelang saß sie in Isolationshaft, wie sie berichtet – je ein Monat pro Anstalt. Weder an gemeinsamen Ausgängen noch an anderen sozialen Aktivitäten habe sie teilnehmen dürfen. „Nicht weil ich gefährlich, sondern weil ich trans bin“, so Metge. Erst mithilfe ihrer Anwältin sowie der Justizvollzugsbeauftragten NRW hätten sich die Maßnahmen gelockert. „Sie dachten, ich könnte Geschlechtsverkehr haben“, weil sie noch ein männliches Geschlechtsteil hatte, sagt sie.
Die JVA in Köln bestreitet die Isolationshaft. Die JVA in Willich begründet das Vorgehen so: „Nach den allgemeinen Regeln des Strafvollzuggesetzes NRW Paragrafen 14 ist es üblich, dass im Zuge von Verlegungen zuerst eine individuelle Eingewöhnung einer Inhaftierten beobachtet werden muss. Hierbei werden in der Regel zunächst die bereits durch die Voranstalt getroffenen Anordnungen übernommen. Die jeweiligen Schutzinteressen werden dabei sorgsam abgewogen.“
Mit ihren Anwälten beantragte Metge mehrfach eine Haftunterbrechung für eine geschlechtsangleichende Operation. „Hierunter leidet die Antragstellerin erheblich, da sie eine starke, kontinuierliche Ablehnung gegen die eigenen sichtbaren Geschlechtsmerkmale empfindet“, heißt es in einem Schreiben ihrer Anwältin. Der Fall ging bis zum Landgericht. Doch vergeblich.
Jonas Brandt von der Transberatung Düsseldorf schätzt die psychische Belastung für Transmenschen in Gefängnissen hoch ein, die ihre Transition noch nicht vollzogen haben. „Es ist absolut die Hölle, wenn man weiß, dass man nichts machen kann. Man ekelt sich, möchte am liebsten Körperteile abschneiden“, sagt er, „ich glaube, dass es einen richtig zermürbt und auch Suizidgedanken anregen kann.“
JVA Köln bestreitet die Vorwürfe
Metge begann vor ihrer Verhaftung eine Hormontherapie, die sie im Gefängnis fortsetzte. Als sich Metge beschwerte, weil die JVA Köln ihre Medikamente nicht rechtzeitig bestellte, bekam sie – wie sie berichtet – von einem Mitarbeiter zu hören, sie solle die Füße still halten, es sei nicht so wichtig. Bedienstete sprachen sie mehrmals mit „Herr Metge“ an. Laut ihrer Aussage machte einer von ihnen sexuelle Anspielungen und fragte sie, ob sie gemeinsam duschen gehen wollen.
Ein Jahr lang trug sie eine Mütze, da ihre Perücke kaputtgegangen war. „Ich saß vor den Bediensteten, habe die Mütze ausgezogen und meine Halbglatze gezeigt. Weißt du, wie entwürdigend das war?“, sagt Metge. Sie hätten die Verantwortung immer wieder hin und her geschoben. Der Friseur zur Anstalt, die Anstalt zum Friseur, erzählt sie. Nach mehreren Anträgen und monatelangem Warten stellte die JVA Köln ihr eine Perücke.
„Der Einsatz des Haarteils war aus fachlichen Gründen nicht möglich. Der hiesige Friseur hat sich bei externen Friseuren nach einer Lösung erkundigt, die jedoch auch nach Beratung nicht gefunden werden konnte. Frau Metge wurde anschließend die Möglichkeit gegeben, eine Perücke zu erwerben“, schreibt die JVA Köln auf Anfrage. „Frau Metge wurde hier vorurteilsfrei aufgenommen. Konkreten Vorwürfen wurde stets nachgegangen, jedoch ohne dass eine Bestätigung hierfür gefunden werden konnte.“
Metge berichte „in manipulativer Weise von ihr widerfahrenem Unrecht und beklagt Sachverhalte, die sich entweder so nicht abgespielt haben oder sie beklagt Entscheidungen, ohne zuvor ein Gespräch gesucht zu haben“, schreibt die JVA Köln. Metges Anwalt sieht das anders: „Frau Metge war ernsthaft verzweifelt. Sie hat viel zu viel auf sich genommen, um davon auszugehen, dass es gespielt oder nicht ernst gemeint war.“
Alexia Metge setzt sich für Rechte von Inhaftierten ein
Zum Ende der Haftzeit kam es zu einer Aussprache mit einem der leitenden Angestellten der JVA Köln. „Er hat mir zugehört. Er hat verstanden, was ich wollte“, so Metge. Es sei das erste Mal gewesen, dass sich jemand für ihre Belange interessiert habe, sagt sie. Sie bekam eine neue Sozialarbeiterin, die Situation besserte sich.
Anfang 2022 kam sie in den offenen Vollzug. Im Juni später folgte ihre Freilassung auf Bewährung. Nach ihrer Haft fand sie sich schnell wieder in das normale Leben ein. Die ehemalige Elektronikmeisterin und Maschinenbaumechanikerin arbeitet heute als Rezeptionistin und lebt in einer queeren WG in Köln. Sie habe Glück gehabt, andere Gefangene landeten mit einem blauen Sack auf der Straße, sagt sie.
In ihrer Freizeit setzt sie sich für Menschen in Haft ein. Metge hält Vorträge, gibt Seminare, klärt auf und macht auf die Umstände queerer Menschen in Haft und in der Gesellschaft aufmerksam. In dem Film „Innenheraus“, der die Geschichte von drei Menschen in Haft erzählt, schildert sie ihre Erfahrungen und ihr emotionales Erleben. Dafür reist sie durch Deutschland, um die Missstände einem breiteren Publikum näherzubringen.
Metge fordert eine Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung sowie der allgemeinen Bedingungen für alle Menschen in Haft. Sie möchte, dass es anderen besser ergeht als ihr selbst. Für ihre Zukunft in Freiheit wünscht sie sich: Als Frau ihren Weg weitergehen und glücklich werden.