Geburten in KölnHebamme ist schon lange kein Traumberuf mehr
Köln – Personalmangel in Kliniken, mehr Stress, überbelegte Kreißsäle: Viele Hebammen schlagen Alarm über die aktuelle Situation ihrer Zunft und kehren dem Beruf den Rücken. Mittlerweile mussten sogar Kreißsäle vorübergehend schließen und Frauen mit Wehen abweisen, da sie keine Kapazitäten mehr hatten. Dieses Beispiel vom Krankenhaus Holweide Anfang Januar zeigt, wie groß die Not ist. Als dort mehrere Hebammen gleichzeitig erkrankt waren, konnten die Ausfälle nicht so schnell aufgefangen werden.
Dass es immer weniger Hebammen gibt, wundert Barbara Blomeier vom Landesverband der Hebammen NRW, der in Köln seinen Sitz hat, nicht. „Überall in NRW ziehen sich die Hebammen aus ihrem Beruf zurück oder reduzieren ihre Tätigkeit. Gerade in den vergangenen zwei Jahren hat dieser Rückzug Fahrt aufgenommen“, berichtet sie. Steigende Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen, unzureichende Bezahlung, Arbeitsüberlastung und unzumutbare Arbeitsbedingungen in den Kliniken führt Blomeier als Faktoren an, die dazu führen, dass Hebammen sich beruflich umorientieren.
Diese Entwicklung beobachtet auch Verena Zuszek. Die 52-Jährige hilft seit 23 Jahren Kindern auf die Welt. Die Kölnerin erklärt, dass viele Kolleginnen „verschreckt“ durch die Neuregelung der Haftpflicht sind. Seit Jahren steigen die Versicherungsprämien für freiberufliche Hebammen. Und obwohl es mittlerweile Kompensationsmöglichkeiten gibt, bleibt die Unsicherheit. „Die Anspannung ist unheimlich groß“, beschreibt Zuszek die Stimmung unter den Geburtshelfern. 278 Hebammen sind aktuell beim Gesundheitsamt Köln gemeldet – ob freiberuflich, fest angestellt oder in Kombination. Die Zahl bleibe einigermaßen konstant, erklärt Amtsleiterin Anne Bunte. Doch es werden seit einiger Zeit in Köln mehr Kinder geboren. Hebammen, die sich umorientieren, mehr Babys: Als logische Konsequenz kommen auf die Neugeborenen immer weniger Hebammen.
2016 war ein Geburten-Rekordjahr in Köln
14.381 Babys erblickten 2016 in Köln das Licht der Welt – ein Rekordjahr. Mit 2282 Geburten verzeichnete kein Krankenhaus mehr Niederkünfte als die Uniklinik, durchschnittlich ergeben sich 6,2 täglich. Pressesprecher Timo Mügge erklärt: „Je nach Stellenplan stehen pro Tag zwischen sechs und neun Hebammen im Kreißsaal zur Verfügung – verteilt auf drei Schichten.“ Statistisch gesehen habe eine Hebamme pro Tag höchstens eine Geburt, sagt Mügge. Real halten sich die Kinder selbstverständlich nicht an Rechenspiele. Der Rekord in der Uniklinik liegt bei 14 Geburten pro Tag, da können schon einmal mehrere Geburten in einer Schicht zusammenkommen.
20 Vollzeitstellen stehen der Klinik zur Verfügung. Durch Schwangerschaften und Elternzeiten sind es derzeit allerdings nur 17, erläutert Timo Mügge. Da das Team hauptsächlich aus jungen Frauen besteht, „liegt es in der Natur der Sache, dass durch Schwangerschaften regelmäßig Kolleginnen in Elternzeit gehen und die Stellen nachbesetzt werden müssen“. Die Uniklinik sucht zurzeit nach neuen Hebammen. Doch hier stellt auch das Krankenhaus fest, dass „der Bewerbermarkt bundesweit äußerst angespannt“ ist.
Personalmangel führt zu Stress und Unmut
Ein weiterer Kritikpunkt vieler Geburtshelferinnen ist neben eben dieser Haftpflichtthematik die schlechte Bezahlung: „Vor allem die finanzielle Wertschätzung stimmt nicht mehr“, bedauert Hebamme Verena Zuszek. Auch der gestiegene Stress aufgrund des Personalmangels führe zu Unmut. „Die Balance stimmt nicht“, beklagt Zuszek und moniert die ökonomische Denkweise vieler Krankenhäuser. „Die Kliniken sagen: »Die Stationen müssen profitabel arbeiten«, aber ein Kreißsaal kann nicht profitabel arbeiten. Geburten kann man nicht planen und sie dauern, so ist der Mensch eben.“
Der NRW-Landesverband der Hebammen stößt ins gleiche Horn: „Kliniken als Wirtschaftsunternehmen müssen schwarze Zahlen schreiben. Geburt ist nicht in Zahlen und Pauschalen zu pressen“, heißt es beim Verband. Vorsitzende Barbara Blomeier sieht die Belastung für die „übriggebliebenen“ Hebammen wachsen: „Sie stoßen an ihre Grenzen, was dazu führt, dass nicht alle Frauen, die eine Hebamme benötigen, diese auch bekommen.“
Fast jede fünfte Frau findet keine Hebamme
Ihre Erfahrungen decken sich mit denen des Hebammennetzwerks Köln. Der 1995 gegründete Verein hilft, Frauen und freiberufliche Hebammen zusammenzubringen. 2016 hat der Verein 4648 Anfragen erhalten, von denen 826 nicht vermittelt werden konnten. Umgerechnet bedeutet das, dass fast jeder fünften Frau auf der Suche nach einer Hebamme nicht geholfen werden konnte.
Barbara Blomeier blickt pessimistisch in die Zukunft: „Kölner Frauen können sich, wie überall im ganzen Land, darauf einstellen, immer weitere Wege zu einer Geburtsklinik in Kauf nehmen zu müssen.“ Darüber hinaus müssten sich die Kölnerinnen darauf einstellen, so die Vorsitzende des Hebammenverbands NRW, „dass die großen Kliniken immer wieder die Türen schließen werden – nämlich dann, wenn zu dem sowieso schon eklatanten Personalmangel bei gewollt unbesetzten Stellen auch noch ein akut hoher Krankenstand hinzukommt.“ Der könne nämlich nicht aufgefangen werden: „Weil von vornherein zu wenig Hebammen da sind“, kritisiert Blomeier.
„Mittlerweile sind wir in der absurden Situation, dass Frauen mit dem positiven Schwangerschaftstest in der Hand sich auf die Suche nach einer Hebamme machen, die sie neun Monate später im Wochenbett betreut – und oft genug sind diese auch schon ebenso so lange im Voraus ausgebucht.“
Wo die meisten Kölner Kinder zur Welt kommen
2282 Kinder kamen im vergangenen Jahr in der Uniklinik zur Welt. Im Krankenhaus Holweide waren es 2130 Babys. Das Krankenhaus Porz und das evangelische Krankenhaus Weyertal folgen mit 1546 beziehungsweise 1358 Neugeborenen.
Insgesamt wurden in Köln 14381 Mädchen und Jungen geboren. Nicht alle sind automatisch Kinder von in Köln wohnenden Eltern. Denn es kommen auch Frauen aus der gesamten Region in die Stadt, um ihre Kinder in einer Kölner Klinik zur Welt zu bringen. Umgekehrt bringen Kölner Frauen ihre Kinder aber ebenfalls in Krankenhäusern in der Region zur Welt, zum Beispiel in Bergisch Gladbach-Bensberg. (ama)
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