„Stadt-Anzeiger“-Leser und ihre ungewöhnlichen Hochzeiten: Drei Paare aus der Region erzählen vom Glück, das sich in zwei Fällen erst spät einstellte
Heimlich geheiratet„Wollten besonderen Tag für uns feiern und uns nicht um die Gäste kümmern müssen“
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Heirateten zu zwei über dem Rhein: Markus Pytlik und Heike Perscheid
Copyright: Heike Nickel
Wenn Heike Perscheid früher ihre besten Freundinnen aufzählte, dann tauchte in der Kette einiger Frauennamen auch immer „Markus“ auf. Markus war immer irgendwie da. Hat mit ihr im Chor gesungen. Mit ihr Uno gespielt, ihr beim Umzug geholfen, die gescheiterte Ehe diskutiert. Dreißig Jahre ging das so: „Mit Männern hatte ich damals schon abgeschlossen.“ Und dann kam der Abend des Dschungel-Camp-Finales 2020. Ein Trio illustrer Prominenz rang um den Dschungel-Lorbeer: Prince Damien, Gewinner von Deutschland sucht den Superstar, Profiboxer Sven Ottke und Daniela Büchner von Goodbye Deutschland. Eigentlich wollte man die Krönung im Freundeskreis verfolgen. „Aber dann haben alle abgesagt und übrig geblieben sind nur wir beide“, sagt Markus Pytlik lachend. Und so wurde der 25. Januar 2020 der Abend, an dem aus dem Ausheul-Freund Markus der Liebespartner Markus wurde. „Nach diesem Abend waren wir beide erstmal neben der Spur. Das war eine sehr unsichere Situation. Wir fragten uns: Wie kann das gehen? Haben wir jetzt unsere Freundschaft kaputt gemacht?“
Der Status-quo war gut. Man wollte ihn beibehalten
Wäre die Ehe von Markus Pytlik (58) und Heike Perscheid (51) ein Haus, dann wäre es sicher keines aus dem Architektenkatalog. Denn mit Üblichkeiten und vermeintlichen Zwängen wollten sich die beiden nach ihrem späten Zueinanderfinden erst gar nicht abgeben. Zu viele Eigenheiten und Ecken hatten die eigenen Lebensgeschichten da schon angehäuft, als dass man alles in einer ganz konventionellen Behausung noch unterbekommen hätte, ohne dass sich jemand in Zukunft dauernd den Kopf anstößt. Und so erschrak Heike Perscheid zunächst auch ein wenig, als Markus ihr im Sommer 2023 auf dem Fuji in Japan die Frage stellte, ob sie ihn heiraten wolle. Ein Hochzeitsfest in weißem Kleid mit dutzenden Familienmitgliedern und Freunden? „Ich sagte, das geht jetzt nicht“, erinnert sie sich. Eine Ehe war schon gescheitert und dann war da ja auch die neue Freiheit, die nach einer anstrengenden Familienphase in ihren Weilerswister Alltag zurückzukehren schien. Schwerwiegende Argumente für die Beibehaltung des Status quo und gegen das Einbringen von neuen Risiken. Auf der anderen Waagschale saß allerdings Markus. Und dass dieser der Mann an ihrer Seite sein sollte, war Heike „vollkommen klar“.
Ein paar Monate zimmerte man bei Pytlik und Perscheid also an einem Kompromiss: „Wir wollten einen besonderen Tag für uns feiern und ihn nicht damit verbringen, uns um die Gäste zu kümmern“, sagt Pytlik. Heike Perscheid ahnte, dass ihre Kinder nicht allzu begeistert von den Plänen der Mutter sein würden: „Da dachten wir, wir sagen es besser allen erst hinterher.“ Gesucht wurde also ein Trauungssort, den das übersichtliche Personal Brautpaar plus Standesbeamtin gut ausfüllten. Ein Leuchtturm auf der Insel Wangerooge kam in Betracht. Letztlich entschieden sich die beiden aber für eine noch kleinere Örtlichkeit: Eine Gondel der Kölner Seilbahn. „Nur das Brautpaar und der Standesbeamte oder die Standesbeamtin haben für diesen einzigartigen Moment Platz in der Kabine“, wirbt die Bahn für ihren Service. „Das erschien uns ideal“, sagt Markus Pytlik. Nach der 14-minütigen Trauung im Mai vor einem Jahr ging es mit der Fotografin noch zum Kaffeetrinken in den Rheinpark und dann zu zweit in die Eifel: Wandern und im Weinfass übernachten.
