„Elektrisierte alle“Wie Menschen aus Köln und der Region die Mondlandung erlebten
- Wo waren Sie, als Neil Armstrong seinen Fuß auf den Erdtrabanten setzte?
- Am 21. Juli 1969 ist die Mondlandung ein halbes Jahrhundert her.
- Wir haben Zeitzeugen gefragt und viele tolle Antworten erhalten.
Verewigt für den Sohn
In der Schule im Physikunterricht hatte ich (Jahrgang 1938) noch gelernt, dass der Mensch das Gravitationsfeld der Erde wegen der enormen Beschleunigungskräfte nicht verlassen könne.
Und nun sitzen wir im Juli 1969 mit den Schwiegereltern und unserem ersten, sechs Monate alten Sohn, vor dem Fernseher und bestaunen mit offenem Mund und angehaltenem Atem das doch eigentlich Unmögliche. Ich habe dieses denkwürdige Ereignis für meinen Sohn in einem Super-8-Film festgehalten. Von diesem Film habe ich durch Abfilmen der Projektion eine digitale Kopie gemacht. Eine einmalige Erinnerung.
Das Beste kam aus Köln
Von Mai bis Juli 1969 machte ich mit zwei Freunden eine Reise mit einem VW-Bus von Neufundland durch Kanada, USA und Mexiko. Am 1. Juli besuchten wir das „John F. Kennedy Space-Centre“. Dort fuhren wir zur Startrampe, in der die Apollo-11-Rakete schon aufrecht stand, die drei Wochen später die ersten Menschen zum Mond bringen sollte. Am 21. Juli saß ich von 14 bis 23:30 Uhr vor dem Fernseher. Gegen 20 Uhr setzte Armstrong seinen Fuß auf den Mond. Während der langen Wartezeit schaltete das kanadische Fernsehen zu Studios anderer Länder. Auch in das WDR-Studio in Köln. Die CBC-Reporter waren sich einig, dass die Übertragung des WDR die beste der Welt war.
Armstrong zu Gast
Ich habe damals als Chefarztsekretärin auf dem Hospitalschiff „Helgoland“ gearbeitet, das vor Da Nang, Süd-Vietnam, lag. Die Absicht, dass ein Mann auf dem Mond landen sollte, hatte man schon lange in den Nachrichten gehört.Aber dass es nun Wirklichkeit werden sollte, elektrisierte alle. Und so strömten Kapitän und Matrosen, Ärzte, Pfleger und Patienten – teilweise mit ihren Verbänden – in die Cafeteria und verfolgten die Sendung mit der einzigartigen Landung.
Die Atmosphäre ist nicht in Worte zu fassen: Glücksgefühl, Bewegtheit, Ernsthaftigkeit und Staunen über diesen Erfolg der Wissenschaft. Nach meiner Rückkehr begann ich im Axel Springer Verlag in Berlin meine Tätigkeit als Sekretärin, Übersetzerin und Betreuung der Gäste. So kam es am 27. September 1974 zur Begegnung mit Neil Armstrong, der nur wenige Stunden in Berlin weilte, aber die Einladung ins größte Pressehaus Deutschlands annahm.
Mit Journalisten führte ich ihn durch das Haus, dabei beeindruckte ihn die Straße der Druckmaschinen sehr, doch mehr noch Mauer und Todesstreifen: „Ein Gelände für einmotorige Hubschrauber, mit denen man hin- und herfliegen könnte“ war eine seiner Äußerungen.
Zu cool für jegliche Euphorie
Ich kann nicht sagen, dass mich die Mondlandung sonderlich interessierte. Ich war 13 Jahre alt. Es war mitten in den Sommerferien. Meine obercoole Cousine aus West-Berlin war zu Besuch, und mein kleiner Bruder nervte. Außerdem hatte ich gerade meine erste Brille bekommen, und dass ich damit ziemlich doof aussah, beschäftigte mich weitaus mehr als die Dauerberichterstattung über die ersten Menschen auf dem Mond. Die „Dürener Nachrichten“ waren voll davon, im Radio wurde über nichts anderes geredet, und im Fernsehen sahen wir in Endlosschleife eine weiß gekleidete Gestalt behäbig wie ein Waschbär über die Mondoberfläche tapsen. „Toll“, murmelte mein Vater wieder und wieder voller Bewunderung. Selbst beim Milchmann um die Ecke gab es nur ein Thema: Den „großen Schritt“ des Neil Armstrong auf dem Mond. Mich hatte die Sache mit der „Lunik 2“ vor zehn Jahren weitaus mehr beeindruckt. Am 13. September 1959 war die sowjetische Mondsonde als erster Raumflugkörper überhaupt ungebremst in den Mondstaub geknallt. Damals war ich knapp vier – die Erinnerung an diesen Tag ist daher ein wenig trübe. Doch ich weiß noch, dass ich aus unserem Dachfenster hinauf zum Mond starrte, die Augen zusammengekniffen und hoffte, einen Blick auf die Raumsonde zu erhaschen. Dazu war ich mit 13 viel zu cool. Hinzu kam, wie gesagt, die Sache mit der Brille.
