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Ex-Barpianist ForschbachMann am Klavier lächelt und schweigt

Lesezeit 3 Minuten

Betreibt ein Klavier-Lernportal im Internet: Thomas Forschbach.

Thomas Forschbach hat schon im Plaza-Hotel in New York Klavier gespielt und im Ritz in Paris. Er wollte schon immer mit einem Orchester auftreten, also organisierte er eine Gala im Maritim-Hotel. „Einige Freunde meinten: Wieso sollte dort jemand hinkommen?“ Es kamen 1600 Gäste. Der 30-Jährige kann vom Klavierspielen leben, und trotzdem sagt er: „Ich glaube nicht an Talent.“ Er glaubt an Erfahrung und daran, dass jeder Klavierspielen lernen kann.

„Die Oma eines Kumpels hat mit 82 angefangen zu spielen“, sagt er. Aus der Seniorin wurde zwar keine Virtuosin, aber sie hatte jede Menge Spaß beim Klimpern. „Und sie hat wirklich gute Fortschritte gemacht.“ Natürlich geht es nicht ohne Übung. „Klavierspielen ist eine komplexe Fähigkeit, die das Gehirn fordert. Aber das macht Spaß.“ Thomas Forschbach hat schlechte Erfahrungen mit Klavierunterricht gemacht. „Viele Lehrer sind total unmotiviert und gehen überhaupt nicht auf die Interessen ihrer Schüler ein.“

Er hatte zehn Jahre klassischen Klavierunterricht bei einer Frau. „Sie war technisch unglaublich gut, aber ich hatte keinen Spaß daran, ständig Etüden nach Noten zu spielen.“ Den Kindheitstraum mit dem Orchester hat er sich erfüllt. Nun ist der nächste dran. „Ich möchte, dass mein Klavier-Lernportal das beste in Deutschland wird.“ Er stellt Videos in sein Internetportal, in denen er zeigt, wie man die Titelmelodien zu „Die fabelhafte Welt der Amélie“ oder „Forrest Gump“ spielt. Und diejenigen, die doch eine klassische Komposition möchten, können Beethovens „Für Elise“ üben. „Schritt für Schritt – das kriegen auch Anfänger hin.“ Doch die meisten Besucher des Portals „klavier-lernen.de“ wollen keine Klassiker.

Einer wünscht sich ein Übungsvideo zum „Imperial March“, der fast immer erklingt, wenn der finstere „Star Wars“-Antagonist Darth Vader auftaucht. Und eine Frau namens Michelle möchte gerne die Melodie des Weihnachtsklassikers „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ spielen können.

„Der Nachteil bei meinen Videos ist, dass die Spieler kein direktes Feedback bekommen wie beim klassischen Klavierunterricht“, sagt Thomas Forschbach. „Aber ich mache auf die möglichen Fehler aufmerksam, während ich spiele.“ Die Fingerfertigkeit sei aber nicht alles. „Es gibt viele erfolgreiche Pianisten, die eine schlechte Spieltechnik haben und trotzdem gute Musik machen – wer Musik machen will, schafft das auch.“

Forschbach war im Maritim-Hotel vier Jahre lang der Mann am Klavier. Als Barpianist erfüllte er bis nachts um zwei Musikwünsche der Gäste. Im Gegensatz zu vielen Kollegen, die ihre Jazz-Standards und Evergreens in noblen Bars bewusst als Hintergrundmusik verstehen, suchte er immer den Kontakt zu den Gästen. Ein 70 Jahre alter Mann war immer zur Möbelmesse in der Stadt. „Er wollte »California Blue« von Roy Orbison hören, was ich damals gar nicht kannte.“ Als der Gast ein Jahr später wieder in die Bar kam, spielte Thomas Forschbach eine perfekte Version des Lieds. „Er hat mir in dieser Nacht sein Herz ausgeschüttet, mir vom Tod seiner Frau erzählt, von seiner Einsamkeit.“

Traurige Seelen

Es gab Frauen, die ihm den Zimmerschlüssel aufs Klavier gelegt, und Männer, die ihm literweise Whisky spendiert haben. „An Karneval hatte ich so viele Drinks auf dem Klavier, das kein Platz mehr frei war.“ Er lernte Menschen kennen, von denen er dachte, es gäbe sie nur im Fernsehen. Er hörte Liebesgeschichten, gab den Berater, Zuhörer und Freund. Er traf schillernde Figuren und traurige Seelen. Aber er war immer diskret – und ist es noch. Der Pianist lässt sich kaum eine Geschichte entlocken. Er lächelt und schweigt. „Die Gäste hatten wohl das Gefühl, ihre Geschichten bei mir lassen zu können.“ Und da sollten sie auch bleiben.