Schulplätze an Kölner Gymnasien„Wir Eltern sind traurig, wütend und verzweifelt“
Köln – Die Bescheide der weiterführenden Schulen über die Schulplätze für die angehenden Fünftklässler an den Gymnasien sind in den Briefkästen der Kölner Familien gelandet. Dort herrschte am Dienstag vielerorts Traurigkeit und Wut: „Bei uns Eltern laufen die Drähte heiß“, berichtet die Mutter eines Viertklässlers. In Nippes hätten viele Kinder an keiner der angemeldeten Schulen einen Platz bekommen und rangierten reihenweise auf Wartelistenplätzen über 200.
Sechs Schulen, sechs Absagen
Viele hätten an sechs Schulen angemeldet und nun sechs Absagen in ihrem Briefkasten vorgefunden, erzählt Olaf Wittrock, Sprecher der Elterninitiative „Die Abgelehnten“, bei dem im Minutentakt die WhatsApp-Nachrichten von Eltern ankamen, die trotz Mehrfachanmeldung leer ausgegangen sind.
Eltern teilen Bilder, auf denen sie die Ablehnungsbriefe nebeneinander aufgereiht haben: Wartelistenplatz 208 liegt neben Wartelistenplatz 213 und 249. Da wirkt Platz 51 schon fast wie ein Hoffnungsschimmer. „Viele sind verzweifelt und in Tränen aufgelöst. Sie sind wütend und fragen sich, was sie tun können“, sagt Wittrock.
Absagen an Kölner Gymnasien: „Einfach nur wütend“
Anna Andrych hat für ihre Tochter Letizia heute vier Umschläge geöffnet und vier Absagen bekommen. „Wir wohnen in Rondorf, und das waren die einzigen Schulen, die mit direkten Buslinien erreichbar waren. Ich bin einfach nur wütend, weil das hier auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird.“ Für die Familien in Langel ist die Situation besonders schwierig: Am nächstgelegenen Gymnasium in Zündorf habe kein einziges der 20 Langeler Kinder in der ersten Runde einen Platz bekommen - lediglich zwei Geschwisterkinder seien berücksichtigt worden, erzählt Katharina Kirsch. Sie befürchten nun sehr lange Schulwege, da viele im Vertrauen darauf, dass es mit dem Platz an der nächstgelegenen Schule klappt, nur in Zündorf angemeldet hatten. "Wir dachten, dass die Schulplatznot nur in den innenstadtnäheren Vierteln ein Thema ist." Jetzt haben sich die 20 Familien spontan zu einer Langeler Initiative zusammengetan, um auch bei der Stadt die besondere Problematik im Veedel vorzutragen.
Bei Familie Habericht in Nippes ist die ganze Familie gerade in Quarantäne zuhause, daher hat Sohn Milu die fünf Briefe selbst geöffnet. „Er hat jetzt das Gefühl, dass sie ihn überall nicht wollten. Und das ist schlimm“, sagt Mutter Sandra. „Man hätte sich einfach für die Kinder viel mehr Wertschätzung gewünscht. Stattdessen erhalten sie in dieser ohnehin unruhigen Zeit Absagen, die sie als Ablehnung empfinden“, ergänzt eine andere Mutter.
Kein Losglück trotz fünffacher Anmeldung
Viele Eltern seien überrascht, dass sie trotz fünffacher Anmeldung gar kein Losglück hatten, berichtet Wittrock. Sie hätten eher damit gerechnet, die Qual der Wahl zu haben und pokern zu müssen, ob sie einen Platz annehmen oder auf einen Nachrückerplatz an ihrer Wunschschule setzen. Aber eigentlich sei dieses Desaster vorhersehbar gewesen. Angesichts der enormen Zahl der Mehrfachanmeldungen gingen de facto drei von zehn Kindern bis jetzt noch ganz leer aus, rechnet er vor.
Wie die hohen Wartelistenplatznummern zustande kommen, werde deutlich, wenn man sich einzelne Schulen wie etwa die Kaiserin-Augusta-Schule anschaue: Dort wurden allein 39 der 120 Plätze durch Geschwisterkinder belegt. Auf die übrigen 81 bewarben sich 304 Kinder. Noch krasser ist das Missverhältnis etwa am Humboldt-Gymnasium: Dort gingen von den zur Verfügung stehenden 150 Plätzen 101 Plätze an Kinder des Musikzweiges oder an Geschwisterkinder.
