GerichtsurteilFahrverbot könnte mehr als 91.000 Kölner Diesel-Autos treffen
Köln – Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Weg für Diesel-Fahrverbote in Deutschland geebnet. Das Gericht wies die Revisionen der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg am Dienstag weitgehend zurück. Im Kern ging es um die Frage, ob die Länder eigenständig Fahrverbote anordnen können oder ob dies der Bund regeln muss. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in einer Reihe von Städten.
Die Stadt Köln hat mit der Vorlage ihrer Vorschläge für einen Luftreinhalteplan auch Fahrverbote geprüft. Das Ergebnis: Mit ihnen könnte recht schnell eine hohe Wirkung erzielt werden. Die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxid könnten unterschritten werden. Vor den Beratungen in den politischen Gremien versucht die Stadtverwaltung zu viel Aufregung zu vermeiden: Fahrverbote sollen nur das letzte Mittel sein, wenn alles andere nicht hilft.
Klar ist aber auch: Nur ein ganzes Bündel mit vielen, zum Teil teuren Einzelmaßnahmen würde zu den gleichen Ergebnissen führen wie Fahrverbote. So fährt die Verwaltung offensichtlich zweigleisig: Sie will Fahrverbote vorbereiten, damit sie gegebenenfalls schnell umgesetzt werden können, sobald dafür die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen sind.
Wer wäre betroffen?
In Köln erfüllen über 91.000 Autos nicht die Abgasnorm 6 für Diesel-Fahrzeuge. Das ist mehr als die Hälfte aller Autos, die mit Diesel fahren. Bei einer Einführung der blauen Plakette dürften sie in einem festgelegten Gebiet nicht mehr fahren. Wie groß das Gebiet wäre, ist offen. Es könnte kleiner als die derzeitige Umweltzone sein. Allerdings könnten auch Bereiche hinzukommen, die jetzt noch ausgespart sind.
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Lässt die blaue Plakette Ausnahmeregelungen zu?
Über mögliche Ausnahmeregelungen wird diskutiert: Krankenwagen, Arbeitsmaschinen, landwirtschaftliche Zugmaschinen werden wohl sicher weiter fahren können, so die Verwaltung. Für Paketdienste, Müllwagen oder Zulieferer wird es wohl Übergangsregeln geben. Vieles ist aber auch noch unklar: So wissen etwa Wohnmobilbesitzer nicht, was auf sie zukommt.
Kann man sein Dieselfahrzeug durch eine Nachrüstung fit machen?
Viele Dieselfahrzeuge lassen sich nur bis zu einem gewissen Grad nachrüsten. In vielen Fällen ist das bereits geschehen, um die grüne Plakette für die Umweltzone zu bekommen. Die Abgasnorm 6 erreichen viele Fahrzeuge trotz teuren Nachrüstungen aber nicht.
Wie hoch ist der Anteil des Autoverkehrs an der Belastung?
Der Verkehr verursacht den größten Teil der Stickoxidemissionen, sein Anteil ist rund 30 Prozent höher als der der Industrie und sechs Mal so hoch wie der, den Feuerungsanlagen zur Strom- und Wärmegewinnung verursachen. Doch der Beitrag der einzelnen Verkehrsträger ist sehr unterschiedlich: So steuert der Schwerlastverkehr den größten Anteil bei, obwohl er noch nicht einmal sieben Prozent der Verkehrsbewegungen ausmacht. Der Anteil privater Autos ist etwas niedriger und ähnlich hoch wie der des Schiffverkehrs.
Der Schienen-, aber auch der Busverkehr spielen dagegen nur ein kleine Rolle. Bei der Bewertung der Zahlen zum Stickoxidausstoß ist wichtig zu wissen: Sie sind nicht gleichzusetzen mit der tatsächlichen Belastung. So werden die Emissionen des Flugverkehrs mehr mit der Luft verwirbelt und kommen so kaum beim Bürger an.
Gibt es Alternativen zur blauen Plakette?
