Fleischer-BrancheDer „jode Lade“ muss schließen
- Mit der Metzgerei Kleist verschwindet ein weiteres alteingesessenes Geschäft aus Nippes – Anbieter für unverpackte Lebensmittel will in das Ladenlokal einziehen
Nippes/Sülz – So manche Nippeser werden sich gewundert haben, als sie bei der Metzgerei Kleist, Ecke Christinastraße/Viersener Straße am Wilhelmplatz, in den vergangenen Wochen vor verschlossenen Türen standen. Seit den Sommerferien waren die Jalousien unten. Der nahe liegende Gedanke: Sommerurlaub. Doch auch Wochen später ist der Laden noch zu – und inzwischen ist es Gewissheit: Der Betrieb hat endgültig geschlossen. Damit verliert Nippes einen seiner alteingesessenen Läden – als „älteste Metzgerei am Wilhelmplatz“ firmierte der Betrieb von Kleist stolz.
Seit 1900 hatte sie bestanden – damit ist sie genauso alt wie der tägliche Nippeser Wochenmarkt vor der Ladentür. Und es heißt Abschied nehmen von ihren beliebten deftigen Spezialitäten – wie den hervorragenden Chili- oder Käse-Spinat-Grillwürstchen, dem geräucherten Schinken oder den leckeren Fleischwurst-Pasteten, die es hier in mehreren Variationen gab, etwa mit Champignons, Fetakäse, Oliven oder Haselnüssen gefüllt. „Dat es ne jode Lade he“, war die Devise des Teams, und da war etwas dran.
Doch der Leerstand wird nicht lange andauern, denn ein Nachfolger ist schon gefunden: „Tante Olga“, ein auf unverpackte Lebensmittel und Haushaltsartikel spezialisierter Laden, eröffnet hier sein zweites Geschäft. Das erste gibt es seit November 2016 an der Berrenrather Straße 406 in Sülz. Derzeit räumt das Team den alten Laden in Nippes aus und hat mit der Renovierung begonnen. Geplant ist die Neueröffnung hier Anfang 2019.
Die Entscheidung zu schließen, habe sich lange angebahnt, sei aber letztlich doch recht spontan gefallen, erläutert Metzgermeister Ralf Kleist. „Am 28. Juli war unser letzter Verkaufstag, danach sind wir in den Urlaub gefahren. In dieser Zeit bin ich zu dem Entschluss gekommen, gar nicht mehr aufzumachen.“ Denn die Umsätze stimmten vor allem in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr. „Ich musste mich fragen, ob ich da selbst weiter reinbuttern will oder die Notbremse ziehe.“
Nach wie vor sei das Metzgerhandwerk eine Berufung, der Nippeser Laden, den er 2001 übernahm, ein Lebenstraum, so Kleist. Er tritt im Oktober eine neue Arbeit als Fleischer an. „Ich wollte weitermachen, solange die Füße tragen. Doch die großen Konzerne machen uns Kleine einfach kaputt.“ Als er in Nippes anfing, habe es im Veedel noch sieben Metzgereien gegeben. Immerhin freue er sich, dass ein guter Nachfolger für das Ladenlokal gefunden sei, kein Handygeschäft zum Beispiel oder ein weiterer Döner-Grill. Sein Blick zurück ist keiner im Verdruss. „Es war eine schöne Zeit. Aber es ist besser, jetzt die Reißleine zu ziehen, als später, wenn es richtig weh tun könnte.“
In Sülz freut das Team sich derweil auf den Zweitladen in Nippes. Vor wenigen Tagen habe man den Mietvertrag unterschrieben; Mitte Oktober startet eine „Crowdfunding“-Finanzierung. Der Laden soll helfen, Müll zu vermeiden. „Ich selbst lebe seit fünf Jahren nach dem Zero-Waste-Prinzip“, erläutert Mitinhaberin und Namensgeberin Olga Witt. Rund 300 Artikel können sich die Kunden selbst abfüllen oder aus Gläsern heraus holen; Verpackungen, etwa Tupperdosen oder Gläser, bringen sie meist selbst mit. Trockene Lebensmittel wie Cornflakes, Nüsse oder Linsen kann man sich am Spender „zapfen“. Aber auch Süßes und Backwaren gibt es, sowie Haushalts- und Drogerieartikel wie loses Waschpulver und Zahnpasta-Tabletten oder langlebigen Rasierhobeln, die Einweg-Klingenmüll vermeiden.
Die Zahl der Fleischer-Betriebe sinkt
Mit der Schließung der Metzgerei Kleist verbleiben mit Hauptsitz im Stadtbezirk Nippes nun noch fünf Betriebe: die Metzgerei Stock an der Neusser Straße 269 sowie Immendorf, mit Stand auf dem Markt (Nippes), Kremser (Niehl), Gruner (Longerich) und Heinen (Weidenpesch). In Nippes gibt es neben den Genannten auch noch eine Filiale von Jupp Schlömer, die ihren Hauptsitz im Kölner Süden hat. Auch der italienische Feinkostladen „Sapori d'Italia“, Neusser Straße 323, hat übrigens eine Frischetheke mit zahlreichen Wurst-, Käse- und Schinkensorten. Laut der aktuellsten Zahlen von 2016 gab es bundesweit 12 797 eigenständige Metzgerei-Betriebe, dazu noch 8532 nicht-selbstständige Filialen. Das ist ein Rückgang von 4500 Betrieben seit dem Jahr 2006. Im Jahr 2017 verbuchten die Metzgereibetriebe laut des Deutschen Fleischerverbandes ein Umsatzplus von 4,7 Prozent, inflationsbereinigt 2,6 Prozent. Es gibt jedoch weiterhin den seit Jahren anhaltenden Trend zu Betriebsschließungen; dafür werden die einzelnen Fleischereibetriebe im Durchschnitt größer. Sehr häufig müssen Betriebe schließen, weil die Besitzer in Ruhestand gehen und sich kein passender Nachfolger findet. (bes)