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Für die betroffenen Eltern werden die nächsten Tage nun mit angespanntem Warten verbunden sein. „Ein Drittel der Eltern wird jetzt täglich darauf warten, ob das Telefon klingelt und es mit einem Nachrückerplatz geklappt hat.“
Kölner Schulen: Rückmeldungen bis zum 23. März – Appell an Eltern
Es ist nämlich sicher, dass in den nächsten Tagen noch sehr viel Bewegung in die Platzvergaben kommt: Denn es gibt sie ja durchaus, die Familien, die gleich drei oder gar vier Zusagen erhalten haben und Plätze zurückgeben. Bis zum 23. März müssen Eltern durch eine aktive Rückmeldung einen Platz angenommen haben.
Wer dies bis dahin nicht tut, verwirkt seinen Platz. Sollte die betreffende Familie mehrfaches Losglück gehabt haben, werden die anderen Plätze dann wieder im System freigegeben und über die Warteliste an eine andere Familie weitergegeben.
Um den Prozess zu beschleunigen, bittet die Stadt darum, dass auch an den Schulen, an denen man die Plätze nicht nimmt, aktiv abgesagt wird. Außerdem sollten die Familien mit mehrfachem Losglück ihre Plätze zügig zusagen, damit die Plätze freigegeben werden und das Chaos an den Schulen nicht bis zu den letzten Tagen vor Ablauf der Frist anhält. Gegenüber den vielen Familien, die in der Luft hängen und maximal angespannt auf eine Rückmeldung warten, ist die zügige Rückmeldung zudem ein Akt der Solidarität.
15 Mehrklassen an Kölner Gymnasien
Aber nicht nur durch die frei werdenden Plätz durch mehrfaches Losglück kommt noch Bewegung in das Verfahren. Auch die Bildung der Mehrklassen wird dazu führen, dass viele Kinder nachrücken werden: 450 Gymnasialplätze fehlen dem Vernehmen nach in diesem Jahr an den Gymnasien. Um diese Plätze zu schaffen, muss an nahezu jedem zweiten der 33 Kölner Gymnasien eine Mehrklasse gebildet werden.
Die Rekordzahl von 15 Klassen soll es in diesem Jahr sein. Bestätigt hat die Stadt das noch nicht und auch noch nicht bekannt gegeben, an welchen Schulen diese eingerichtet werden. Klar ist aber, an allen diesen Schulen werden dann automatisch die ersten 30 Kinder der Warteliste nachrücken können. Am Ende garantiert die Stadt jedem Kind einen Gymnasialplatz, niemand wird leer ausgehen.
Widerspruch einlegen
Das Warten empfinden die Familien als schlimm. „Ich fühle eine riesige Ohnmacht“, sagt Anna Andrych. Sie überlegt, Widerspruch einzulegen gegen die Bescheide. Einfach nur, um irgendetwas zu tun und zum Ausdruck zu bringen, „dass ich das nicht einfach so hinnehmen will.“ Für Wittrock ist schon jetzt klar, dass das Anmeldeverfahren so nicht noch einmal durchgeführt werden darf. „Eltern und Schulen werden völlig alleine gelassen. Die Stadt muss beim Land darauf hinwirken, dass das Schulgesetz geändert wird.“
Dieses lässt Mehrfachanmeldungen ausdrücklich zu. Es müsse ermöglicht werden, dass die Stadt ein koordiniertes, transparentes Verfahren durchführt. „Selbst über die Einrichtung von Schuleinzugsgebieten muss angesichts der schwierigen Mängelverwaltung nachgedacht werden.“
Familien, die über die Warteliste in den nächsten Tagen nicht nachrücken können, werden in eine zweite Runde gehen müssen: Die betroffenen Eltern bekommen eine Liste mit Schulen, an denen es noch freie Plätze gibt. Dort können sie dann vom 31. März bis 4. April ihr Kind anmelden. Bis zum 30. Aüril soll das Anmeldeverfahren dann nach Angaben der Stadt „weitgehend abgeschlossen sein“.