Das verheerende Beben in der Türkei und Syrien trifft viele Menschen auch in Köln und Region ins Mark. Bekannte und Verwandte sind tot oder vermisst.
Tausende TodesopferKölner verliert 18 Verwandte bei schwerem Erdbeben in der Türkei
Am Montagvormittag erhielt Erdal Alicpinar aus Wesseling die Nachricht, die er mehr als alles andere befürchtet hatte: Mindestens vier seiner Verwandten sind in den Trümmern des Erdbebens im Südosten der Türkei gestorben. Seine Cousine Hatice, ihr Mann Hasan, Cousine Fatma und Cousin Ismail sind tot, begraben unter den Mauern ihrer eingestürzten Häuser in der Provinz Kahramanmaraş – im Epizentrum des Bebens.
Erdal sitzt mit seiner Familie in seiner Wesselinger Wohnung, schaut Nachrichten, von dem zweiten schweren Beben am Montagvormittag um 10.30 Uhr sei live im Fernsehen berichtet worden, sagt er. Es würden weitere Beben befürchtet. Ständig gehen Whats-App-Nachrichten bei Alicpinar ein, ständig sei er in Sorge, weitere traurige Nachrichten zu erhalten: „Zu einer Familie von unseren Verwandten fehlt im Moment jeder Kontakt.“
Sein Heimatdorf sei von jeder Hilfe abgeschnitten, sagt Alicpinar. „Es sind auch Straßen und Brücken zerstört.“ Sein Onkel habe berichtet, dass die Fahrt vom Dorf Kupelikiz in die Metropole Kahrmanmaras drei bis vier Stunden dauere – normalerweise brauche es nur 15 Minuten.
„Allein in unserem Dorf sind 150 Häuser komplett zerstört“, sagt Alicpinar. „Es herrscht große Panik, die Menschen haben nichts zu essen und wissen nicht, wo sie Schutz finden können. Dazu ist das Wetter sehr schlecht.“ Dauerregen bei höchstens sechs Grad hieß das am Montag.
Verwandte und Freunde der Alicpinars kamen am Montagnachmittag in Wesseling zusammen, um zu trauern – sie zählen zu einer großen Schicksalsgemeinschaft von betroffenen Angehörigen aus Nordrhein-Westfalen. Im Kurdischen Kultur- und Bildungszentrum in Höhenberg gingen am Montag Dutzende Anrufe besorgter Angehöriger ein.
„Ein Freund von mir vermisst seine fünfköpfige Familie, viele Menschen aus Köln haben Verwandte im Erdbebengebiet, viele vermissen Menschen oder können sie nicht erreichen“, sagt Cezgin Aydogmus vom Kulturzentrum. Immer wieder berichteten Kölner Kurden auch davon, „dass Verwandte von ihnen sich retten konnten oder Gottseidank nicht verletzt wurden“.
Der Cousin des Kölners Adil Demirci, der infolge seiner politisch motivierten Haft in Istanbul Bekanntheit erlangte, hatte Glück: „Seine Wohnung in Malatya wurde zerstört, aber er ist wohlauf“, sagt Demirci, der viele Verwandte im Erdbebengebiet hat. Die Lage sei sehr unübersichtlich: „Jeder ist in Sorge, dass seine Freunde oder Verwandten betroffen sind.“ Am Montagnachmittag besucht Demirci einen Kölner Freund, der 18 Verwandte verloren hat, darunter seine Tochter und Enkel. Alle starben in der Stadt Adiyaman.
Telefon- und Internetverbindungen funktionierten vielerorts nicht, sagt Erdal Alicpinar. „Das macht die Ungewissheit noch größer.“ Am frühen Abend meldet er sich wieder: „Inzwischen sind allein in unserem kleinen Dorf 14 Tote geborgen worden.“
Auch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln trauert um die Opfer des Bebens. „Die türkische Gemeinde und türkischstämmigen Bürger in Deutschland fühlen und teilen diesen großen Schmerz, den die Türkei gerade durchmacht, in ihren Herzen“, so die Ditib in einem Statement. Die ebenfalls in Köln beheimatete Alevitische Gemeinde Deutschland schrieb, sie sähe „den Schmerz unserer Lieben, die unter dem Erdbeben gelitten haben, als unseren Schmerz an“.