Deutschland sackt um acht Plätze nach unten. Eine Glücksforscherin spricht über das Rezept für Glück.
Platz 24 für DeutschlandKölner Finnin erklärt, was ihr Finnland zum glücklichsten Land der Welt macht
Die glücklichsten Menschen der Welt leben ganz im Norden von Europa. Das geht aus dem Weltglücksbericht hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Finnland belegt zum siebten Mal in Folge den Spitzenplatz, dicht gefolgt von Dänemark, Island, Schweden, Israel, Niederlande und Norwegen. Alle fünf nordischen Länder sind somit in den Top 10 vertreten. Deutschland rutscht dagegen merklich ab, von Platz 16 auf Platz 24. Das Ranking umfasst 143 Länder.
Für die jährlich erscheinende Studie befragten Forscherinnen und Forscher der Oxford-Universität zwischen 2021 und 2023 Menschen in allen teilnehmenden Ländern. In die Bewertung fließt dabei nur die subjektive Einschätzung des eigenen Lebens ein. Auf einer Glücksskala von 0 bis 10 landeten die Finnen durchschnittlich bei 7,7 Punkten. Deutschland erreichte einen Wert von 6,7 – das sind 0,2 Punkte weniger als im Vorjahr. Die unglücklichsten Menschen leben in Afghanistan mit 1,7 Punkten.
Während die Zufriedenheit in Deutschland und auch den USA nachlässt, legt sie in Osteuropa zu, gerade bei den jungen Menschen. In Deutschland ist die Altersklasse der jungen Menschen (unter 30 Jahre) die Unglücklichste und landet nur auf Platz 47 von 143. Die ältere Bevölkerung (über 60) ist mit Platz 21 schon deutlich zufriedener, am glücklichsten ist in Deutschland die Altersgruppe der jüngeren Mittelschicht (circa 30 bis 45 Jahre) mit Platz 16. Die ältere Mittelschicht landet auf Platz 28.
Faktoren des Glücks
Aber was macht einen Menschen eigentlich glücklich? Laut Hilke Brockmann, Bremer Professorin für Soziologie und Glücksforscherin, sind für das Glück drei Komponenten maßgeblich.
Der erste Faktor ist die materielle Absicherung: das Einkommen. Besonders viel Geld bedeute jedoch nicht im Umkehrschluss ein besseres Leben, so Brockmann. „Da gibt es Sättigungsgrade, die relativ schnell einsetzen.“ Studien aus den USA hätten gezeigt, dass bereits bei dem Einkommen der Mittelschicht dieser Sättigungseffekt beginnt. „Nicht nur das absolute Einkommen spielt jedoch eine Rolle. Ganz entscheidend ist auch, wie viel die Menschen in meinem Umfeld verdienen. Wir sind soziale Wesen und abhängig davon, mit den Menschen in unserem Umfeld etwas unternehmen zu können. Deshalb will man meist mindestens so viel Geld haben wie das direkte Umfeld, lieber ein bisschen mehr.“
Der zweite Faktor sind Beziehungen, das soziale Umfeld. „Wir brauchen andere Menschen, ein Netzwerk, mit denen wir Dinge teilen können und die uns unterstützen“, sagt Brockmann. „Das spielt eine große Rolle.“
Die dritte Komponente sei die Sinnhaftigkeit. „Wir wissen alle, dass unser Leben irgendwann zu Ende ist“, sagt Brockmann. „Deshalb brauchen viele Menschen etwas, das über diese kurze Zeit hinausreicht und eine Bedeutung hat.“ Manche Menschen würden diesen Sinn zum Beispiel in ihrer Religion finden, andere in einem Ehrenamt oder in politischem Engagement.
Schlechtere Platzierung Deutschlands sollte „Weckruf“ sein
Diese drei Zutaten – materielle Absicherung, Beziehungen, die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens – ergeben laut Brockmann das Rezept für das eigene Glück. Dabei seien für jede Person einzelne Faktoren deutlich wichtiger als andere, je nach Alter, Kultur, Persönlichkeit.
