Gründerin Madeleine Heuts„Köln wird diverse Start-up-Erfolgsgeschichten anziehen“
Köln – Madeleine Heuts ist hauptberuflich Gründerin des Kölner Legal Tech, Start-up Raketenstart, das sie während ihres Jura-Studiums gegründete hat. Legal Tech ist dabei die Informationstechnik, die sich mit der Automatisierung von juristischen Tätigkeiten befasst. Zudem ist die 29-jährige Kölnerin Geschäftsführerin von NRWalley. Der Gründer-Verein sieht sich als Stimme für alle Start-ups. Sie sprechen mit der Politik, veranstalten Gründer-Events, und vernetzen Gründer untereinander und mit Investoren. Für Heuts sind es vor allem die Bereiche Creator Economy, Digital Health, Consumer, B2B, Tech und Food, die unter den jungen Gründern in Köln stark vertreten sind.
Frau Heuts, wie bewerten Sie die Start-up-Szene in Köln?
Madeleine Heuts: Es ist ein Ökosystem, das in den letzten drei Jahren trotz Corona sehr stark gewachsen ist. Es hat eine sehr positive Entwicklung und ist einfach anders als das in Berlin. Das Kölner Start-up-System ist sehr supportive. Die Leute unterstützten sich stark, es ist viel familiärer, man kennt sich untereinander und die Leute sind sehr bereitwillig sich gegenseitig zu vernetzen, sich wirklich tiefgehend miteinander auseinanderzusetzen und Probleme zu teilen. Ich merke das zum Beispiel gerade in den Female-Runden sehr stark. Ich habe das Gefühl, dass es eine sehr starke Vertrauensebene in der Szene gibt, die in Berlin durch die Anonymität nicht so stark gegeben ist. Das macht Köln sehr besonders.
Braucht es mehr junge Menschen, die gründen?
Absolut! Für junge Menschen ist es völlig selbstverständlich, mit Medien aufzuwachsen und damit umzugehen. Das verändert natürlich auch den kompletten Consumer- und Verbraucher-Bereich. In ein paar Jahren wird sich die Kaufkraft auf die jüngere Generation verlegen. Und da braucht es Leute, die genau wissen, wie diese Generation tickt und was die Bedürfnisse sind, sowohl im Consumer-Bereich als auch die Art und Weise, wie die Menschen arbeiten wollen, verändert sich ja, das merkt jeder Arbeitgeber. Und ich glaube, dass das auch gerade jungen Menschen die Möglichkeit gibt, die Welt von morgen mitzugestalten, indem sie selber etwas gründen.
Warum sehen Sie Potenzial für Start-ups in Köln?
Das Netzwerk ist hier sehr gut. Köln zieht einen anderen Typ von Gründerinnen und Gründern an. Leute, die hier gründen, kommen meistens eher aus dem Thema oder aus dem Problem selbst und entscheiden sich quasi auch deswegen, hier vor Ort zu bleiben. Köln ist auch als Arbeitgeber-Standort total spannend und auch sehr attraktiv für potenzielle Mitarbeiter, denn hier hat man eine große Auswahl an Städten und man hat einen sehr engen Kontakt direkt in den Mittelstand und in die Wirtschaft, um zu kooperieren.
Köln wird auch durch die Messe und die Nähe zu den Flughäfen zudem immer internationaler und attraktiver für verschiedene Spezial-Themenbereiche. Plus natürlich die Menschen hier, die super offen sind. Auch die Stadt und das Land NRW machen viel für Gründer und fördern Start-ups.
Und natürlich auch das ganze Thema Diversität, Köln repräsentiert das natürlich wie kaum eine andere Stadt. Jetzt kommt die neue Gründerzeit 2.0, wo wir nicht nur den klassischen Gründer-Typ haben, sondern wo wir Leute brauchen, die aus ihrer diversen Lebensgeschichte Probleme erkennen und sich dadurch selber motivieren, etwas zur Gesellschaft beizutragen. Köln wird auch in Zukunft ein Umfeld sein, das genau diese Erfolgsgeschichten anzieht oder auch vielleicht inspiriert, sie hier zu machen.
Sie kritisieren öffentlich, dass es unter anderem zu wenig Gründerinnen gibt, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund oder aus der LGBTQ-Szene. Warum denken Sie, ist das so?
Einer der Punkte ist, dass es gibt zu wenig Kapital gibt. Tatsächlich gehen nur zwei Prozent des Venture Capitals an Frauen. Bei farbigen Gründen ist sogar noch schlechter. Du kannst kein groß skalierbares Tech Unternehmen gründen, wenn du kein Kapital zur Verfügung hast. Ein weiterer Punkt ist die Erziehung, das merkt man gerade bei jungen Mädchen. Man muss den jungen Leuten von Anfang an mitgeben, dass es nicht nur heiraten und Angestellte sein gibt, sondern das Gründen etwas ist, was jedem genauso zur Verfügung steht.
Zudem muss man früh darüber aufklären, dass es auch Unterstützung gibt. Ich glaube, dass deutlich mehr junge Leute das mal ausprobieren würden, wenn sie wüssten, dass es sowas wie das Gründerstipendium gibt. Es muss aber auch bei Kapitalgebern und Instituten ein Umdenken stattfinden, die müssen natürlich auch diverser werden, damit die bestimmte Geschäftsmodelle überhaupt verstehen können.
Sie haben auch im Studium gegründet, warum können Sie gründen während des Studiums empfehlen?
Ich sag immer mit so einem kleinen Schmunzeln: Niedriger wird dein Lebensstandard nicht mehr. Studierende sind zudem sehr offen, sehr wissbegierig. Man kommt aus einem guten Umfeld, wo man Co-Founder finden kann, man sitzt ja direkt an der Quelle von verschiedenen Fachbereichen. Und ich glaube, nach dem Studium oder im Studium hat man noch diesen jugendlichen Leichtsinn, den es eigentlich braucht, um zu gründen. Weil wenn man vorher weiß, was auf einen zukommt, würde man es wahrscheinlich nicht machen. Und auch die Unis haben sehr viele Ressourcen bekommen, um Menschen zu fördern, die sich dazu entscheiden, aus der Universität heraus zu gründen.
Zur Serie „Junges Köln“
Studieren, arbeiten, feiern und lieben: Köln ist ein Magnet für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die das und mehr hier erleben wollen. Jedes Jahr ziehen Tausende in die Stadt, auf der Suche nach Abenteuer – und einem neuen Zuhause. Aber: Wie sieht ihre Lebensrealität wirklich aus? In unserer neuen Serie „Junges Köln“ wollen wir den Blick auf junge Kölnerinnen und Kölner lenken und davon erzählen, was sie bewegt. So sind wir etwa in der Technoszene unterwegs, versuchen zu erkunden, was die Faszination ausmacht. Oder begleiten Singles beim Dating auf der Suche nach der wahren Liebe.