Per Stellenanzeigen suchen die Täter Komplizen. Viele wissen nicht, worauf sie sich einlassen.
„Hallo, Papa“Betrüger verschicken SMS an viele Kölner – Das steckt hinter der Masche
Er habe schon öfters von solchen Dingen gelesen, erzählt „Kölner Stadt-Anzeiger“-Leser Jürgen H. am Telefon, und er war ziemlich sicher: Auf Enkeltricks, Schockanrufe oder ähnliche Betrügereien würde er nicht hereinfallen. Von der „Hallo Papa“-Masche allerdings hatte der 77-Jährige bis vor kurzem noch nie gehört.
Da ist er nicht der einzige, obwohl die „Hallo Papa“-Masche sich in den vergangenen Jahren stark verbreitet hat. Längst ist sie eine der erfolgreichsten Betrugsformen in Deutschland – wenngleich in Köln zurzeit die falschen Polizeibeamten die häufigste Betrugsmasche darstellten, teilt die Polizei auf Anfrage mit.
Köln: Oft zwischen 1000 und 3000 Euro Schaden
Bei der „Hallo Papa“-Masche sprechen Experten von so genanntem Messenger-Betrug: Meist über sms oder andere Dienste wie Whatsapp nehmen die Täter Kontakt zu ihren Opfern auf, die Handynummern erwerben sie aus Daten-Leaks, finden sie über öffentlich zugängliche Quellen im Internet oder in angekauften Datensätzen im Darknet. Voriges Jahr haben sich die Fallzahlen laut Bundeskriminalamt (BKA) im Vergleich zu 2022 verdoppelt. Es entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Die einzelnen Opfer verlieren in der Regel zwischen 1000 und 3000 Euro.
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An einem Mittwoch Anfang Oktober erhielt Jürgen H. eine sms aufs Handy: „Hallo Papa/Mama, das ist meine neue Telefonnummer. Speicher mich bitte ein und Schick mir eine Testnachricht auf WhatsApp.“ Zufall Nummer eins: Jürgen H. hat tatsächlich zwei erwachsene Töchter, und eine hatte kürzlich erst erwähnt, dass sie ein neues Handy bekäme. H. antwortete via Whatsapp, welche der beiden Töchter ihm denn da gerade geschrieben habe und nannte in seiner Nachricht auch deren beider Namen. Fifty fifty also. Die Betrüger tippten richtig und antworteten im Namen jener Tochter, die ein neues Handy hatte. H. speicherte die Nummer, alles schien erledigt.
Köln: Die sms-Betrüger arbeiten oft aus dem Ausland
Drei Tage später meldete sich seine angebliche Tochter erneut über Whatsapp: „Guten Morgen Papa hast du kurz Zeit und kannst eine Rechnung für mich bezahlen. Ich habe Probleme mit meinem online banking“. Konkret ging es um 1999 Euro. Zufall Nummer zwei: Jürgen H. wusste, dass seine Tochter eine Urlaubsreise mit ihrer Familie plante. Hätte also sein können, dass sie kurzfristig Geld brauchte. Misstrauisch wurde H. aber, als auf seine Bitte, sie möge ihn doch einmal kurz anrufen, nur ein lapidares „Warum?“ zurückkam.
„So reden wir in unserer Familie eigentlich nicht“, erzählt Jürgen H. Und: „Solche Beträge werden bei uns vorbesprochen und nicht per Whatsapp angefordert.“ Er rief seine Tochter auf dem Festnetz an, die meldete sich am nächsten Tag zurück, und alles klärte sich auf. „Es ist noch mal gut gegangen, aber ich bin schon überrascht, wie einfach das auch hätte gehen können – mit nur zwei Sätzen in einer sms“, sagt H.
Die Täter operieren nach Erkenntnissen der Polizei oft aus dem Ausland und arbeiten in organisierten Strukturen. Sie verwenden vielfach anonymisierte Prepaid-SIM-Karten, die sie mit gefälschten Personalien kaufen. Manche nutzen die Methoden des „Social Engineering“, um im Vorfeld Informationen über ihre Opfer zu sammeln – zum Beispiel auf Facebook oder im Internet – und ihre sms-Nachrichten persönlicher und glaubhafter zu gestalten.
Um das Geld zu waschen und ihre eigene Identität zu tarnen, bedienen sich die Täter häufig sogenannter Finanzagenten oder „Money Mules“. Auf Jobportalen oder über soziale Medien suchen die Kriminellen mit schwammigen Formulierungen „Finanzberater“ oder „Zahlungsdienstleister“. Versprochen wird schnelles Geld für einfache Tätigkeiten, die bequem von zu Hause aus zu erledigen seien. Worum es genau geht, wird den Bewerbern nicht mitgeteilt.
Manche lassen sich gutgläubig darauf ein, andere dürften mindestens ahnen, dass sie sich strafbar machen. Einzige Aufgabe eines „Finanzagenten“ ist es, sein privates Konto zur Verfügung stellen und darauf eingehende Zahlungen der Betrugsopfer an die Täter weiterzuleiten. Dafür erhält er eine geringe Gebühr. Wird er erwischt, drohen eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Geldwäsche und bis zu zwei Jahre Haft oder hohe Geldstrafen.
Jürgen H. hat den Betrugsversuch bei der Polizei angezeigt. Genau das empfehlen Ermittler und Verbraucherschützer. Darüber hinaus sollten verdächtige Nachrichten ignoriert und die Absendernummer blockiert werden. Die Verbraucherzentrale NRW rät dazu, Familienmitglieder unbedingt persönlich zu kontaktieren, bevor Geld überwiesen wird.