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Ehrenfelds Bürgermeiser im Gespräch„Man kann in Köln nicht alles über Verbote regeln“

Lesezeit 5 Minuten

Bezirksbürgermeister Josef Wirges will sich für Ehrenfeld wieder zur Wahl stellen.

  1. Sage und schreibe seit mehr als 40 Jahren ist Josef Wirges Mitglied der Bezirksvertretung Ehrenfeld. 1979 erhielt die SPD 48,7 Prozent der Stimmen. Seit 1997 ist Wirges Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld.
  2. Viermal wurde er nach einer Kommunalwahl in diesem Amt bestätigt. Bei den im September anstehenden Wahlen will Wirges es wieder wissen.
  3. Was im Bezirk Ehrenfeld in den nächsten Monaten wichtig sein wird, verrät der 67-Jährige im Interview.

Köln – Bis zur nächsten Wahl steht – nicht zuletzt mit Blick auf den Urnengang – aber auch der politische Alltag in der Bezirksvertretung mit einigen Herausforderungen an. Im Fokus stehen vor allem Verkehrskonzepte und der Bau von bezahlbaren Wohnungen.

Herr Wirges, was war für Sie herausragend im vergangenen Jahr?

Josef Wirges: Sicher die bisherigen Ergebnisse beim Prozess zur Stärkung der Bezirke. Da bin ich auch der Oberbürgermeisterin dankbar, denn im Gegensatz zu ihren Vorgängern hat sie es geschafft, dass eine Kommission gebildet wird, die wichtige Arbeit leistet. Dabei geht es zwar in meinen Augen um nichts anderes als die Umsetzung geltenden Rechts, aber es musste ja endlich mal in Angriff genommen werden.

Sind Sie denn mit den Fortschritten, die hierbei erzielt wurden, zufrieden?

Es bleibt noch viel zu tun. Oft steckt der Teufel im Detail. Nehmen Sie nur die Sanierung der Bezirkssportanlage Bocklemünd. Es kann nicht sein, dass die Bezirke bei Verwaltungsvorlagen zur Generalsanierung einer Bezirkssportanlage – eigentlich sagt es doch der Name – nur Anhörungsorgan, aber kein Beschlussorgan sind.

Zur Person

Josef Wirges (67, SPD) ist aufgewachsen und wohnhaft in Neuehrenfeld. Er gehört der Bezirksvertretung seit 1979 an. Seit 1997 ist er Bürgermeister des Bezirks Ehrenfeld. Nach den Sozialdemokraten Leo Amann (1975 bis 1981), Franz-Leo Wirtz (1981 bis 1988) und Günter Rombey ist er der vierte Vorsitzende der nach der nordrhein-westfälischen Gemeindereform im Jahr 1975 gebildeten Bezirksvertretung.

Die SPD stellte bislang in allen Legislaturperioden die stärkste Fraktion in Ehrenfeld. Bis Ende 2015 war er beruflich als Gesamtbetriebsratsvorsitzender beim Deutschen Städtetag tätig.

Bundesweite Bekanntheit erlangte Wirges durch sein engagiertes Auftreten im Zusammenhang mit der 2007 begonnenen Planung des neuen Ditib-Moscheegebäudes an der Inneren Kanalstraße. Er legte immer Wert auf eine „kritisch-solidarische“ Begleitung des Projekts, das er aus Gründen der Religionsfreiheit befürwortete. Aus seiner Enttäuschung, dass er bei der Einweihung im September 2018 kein Grußwort sprechen durfte, machte er keinen Hehl. (Rös)

Wir wollen erreichen, dass die Bezirke über den Einsatz der Mittel entscheiden und nötigenfalls auch Vorlagen verändern können. Die Finanzhoheit des Rates braucht dabei nicht eingeschränkt zu werden. Eine solche Lösung ist möglich, wenn man sie nur will. Daher haben wir die jüngste Entscheidung formal zu unserer Angelegenheit gemacht.

Es klingt zwar paradox, doch ich hoffe, dass die Oberbürgermeisterin dies beanstandet. Damit anschließend endlich Klarheit geschaffen werden kann. Etwas Ähnliches ist ja der Vorgang um das Recht für Ratsmitglieder, in Bezirksvertretungen Anfragen und Anträge zu stellen. Das darf es in meinen Augen nicht geben, denn umgekehrt ist es ja auch nicht möglich.