Der Maßnahmenkatalog beschreibt auch die Idee, Zufahrtsbeschränkungen an die Zahl auf dem Nummernschild zu koppeln: Ein Tag für Kennzeichen mit ungerader Ziffer, der nächste für die mit geraden Zahlen. Die Idee landet auf dem viertletzten Platz der 56 bewerteten Maßnahmen.
Man könnte Verbote auch auf einzelne Fahrzeugarten beschränken: So sind ein Transitverbot für Lastwagen und ein Zufahrtsverbot für Touristenbusse im Gespräch. Auch eine räumliche Begrenzung auf einzelne Viertel oder Straßen ist möglich. Das würde zwar die Gesamtbelastung in Köln nicht nennenswert mindern, weil die Autofahrer andere Wege zum Ziel nehmen dürften. Es würde die Belastung aber anders in der Stadt verteilen – eine zumindest für den Übergang mögliche Variante, bis längerfristige Maßnahmen umgesetzt wären.
Wie kann man die Einhaltung der Verbote kontrollieren?
Ohne eine neue farbige Plakette ist das so gut wie unmöglich. Da man Autos ihre Antriebsart oder Abgasnorm nicht ansieht, müsste jedes Fahrzeug angehalten und überprüft werden. Auch ein Transitverbot für Lastwagen ist kaum durchsetzbar, weil Supermärkte und materialintensive Betriebe regelmäßig von Zulieferern angefahren werden müssen. Auch andere Transporter, zum Beispiel für Öl, Baumaterial oder Abfälle müssen in die Verbotszonen. Wie soll man solche Fahrzeuge von durchfahrenden Lastwagen unterscheiden?
Tragen also am Ende die Besitzer von privaten Diesel-Pkw die Last alleine?
Außer wenig einschränkenden, neuen Geschwindigkeitsbegrenzungen innerhalb der Umweltzone sieht der Maßnahmenkatalog der Stadt keine weiteren Zwangsmaßnahmen – zum Beispiel für den Schiffverkehr – vor. Und da es für Lastwagenfahrer und Dienstleister recht leicht sein dürfte, Zufahrtsberechtigungen zu bekommen, indem sie zum Beispiel irgendwelche Zuliefereradressen vorlegen, würden tatsächlich vor allem Besitzer von Privatwagen die Last tragen.
Die anderen Maßnahmen, die die Stadt für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans auflistet, zielen vor allem auf die Verbesserung von Dienstleistungen, neue Serviceangebote, den Ausbau des Nahverkehrs oder den Einsatz effektiver neuer Technik. Das bedeutet zumindest indirekte Belastungen: Schließlich muss alles aus Steuermitteln bezahlt werden.
Wie schnell könnten die Fahrverbote kommen?
Während sich der Bund noch schwer damit tut, Regeln für die blaue Plakette aufzustellen, hat das Bundesverwaltungsgerichts nun eine Entscheidung zur Zulässigkeit von Fahrverboten getroffen. Wie von Beobachtern erwartet worden war, erklärte das Gericht die Einführung von Fahrverboten als grundsätzlich zulässig. Die Städte Stuttgart und Düsseldorf müssen jetzt ihre Luftreinhaltepläne entsprechend nachbessern und auf Verhältnismäßigkeit überprüfen. Weitere Kommunen dürften schon bald zu vergleichbaren Schritten gezwungen werden.
Welches Szenario ist angesichts der Mehrheiten im Stadtrat wahrscheinlich?
Zurzeit gibt es noch eine breite Mehrheit gegen Fahrverbote. Da aber nicht damit zu rechnen ist, dass der Rat in Kürze einen dreistelligen Millionenbetrag für viele neue Projekte bereitstellen wird und dass die Verwaltung auf einmal Dinge im Eiltempo hinbekommt, die seit Jahren auf der langen Bank liegen, wird es wohl ohne Verbote nicht gehen. Der Kompromiss: Die Fahrverbote dürften sehr begrenzt bleiben. Möglicherweise werden nach Hamburger Vorbild nur einzelne Straßenzüge wie ein Abschnitt des Clevischen Rings, vielleicht auch Teile der Innenstadt ausgewählt, wo schmutzigere Diesel-Autos nicht mehr fahren dürfen. (mit dpa)