In den Schulferien mit deutscher Geschichte beschäftigen? Über die wichtige Aufgabe, die sechzehn Schüler im Quäker Nachbarschaftsheim angehen.
ErinnerungskulturKinder und Jugendliche in Köln sollen Zweitzeugen des Holocausts werden
Sich in den Sommerferien mit deutscher Geschichte auseinandersetzen, klingt für einige Schülerinnen und Schüler nicht gerade nach ihrem erträumten Sommer. Und doch finden sich in der zweiten Woche der Sommerferien sechzehn Kinder und Jugendliche in den Räumen des Quäker Nachbarschaftsheimes zusammen, die Zweitzeuginnen und -zeugen werden wollen.
In einer Projektwoche lernen die Teilnehmenden die Überlebensgeschichte von Holocaustüberlebenden kennen und lernen, was es bedeutet, Zweitzeuge oder Zweitzeugin zu sein. Bei einer Vernissage am Freitagnachmittag zeigen die Jugendlichen, was sie gelernt haben und führen Eltern, Geschwister und Interessierte durch die, um ihre eigene Kunst ergänzte, Wanderausstellung.
Verein Zweitzeugen: junge Menschen ermutigen, sich gegen Antisemitismus und Rassismus einzusetzen
„Ein Zweitzeuge oder eine Zweitzeugin ist eine Person, die nicht diese Ereignisse erlebt hat, aber dafür eine Person getroffen hat, die das erlebt hat“, erklärt eine Teilnehmerin der Projektwoche den Anwesenden am Freitagnachmittag. So wie der Verein Zweitzeugen, der sich dafür einsetzt, junge Menschen zu ermutigen und zu befähigen, die Geschichten von Überlebenden des Holocaust zu erzählen und sich gleichzeitig heutzutage gegen Antisemitismus, Rassismus und andere Diskriminierungsformen einzusetzen.
Louisa Beckmann ist Sozialarbeiterin im Quäker Nachbarschaftsheim und erzählt, dass sie im Zuge der Feierlichkeiten zu 1700 Jahre jüdisches Leben in Köln auf den Verein der Zweitzeugen gestoßen ist. Nach einer gemeinsamen Projektwoche mit dem Gymnasium Kreuzgasse war für sie und Sarah Hüttenberend von Zweitzeugen klar, dass dieses Thema mehr Platz braucht. „Workshops machen wir ganz regelmäßig im Verein, aber eine ganze Projektwoche zu der Ausstellung haben wir bisher noch nie gemacht“, berichtet Hüttenberend.
Kinder und Jugendliche setzen sich mit NS-Zeit auseinander und treffen Holocaust-Überlebende Chava Wolf
Im Verlauf der Woche haben sich die Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und vierzehn Jahren zunächst allgemein mit der NS-Zeit auseinandergesetzt, die Lebensgeschichte der Holocaust-Überlebenden Chava Wolf kennengelernt und die Wanderausstellung von Zweitzeugen entdeckt, die zuletzt im Januar 2023 auch im NRW-Landtag in Düsseldorf gastierte.
„Wir haben dann geguckt, was ist der jeweilige Zugang der Jugendlichen und der war ganz unterschiedlich“, sagt Hüttenberend und ergänzt: „Manche wollten einen Podcast aufnehmen und ganz viel reden, manche wollten gar nicht reden und lieber malen, es war so vielseitig, wie Menschen eben vielseitig sind.“
Quäker Nachbarschaftsheim: Ganztägige Betreuung für Kinder in Köln in den Ferien
Das Quäker Nachbarschaftsheim bietet in den Oster- und Herbstferien, sowie in den ersten drei Wochen der Sommerferien eine ganztägige Betreuung für alle Kinder in Köln an. „Jede Woche ist zu einem unterschiedlichen Schwerpunktthema, in der vergangenen Woche war es zum Beispiel Nachhaltigkeit“, berichtet Beckmann. Daher wussten nicht alle Kinder im Vorhinein, worum es in dieser Woche gehen würde, erzählen die Teilnehmerinnen Mia und Marla.
Am Freitagnachmittag führen die Teilnehmenden die Anwesenden also nicht nur selbstständig durch die Wanderausstellung, sondern sie präsentieren außerdem ihre eigenen Zugänge zu diesem Thema. Einige Jugendliche stellen ihre selbstgemalten Bilder vor, andere teilen mit, was sie an den Lebensgeschichten der Überlebenden besonders berührt oder schockiert hat.
Alle Teilnehmenden haben sich außerdem Gedanken dazu gemacht, wie sie als Zweitzeugin oder -zeuge wirken können: „Anderen Leuten von der Geschichte erzählen, am besten der ganzen Welt, damit sie erfahren, was damals passiert ist“, steht auf Marlas Karte.
Am besten gefallen hat Mia und Marla jedoch die Podcast-Aufnahme, die sie sich bald schon auf Spotify anhören können. Doch auch das Bilder malen ist ihnen eindrücklich in Erinnerung geblieben: „Man musste wirklich über sich nachdenken, was man malt und warum“, sagt Marla. Mia ergänzt: „Ich fand es cool, dass wir unsere Ergebnisse vor allen präsentieren konnten und uns alle zugehört haben.“
Außerdem durften alle Teilnehmenden jeweils eine Karteikarte beschriften, mit Dingen, die sie gern der Welt sagen wollen. „Du schaffst das“, „nur Mut“ oder „glaub an dich und das Gute im Menschen“ steht darauf.