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Untrainiertes ImmunsystemCoronawelle, Grippewelle - Das rät ein Kölner Impfarzt jetzt

Lesezeit 3 Minuten

Jürgen Zastrow

Die Sieben-Tages-Inzidenz in Köln steigt schnell an: Während sie am Mittwoch noch bei 604 lag, gab das Robert-Koch-Institut die Inzidenz am Donnerstag mit 585,3 an. Vor einer Woche lag die Inzidenz bei 338. Der Kölner Impfarzt Jürgen Zastrow (den Sie auch in der aktuellen Folge des Podcasts "Talk mit K" hören können) sieht Köln in einer „neuen Corona-Welle“ angekommen, „wobei ich den Schwerpunkt auf neu legen möchte, denn durch das mutierte Virus gibt es eine neue Situation“.

Zwar verlaufe die Infektion in der Regel milder als bei früheren Varianten, durch die Häufigkeit der Infektionen sei die Krankheitslast aber insgesamt höher, weshalb er nicht von „harmlos“ sprechen wolle. Er gehe von einer vier bis fünf Mal höheren Dunkelziffer bei den Inzidenzen in Köln aus. Für ihn eine „Form des Wegguckens: Die Menschen haben die Nase voll von Corona. Und auch die Politik traut sich nicht mehr, die Menschen mit schlechten Corona-Nachrichten zu langweilen“, sagt er.

Kölner Impfarzt: Impfungen gehen trotz Omikron weiter zurück

Das sehe er auch an der Zahl der Impfungen, die deutlich zurückgingen – trotz der neuen, an Omikron-Varianten angepassten Impfstoffen. „Früher hätten wir gedacht: neuer Impfstoff, super.“ In der Realität sei es derzeit so, dass die Ärzte in Köln Probleme hätten, überhaupt sieben bis zehn Menschen zu einem Termin innerhalb von fünf Stunden zusammenzubringen, um eine Ampulle zu verimpfen. „Die, die vor anderthalb Jahren mit allen möglichen Tricks und teils auch unlauteren Mitteln versucht haben, als Erste an Impfstoff zu kommen, sagen heute: Ach, so schlimm ist das doch nicht mit Corona.“

Immerhin liege die Impfquote in Köln bei über 80 Prozent und damit besser als im NRW-Schnitt. „Das muss man als stolzer Kölner auch mal sagen.“ Dass US-Präsident Joe Biden jüngst das Ende der Pandemie für die USA ausgerufen hat, sehe er mit Kopfschütteln. „Wir sind gut beraten, nicht auf das zu hören, was amerikanische Präsidenten sagen.“ Andere Länder in Europa setzten in der Tat ebenfalls mehr auf Eigenverantwortung, gingen mit Risiken anders um. In Deutschland sei man regelfreudiger. „Das ist eine politische, letztlich aber auch eine ethisch-moralische Entscheidung.“

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Zastrow, der auch Vorsitzender der Kreisstelle Köln der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ist, sieht große Feiern wie das Oktoberfest oder auch den anstehenden Karneval kritisch. „Wir haben uns in der Balance zwischen Freiheit und Gesundheit für Freiheit entschieden.“ Um jetzt Gas zu geben, sei aber „nicht die richtige Zeit“. Überschaubare Feiern, wo sich Menschen testeten, seien für ihn absolut vertretbar, „Massenaufläufe“ wie Oktoberfest und Karneval nicht. „Das sind ja Situationen, wo Sie gar nicht einschätzen können, wer da neben Ihnen steht.“

Gerade weil man in Köln so gerne feiere, lebe er gerne in der Stadt. Für ihn als Arzt sei es allerdings schwer auszuhalten, wenn er jeden Tag Menschen mit Long Covid in seiner Praxis sehe. „Ich hatte heute Vormittag 40 Leute in meiner Praxis, davon hatten zehn Long Covid, allesamt eher im jüngeren bis mittleren Alter.“ Die Wahrscheinlichkeit, nach einer Infektion an Long Covid zu leiden, liege bei etwa 15 Prozent.

Jürgen Zastrow rechnet mit größerer Grippewelle im Herbst und Winter

„Überlegen Sie mal, wenn 15 Prozent aller Flüge abstürzen würden?“ Zastrow rechnet für diesen Winter auch wieder mit einer größeren Grippewelle, da das Immunsystem vieler Menschen durch die Corona-Schutzmaßnahmen nicht im Training sei. Für das „Risikopersonal“ rate er darum unbedingt zur Grippeimpfung. „Die kann man übrigens am gleichen Tag machen wie die Corona-Auffrischungs-Impfung.“

Dass jetzt wegen der Energiekrise dazu geraten wird, weniger zu heizen, hält er aus medizinischer Sicht nicht für einen Nachteil. „Immunologisch ist es schlimm, im T-Shirt in überheizten Räumen mit wenig Lüftung zu sitzen.“ Die Absenkung der Raumtemperatur, natürlich bei angemessener Kleidung, um nicht zu frieren, sei ein gutes Immuntraining.