Und auch die Konvention Zusammenziehen räumte das reife Paar nach gemeinsamer Beratung kurzerhand ab. „Es war doch super, wie es war. Warum sollten wir etwas ändern?“ fragte man sich. Heike Perscheid kann unter der Woche weiter in Weilerswist zur Arbeit radeln, Markus Pytlik muss in Bergisch Gladbach den gewohnten Singlehaushalt nicht aufgeben. „Wir sehen uns zweimal die Woche und am Wochenende. Das ist tatsächlich immer noch so, als hätten wir ein Date. Unser Vorteil ist, dass wir den nervigen Teil des Alltags nicht als Störfaktor nebenbei unter Kontrolle halten müssen, wenn wir uns sehen“, sagt Heike Perscheid. Und auch Markus Pytlik genießt die Besuchsszenarien. „Wenn ich zu Hause im Feierabend bin, dann gibt es ja doch immer noch das ein oder andere zu tun. Aber wenn ich bei Heike bin, dann ist das tatsächlich wie ein Kurzurlaub.“
Heike Perscheid (51) und Markus Pytlik (58) aus Weilerswist und Bergisch Gladbach
Gefunkt hat es, als Werner und Renate den Partykeller verließen, um draußen eine zu rauchen
Die Überraschung war akribisch vorbereitet. Renate und Werner Uerdingen wühlten schon Monate zuvor in den Handtaschen ihrer Mütter. Schließlich galt es, die Gültigkeit derer Personalausweise sicherzustellen. Denn wer eine Hochzeit bezeugen will, der braucht einen gültigen Pass. Das gilt auch dann, wenn er gar nicht weiß, dass er eine Hochzeit bezeugen müssen wird. „Der meiner Mutter war schon abgelaufen. Ich musste sie also zum Passamt locken.“ Renate und Werner Uerdingen lachen noch heute wie Teenager, denen es gelungen ist, nachts unbemerkt ins Schwimmbad einzusteigen, wenn sie von ihrer heimlichen Hochzeit berichten.
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Werner und Renate Uerdingen, hier bei Bayer Leverkusen im Stadion
Copyright: Uerdingen
„Es war für uns beide jeweils die zweite Hochzeit. Die erste war mit allem Brimborium, da dachten wir, beim zweiten Mal können wir das schlichter angehen“, sagt Werner Uerdingen. Um sich den Hochzeitstag gut merken zu können, wie er selbst sagt, kam der pragmatische Uerdingen auf die geniale Idee, am Tag seines 25-jährigen Firmenjubiläums bei Bayer zu heiraten. Unter dem Vorwand vor den Feierlichkeiten im Werk noch eine Fotoausstellung der Firma im Rathaus ansehen zu wollen, packte das Paar also die beiden Mütter sowie Renates zehn Jahre alten Sohn ein und fuhr ins Rathaus. Dann übte man sich in Lässigkeit. „Jetzt, wo wir schon mal da sind, könnten wir auch direkt heiraten“, habe Werner Uerdingen gesagt und man kann sich vorstellen, wie er dabei lässig in seinem Jubiläums-Anzug am Treppengeländer lehnte und seine Mutter angrinste, die ihn ansah, als habe ihr Sohn vor Übermut zwischenzeitlich den Verstand verloren: „Aber Werner, so spontan wie du dir das vorstellst, geht das nicht. Da muss man vorher ein Aufgebot bestellen.“ Werner entgegnete, dass man das doch erst mal sehen wolle, spurtete ins Standesamtbüro und kam mit der freudigen Nachricht zurück: „Das geht doch. Kommt mit, wir heiraten!“
Alles lief glatt, auch dank der verlängerten Pässe. Renate, die damals ebenso wie ihr Sohn noch Stecklingen hieß, trug ein graublaues Kostüm sowie ein silbernes Collier mit Strasssteinchen, das Werner ihr zur Hochzeit schenkte, anschließend gab es noch ein Sektfrühstück gegenüber, danach musste man auch schon los. Schließlich wartete die Firmenfeier bei Bayer.
