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Für den Notfall gerüstetKölner Rettungsdienst soll modernisiert werden

Lesezeit 4 Minuten
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  1. Der Kölner Rettungsdienst soll in den kommenden Jahren grundlegend umgebaut werden.
  2. Mit mehr Personal, zusätzlichen Rettungsfahrzeugen samt Standorten für Autos und Mannschaft sowie moderner Technik für die Einsatzorganisation.
  3. Kassenärzte sollen 24 Stunden erreichbar sein, auch Live-Schalten von Ärzten zum Unfallort sollen möglich werden.

Köln – In acht Minuten müssen Rettungskräfte in Köln bei einem Menschen sein, der in einer lebensbedrohlichen Situation ist. Acht Minuten, in denen nach einem Notruf die Retter in einen Rettungswagen springen und einen Einsatzort erreichen müssen – an jedem Punkt in der ganzen Stadt.

Das gelingt in mehr als 90 Prozent der Fälle, sagt Alex Lechleuthner, ärztlicher Leiter des Rettungsdiensts der Stadt Köln. Während die Zahl dieser lebensbedrohlichen Notfälle in der Vergangenheit ungefähr gleich blieb, steigt jedoch die Zahl der weniger dringenden Einsätze jedes Jahr an. „Die bisherige Leitstellentechnik kann aber nicht unterscheiden, ob es lebensbedrohlich ist“, sagt Lechleuthner. Wenn jemand bislang die Notrufnummer 112 wählt, rückt also meist ein hochgerüsteter Rettungswagen und teils auch ein Notarzt aus, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre.

Rettungsdienst wird grundlegend umgebaut

Um die schwerwiegenden von den weniger eiligen Einsätzen besser zu unterscheiden und Personal wie Technik gezielter einsetzen zu können, soll der Kölner Rettungsdienst in den kommenden Jahren grundlegend umgebaut werden. Mit mehr Personal, zusätzlichen Rettungsfahrzeugen samt Standorten für Autos und Mannschaft sowie moderner Technik für die Einsatzorganisation.

Zusammengefasst haben Lechleuthner und seine Mitarbeiter die umfangreichen Anforderungen in einer 71 starken Anpassung des Rettungsdienstbedarfsplans, der Stück für Stück umgesetzt werden soll und den der Stadtrat bereits beschlossen hat. Die Kosten dafür sind noch nicht ermittelt.

Notfälle klassifizieren

Um die Dringlichkeit und das Ausmaß eines Einsatzes festzustellen, haben Lechleuthner und seine Kollegen ein siebenstufiges Klassifizierungsmodell entwickelt, das seit Juni 2018 erprobt, für gut befunden und von nun an dauerhaft genutzt wird. Unterschieden wird etwa in leichte Fälle, unklare Lagen und absolute Notsituationen. Das ist nicht immer leicht, weil die Rettungskräfte auf die Aussagen der Anrufer der Notfallnummer angewiesen sind, die mitunter aufgeregt sind. Ein „Notrufabfragesystem“ mit standardisierten Vorgaben, soll den Rettern bei ihrer Einschätzung helfen.

Neue Rettungswagen

Nur bei Lebensgefahr oder wenn eine solche nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, soll künftig ein Rettungswagen, der alle wichtigen Medikamente und Geräte zur Lebensrettung an Bord hat, samt Notarzt ausrücken. Bei anderen Fälle reicht ein Krankenwagen, der kleiner und einfacher ausgestattet ist. Es sollen zwei neue Rettungswagen angeschafft werden – Kostenpunkt: bis zu 200.000 Euro pro Auto. Zudem sind fünf neue Krankenwagen – zu je rund 100.000 Euro – nötig. Die zusätzlichen Krankenwagen sollen – nur in Einzelfällen– auch für längerfristig geplante Krankentransporte eingesetzt werden – das Hauptgeschäft der bisherigen Krankenwagen, die deshalb kaum bei Notfällen eingesetzt werden können. Insgesamt haben Feuerwehr und andere Dienste wie das Rote Kreuz in Köln 57 Rettungs- und Krankenwagen, so Lechleuthner. Hinzu kommen 20, die bei Sonderlagen wie Karneval eingesetzt werden und elf, die ausschließlich bei Katastrophen fahren. Ferner gibt es zwölf Autos für die Notärzte.

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Die fünf zusätzlichen „Notfall-KTW“ genannten Krankenwagen für leichtere Fälle sollen in maximal 20 Minuten am Einsatzort sein. Dafür müssen sie an strategischen Stellen in der Stadt stationiert sein. Dort müssen die Autos samt Besatzung und Material unterkommen. Die Stationen müssen neu gebaut, bestehende Wachen ausgebaut oder Gebäude gemietet und umgebaut werden. „Hier laufen Gespräche mit der Stadt“, sagt Lechleuthner. Jedoch sei es oft schwierig, geeignete freie Grundstücke für einen Neubau zu finden. Und bei Um- oder Ausbauten zögen sich Baugenehmigungen in die Länge.

Ersthelfersystem

Unterstützt werden sollen die insgesamt rund 2000 Kräfte des Kölner Rettungsdiensts von einem sogenannten Ersthelfersystem aus der Bevölkerung. Per App könnten medizinische ausgebildete Personen wie Notärzte, Feuerwehrleute oder Angehörige von Hilfsorganisationen über ihr Smartphone zu einem Einsatzort beordert werden, sofern sie sich gerade in der Nähe befinden. Sie könnten die Zeit, bis der Rettungswagen eintrifft, überbrücken. Lechleuthner schätzt das Potenzial möglicher Kandidaten für das Ersthelfersystem in Köln auf 20.000 und 25.000 Personen.

Kassenärzte 24 Stunden erreichbar

Mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wurde vereinbart, dass Notrufe über 112, die sich als geringfügig erweisen, an die Hausärzte der KV weitergeleitet werden. Hierzu ist eine enge Kooperation mit der KV geplant: So soll die bisherige Notruf-Nummer der KV 116 117 künftig 24 Stunden erreichbar sein und es soll ein Netz von Partner-Praxen aufgebaut werden, die diese Patienten dann auch ohne Termin sofort behandeln.

Telenotarztsystem

Ein Telenotarzt-System soll als „ärztliche Supervision“ eingeführt werden. Die Ärzte können live in Bild und Ton in den Rettungswagen zugeschaltet werden und den Einsatz unterstützen, bis der eigentliche Notarzt eingetroffen ist. Zudem kann der Telenotarzt entscheiden, ob die Überweisung an einen Hausarzt ausreichend ist. Ob ein solches System in Köln eingerichtet wird, hängt aber vom Land NRW ab, das derzeit prüfen lässt, in welchen Städten und Regionen die Telenotärzte nötig sind.

Elektronische Einsatzdokumentation

Bislang müssen Notärzte und Sanitäter ihre Einsätze mit Stift und Papier dokumentieren und weiterbehandelnde Ärzte weitergeben. Das soll künftig elektronisch geschehen. Dadurch können Einsatz- und Behandlungsdaten schneller und umfassender an die weiterbehandelnden Ärzte übermittelt werden. Die Dokumentation soll zum Beispiel über Tablet-Computer angefertigt werden. „Der Auftrag für die elektronische Einsatzdokumentation wird jetzt ausgeschrieben“, sagt Lechleuthner.