Major Tom
Unzählige Male habe ich mich bei meiner Mutter vergewissert, dass sie mich auch rechtzeitig weckt. Bereits ab zwei Uhr früh saß ich dann in unserem Fernsehsessel im Wohnzimmer vor einem Schwarz-Weiß-Gerät und habe gemeinsam mit den Eltern die Moderationen von dem ARD-Moderator Siefarth und die Bilder von der Mondlandung verfolgt. Das war für mich Fünfjährigen sehr aufregend. Auch meine Eltern vermittelten mir, dass es sich um einen ganz besonderen Moment handelt. „Herr Büdeler in Houston, können sie uns hören?“ – Krächzende Stille – hört sich im Nachhinein ähnlich an wie „Ground Control to Major Tom“ von meinem musikalischen Helden David Bowie. Dem verdanke ich auch meinen Spitznamen: Major Tom. In den Jahren bis 1972 habe ich dann auf die folgenden Mondfahrten hin gefiebert und alle Programmhinweise und Mondfahrtabzeichen ausgeschnitten. Eine Revell-Saturn V Rakete mit der Mondlandefähre im Maßstab 1:10 stand über meinem Bett.
Die Sterne haben mich dann immer begleitet. In dem Planetarium in der Blücherstraße in Nippes habe ich als Schüler meine ersten Führungen gehalten. Im März 2006 reiste ich zur Totalen Sonnenfinsternis ins türkische Side. Seit 2009 bin ich in der Volkssternwarte Köln als Sternführer „Major Tom“ ehrenamtlich tätig. Heute bin ich mir sicher, dass es sich bei der erfolgreichen Mondlandungen 1969 um ein ähnlich geschichtliches einmaliges Zeitfenster handelte, wie seinerzeit bei der Wiedervereinigung.
Das Freibad kochte
Ich war 1967 in die USA ausgewandert und arbeitete im sozialen Bereich. An diesem strahlenden Sommertag 1969 besuchte ich mit einer Gruppe Jugendlicher das Freibad in Pittsburgh. Es herrschte fröhliche Stimmung. Natürlich wussten wir, dass die Mondlandung kurz bevorstand. Über die Lautsprecher kam Musik. Dann schaltete sich das NBC ein und wir hörten Neal Armstrong: „The Eagle has landet“. Das Freibad begann regelrecht zu kochen. Der Jubel war gewaltig. Es folgten noch Einzelheiten und Interviews mit den NASA-Mitarbeitern – und dann spielten sie das Lied: „Good morning, America, how are you.“
Tapfer bis vier Uhr morgens
Die Mondlandung war für mich mit zehn Jahren das aufregendste Kindheitserlebnis. Schon die Mondumkreisung an Weihnachten 1968 habe ich in Erinnerung. Ich konnte zwar in der Nacht der Mondlandung meine Augen kaum noch offen halten, habe es aber geschafft die ersten Bilder gegen vier Uhr zu sehen – beziehungsweise das, was man so sehen konnte im wackligen Schwarz-Weiß.
Mondlandung zum Start der Jagd
Ich weiß noch genau, wie meine Mutter Anfang Oktober 1957 nach dem Start des ersten Sputniks zu mir sagte: „Jetzt simmer em Weltall“. Genau am 16. Juli 1969 fuhr ich – mittlerweile 17 Jahre alt – mit meinen Eltern in den Urlaub nach Kärnten. Daher konnte ich den Start vom Apollo 11 leider nicht im Fernsehen miterleben. Aber vier Tage später habe ich alles nachgeholt. Die Übertragung im Österreichischen Fernsehen begann am späten Nachmittag. Selbstverständlich saß ich von Anfang an gebannt vor dem Fernsehgerät. Anfangs noch mit meinem Eltern, der Quartierswirtin und einigen Nachbarn. Mit vorgerückter Stunde wurden es immer weniger und gegen 23 Uhr saß ich allein vor dem Fernseher.