Gefunkt hat es bei einem Straßenfest in der Nachbarschaft
Unsicherheit ob der zweiten Eheschließung trieb die Uerdingens seinerzeit übrigens keineswegs um. Zu klar war den ehemaligen Nachbarn, dass da dauerhaft der Blitz eingeschlagen hatte. Schon damals im Sommer 1985 bei einem Straßenfest in Leverkusen, als man zum Rauchen gemeinsam den Partykeller verließ. „Natürlich dachte ich, du bist verrückt, der hat drei kleine Kinder“, sagt sie. Aber dann ging alles ganz schnell. „Ich war sofort begeistert, es hat sofort geknallt. Auch in meine Familie hat sie sich sofort sehr gut integriert. Außerdem wollte ich Renate und ihren Sohn absichern, auch wegen der Rente. Da war es damals am einfachsten zu heiraten“, sagt er. Mittlerweile hat er ihren Sohn adoptiert, die Familie ist zudem um zwei Enkelkinder gewachsen.
Werner Uerdingens Bayer-Jubiläum würde sich dieses Jahr zum 58. Mal jähren, richtig gefeiert wird das nicht mehr, schließlich ist er mit 71 Jahren mittlerweile im Ruhestand. Aber immerhin gibt es mit dem 33. Hochzeitstag nun ein würdiges Ersatzfest.
Renate (67) und Werner Uerdingen (71), Leverkusen
Antwort auf Kontaktanzeige im „Kölner Stadt-Anzeiger“ mittels copy and paste
Allzu viele Mühe beim Finden der Liebe hatte sich Alfred Doerges ganz zu Beginn nicht gemacht. Auf Claudia Schönigs Kontaktanzeige im „Kölner Stadt-Anzeiger“ sendete er eine Standardantwort. „Er hat sie wohl mittels copy und paste an mehrere Damen verschickt“, sagt sie. Vom Hocker gehauen hat die damals 53 Jahre alte Schönig das nicht. Aber da alle anderen Interessenten schon abgearbeitet und für unpassend befunden waren, meldete sie sich doch.
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Claudia Schönig-Doerges (heute 62) und Alfred Doerges (heute 65) bei ihrer Trauung auf den Tag genau sieben Jahre nach ihrem ersten Treffen. In Ihrer Kontaktanzeige stand: „Unsere Liebe soll wie die Musik sein, mit lauten und leisen Tönen, schnellen und langsamen, fröhlichen und traurigen Melodien.“
Copyright: Schönig-Doerges
Etwas aussichtsreicher und attraktiver gestaltete sich die Lage, als der damals 56 Jahre alte Alfred Doerges in seiner Antwort seinen Wohnort verriet. Er komme aus Rath. „Uih dachte ich, jetzt wird es doch interessant“, erzählt sie. Schließlich wohnte sie selbst seit 15 Jahren im Veedel, vor allem durch die Kinder habe sie im Stadtteil ein enges Netz geknüpft. Alfred selbst tauchte darin zwar noch nicht auf, aber schon nach dem ersten Treffen zeigte sich, dass ihre Bekanntenkreise sich über die Jahre ganz unbemerkt schon miteinander verwoben hatten. Da waren seine Jugendfreunde, die sie nun als Eltern der Freunde ihrer Kinder kannte. Da war ihre Schulkameradin, die ihn aus der Motorradclique kannte. Und auch zu seiner Mutter hatte sich schon eine Verbindung im Untergrund gegraben: Deren beste Freundin sang mit Claudia im Chor.
Zwei Wochen nach dem Kennenlernen kauften sie Verlobungsringe
Mit langsamem Näherkommen musste man sich nicht aufhalten, schließlich war man sich gefühlt schon viele Jahre sehr nah. Beim ersten Treffen, am 2. August 2015 um 15 Uhr, radelte man durch den Königsforst. „Es war total schön und kurzweilig, irgendwie hat es gleich gefunkt“, sagt sie. „Am nächsten Tag schon war mir klar: Der ist es, auf den ich gewartet habe. Und auch Alfred war gleich Feuer und Flamme.“ Eine Woche nach dem Kennenlernen buchte sie ihn zu ihrer geplanten Israel- und Jordanien-Reise hinzu. Zwei Wochen nach dem Kennenlernen kauften sie sich goldene Verlobungsringe. „Wir waren uns so sicher.“ Vier Wochen nach dem Kennenlernen verlobten sie sich im Kurzurlaub in Holland.
„Wenn wir so über uns nachdenken, dann glaube ich, dass alles kein Zufall, sondern Fügung war.“ Noch im selben Jahr zog Alfred bei Claudia ein. Sieben Jahre nach ihrem ersten Radausflug traf man die beiden bei ihrer Trauung auf dem Standesamt. Es war wieder der 2. August. Es war wieder 15 Uhr.
Claudia Schönig-Doerges und Alfred Doerges, Köln-Rath