Hier wollen Sie noch im Jahr 2020 eine Klärung erzielen?

Ja, auf jeden Fall. Die Bezirke sind schließlich keine Unterabteilung des Rates, die nur über die Handtuchhaken in der Dusche befinden darf. Wir agieren auf Augenhöhe, auch wenn viele dies noch anders sehen. Und nicht zuletzt deshalb will ich bei der Kommunalwahl noch einmal als Kandidat für das Amt des Bezirksbürgermeisters kandidieren. Das habe ich schon ganz klar kommuniziert.

Die SPD, der Sie angehören, ist noch stärkste Fraktion. Es ist aber doch fraglich, ob das nach dem Wahltag auch noch der Fall sein wird.

Natürlich. Aber man wird sehen, wie die Sitzverteilung aussehen wird. Ich habe mein Amt immer unabhängig von politischer Farbenlehre auszuüben versucht. Im Wahlkampf will ich auch als Person antreten. Aber sollte es eine Klatsche für die SPD geben, wäre das natürlich auch eine Klatsche für mich.

Unabhängig vom Wahlkampf wird in Ehrenfeld das Thema Verkehr auch 2020 besonders im Fokus stehen. Ehrenfeld will Vorreiter in Sachen Mobilitätswende sein. Erwarten Sie entscheidende Fortschritte?

Nehmen wir zum Beispiel das tägliche Chaos auf der Venloer Straße. Die Bezirksvertretung würde gern etwas im Sinne der Bürger tun. Sie ist aber nicht alleine entscheidungsbefugt, weil es sich um eine Bundesstraße handelt. Wir haben daher die Verwaltung aufgefordert, bei der Bezirksregierung die Umstufung zur Gemeindestraße zu beantragen. Dann würde die Venloer Straße in die Zuständigkeit der Bezirksvertretung Ehrenfeld fallen.

Und was soll dann passieren?

Zum Beispiel könnte der von der Bezirksvertretung vorgeschlagene Versuch einer befristeten Einbahnstraßenregelung in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden. Davon erhoffe ich mir wertvolle Erkenntnisse. Man muss das allerdings gut vorbereiten. Aber wir haben schließlich die Kompetenz, das alles richtig zu beurteilen. Wobei der Umbau der Vogelsanger Straße abgewartet werden muss.

Außerdem muss man natürlich alle weiteren Straßen im Umfeld berücksichtigen. Die Venloer Straße ist sehr komplex. Dringend nötig ist meines Erachtens auch, Radfahrstreifen bis zur Äußeren Kanalstraße rot auf der Fahrbahn zu markieren, um Klarheit für alle zu schaffen. Dies will ich möglichst noch in diesem Jahr erreichen.

Geht es Ihnen auch darum, den Anteil des Radverkehrs zu erhöhen?

Die Fahrradlobby hat in Ehrenfeld ja schon ein sehr starkes Gewicht. Aber ich will dabei möglichst die Ideologie heraushalten. Viele Bezirksvertreter verkennen ja zum Beispiel mitunter, dass sich das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung an die Gesetzeslage halten muss.

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Zudem muss jedem klar sein, dass die Autos im Verkehr bleiben werden. Alleine schon, weil viele Menschen aufs Land ziehen, weil das Wohnen in Köln zu teuer ist. Und dann werden sie zu Pendlern. Wir müssen alle Leute mitnehmen und können nicht einfach alles über Verbote regeln.

Blickt man auf Ehrenfeld, dann fallen die Baukräne auf. Es wird viel gebaut, aber auch das, was tatsächlich gebraucht wird?

Ich setze große Hoffnung in das Max-Becker-Gelände an der Widdersdorfer Straße. Dort ist ein großes Areal, das viele Möglichkeiten für Ehrenfeld bietet. Die Bezirksvertretung hat ja schon Vorgaben formuliert. Die Stadt muss sich hier bewegen und ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen. Aber wir wollen auf jeden Fall 50 Prozent geförderten Wohnungsbau und kreatives Wohnen für Baugenossenschaften sowie Kultur. Diese Chance darf nicht vergeigt werden. Auch deshalb trete ich an.