Auch die Forscher des Weltglücksreports identifizieren in ihrem Bericht eine Reihe von Schlüsselfaktoren des Glücks. Neben Einkommen und sozialer Unterstützung seien für viele Befragten Freiheit, die Abwesenheit von Korruption, eine hohe Lebenserwartung und ein großzügiges Miteinander für ihre Zufriedenheit wichtig.
Die deutlich schlechtere Platzierung Deutschlands im Glücksreport im Vergleich zu Vorjahren sollte ein „Weckruf“ sein, sagt Brockmann. Sie sieht einen Grund für die schwindende Zufriedenheit in den Krisen des Beobachtungszeitraums 2021 bis 2023: die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, der Ausbruch des Ukraine-Kriegs, der Klimawandel. „Wir erleben mehrere Krisen, die extreme Unsicherheit mit sich bringen.“ Einen weiteren Grund sieht sie in der „Unterfinanzierung von Institutionen, die für junge Leute relevant sind“, wie Schulen und Universitäten.
„Wir haben in Finnland nur eine große Stadt. Ansonsten ist da nur Natur.“
Wie aber schaffen es die Finnen bei allen Krisen der Welt das glücklichste Land der Welt zu bleiben? Die Forscher betonen in ihrer Studie, dass diese kein Glücksgefühl im Sinne eines freudigen auf und ab Springen messe. Viel mehr gehe es um ein Gefühl der Zufriedenheit, des Zusammenhalts, des Vertrauens. Vertrauen in das eigene Umfeld und in den Staat.
„Die nordischen Länder, die ja immer ganz oben bei der Studie rangieren, sind alle relativ wohlhabend. Sie haben einen sehr vertrauenswürdigen Wohlfahrtsstaat und eine hohe Transparenz“, sagt Brockmann und spricht von einer „Stabilitätsvariablen“.
„Viele Finnen lachen über diese Studie“, sagt Heidi Viherjuuri. Die gebürtige Finnin lebt seit 2011 in Köln und arbeitet als Autorin. „Denn natürlich haben die Menschen dort ebenfalls Probleme und die mentale Gesundheit ist angesichts der langen Winter ein großes Thema.“
Sie glaubt, dass auch die Größe Finnlands bei dem Abschneiden in der Studie eine Rolle spiele. „In Finnland leben nur 5,5 Millionen Menschen. Wir haben sehr viel mehr Platz und eine sauberere Natur“, sagt Viherjuuri. „Finnland ist ein sehr sicheres Land. Ich habe das Gefühl, dass Finnland weniger eine Klassengesellschaft hat als viele andere Länder, in denen ich gelebt habe. Die Hierarchien sind nicht so ausgeprägt.“ Die Behörden und damit die Bürokratie seien zudem kleiner, in vielen Klassen säßen weniger Schüler.
Sie schätze an Finnland die Akzeptanz, Bodenständigkeit und Naturverbundenheit. „Wir haben nur eine große Stadt und das ist Helsinki“, sagt Viherjuuri. „Ansonsten ist da nur Natur. Im Winter liegt viel Schnee, man kann gut Ski fahren oder mit den Schlittschuhen aufs Eis gehen. Und im Sommer fahren viele Finnen in ihre Sommerhäuser, um zu angeln.“
Auch das Leben in Köln mache sie glücklich, sagt Viherjuuri. „Anders glücklich“ eben. „Hier in Köln bin ich in einer sehr lebendigen Stadt mit viel Kultur, ich kann viel unternehmen und leicht in andere Orte in Europa reisen.“ Wenn sie jedoch genug vom Trubel der Stadt hat, die Ruhe der Natur und ihre eigene Sprache vermisst, reise sie zurück nach Finnland. Vier- bis sechsmal im Jahr sei das der Fall. „Ich habe eben doch eine finnische Seele.“