Glücklicherweise klappte es ja dann auch mit der Live-Übertragung direkt vom Mond. Der Höhepunkt für mich war natürlich der erste Schritt von Neil Armstrong, bei dem er den legenderen Satz sprach: „Ein kleiner Schritt für mich, ein großer für die Menschheit.“ Gegen etwa vier Uhr morgens ging plötzlich die Zimmertür auf. Im Türrahmen stand der Großvater der Quartierswirtin in voller Jägermontur mit Gewehr auf dem Rücken und fragte: „Na, sans scho oben?“ Voller Begeisterung rief ich: „Ja, ja, da gehen sie, da gehen sie!“, worauf der Opa lakonisch meinte: „Jo, fei guat, i geh jetzt joagen.“ Am frühen Morgen gegen sechs Uhr war die Übertragung dann zu Ende und ich ging total müde, aber ebenso fasziniert ins Bett und träumte vom Mond.
Finnentrop guckt aufwärts
In den 50er Jahren kamen meine Eltern durch meinen Vater, der als Ingenieur bei Mannesmann arbeitete, nach Brasilien. So kam es auch, dass ich einen großen Teil meiner Kindheit dort verbrachte und erstmals mit der Raumfahrt in Kontakt kam, als Mitte der 60er Jahre im dortigen Fernsehen die Science-Fiction-Serie „Perdidos no Espaco“ lief, die Geschichte der Astronautenfamilie Robinson, die mit ihrem Roboter zusammen auf einem fernen Planeten strandet.Fortan war meine Interesse am Weltall geweckt und so saß ich ein paar Jahre später gespannt wie ein Flitzebogen mit meinen Eltern nachts um drei in Finnentrop im Sauerland vor dem Fernseher, als in der Nacht des 21. Juli Armstrong und Aldrin als erste Menschen den Mond betraten. Bereits davor und auch nach Apollo 11 habe ich immer versucht, alle Sondersendungen mit Heinrich Schiemann und Günter Siefarth zu sehen, und meine Faszination blieb, auch als nach Apollo 13 die Flüge zum Mond ziemlich rasch fast zur Routine wurden. Es dauerte dann weitere fast 20 Jahre, bis ich selbst beruflich in der Raumfahrt tätig wurde. Als 1986 das Space Shuttle Challenger explodierte, war das eine Katastrophe, die zwei Jahre später auch mich indirekt betreffen sollte. Denn als ich 1988 beim DFVLR (heute DLR) in Köln als Elektronikingenieur in das Team kam, das für den Forschungssatelliten ROSAT zuständig war, wurde der Satellit gerade umgebaut, um nicht, wie ursprünglich geplant, auf einem Shuttle ins All zu fliegen, sondern auf einer Delta-II-Rakete. Das Challenger-Unglück hatte zu einer großen Verzögerung bei den geplanten Spaceshuttle-Folgeflügen geführt.
Anfang der 90er war die Zusammenarbeit mit der NASA bereits sehr gut, und als unser Team 1990 nach Florida ging, um am Cape Canaveral die Tests, die Montage des Satelliten auf der Trägerrakete und den Start zu begleiten, da gab es auch noch Gelegenheit, die Hütte der Astronauten am Strand zu besuchen oder ein Spaceshuttle aus der Nähe zu bestaunen. Ich hatte das Glück, dass ich während der Rosat-Kampagne und später beim Erstflug des AstroSPAS-Satelliten mehrere Raketen-Tag- und Nachtstarts am Cape erleben durfte, unter anderem den Start des Hubble-Space-Teleskops 1990.
Als 1969 der erste Mensch seine Fußstapfen auf dem Mond hinterließ, war ich sicher, dass Menschen bis zum Jahr 2000 auch auf dem Mars gelandet sein würden. Aber es kam anders, das Interesse an der bemannten Exploration nahm ab und es gibt aktuell Astronauten nur auf der Raumstation ISS in einem Orbit gut 400 Kilometer über der Erde.