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Interview mit Barbara Schöneberger„Swingerclub und Karneval gehen leider nicht mehr“

Lesezeit 10 Minuten
Schöneberger

Barbara Schöneberger, hier vor der Bäckerei Zimmermann in Köln, steht bei Kick-Media unter Vertrag.

  1. Anlässlich ihrer Promo-Tour für das Eis „Charlotte” ist Barbara Schöneberger mit uns durch ihre Kölner Lieblings-Straßen spaziert.
  2. Ein Gespräch über Swingerclubs, Kölns gekachelte Fassaden, den Karneval und die Nachteile der eigenen Bekanntheit und des Alterns.
  3. Ihr Fazit: „Einen nackten Männerunterkörper traut man mir offenbar nicht mehr zu.”
  4. Aus unserer Best-of-Reihe.

Köln – Diese Frau kennt jeder. Der in zerlöcherten Schuhen humpelnde, bärtige alte Mann, der ihr auf der Apostelnstraße zunächst eine Obdachlosen-Zeitung andrehen will. Bis sein zerfurchtes Gesicht aufleuchtet: „Schön, Sie mal in echt zu sehen.“ Der präpubertäre Junge vor dem Frittenwerk in der Ehrenstraße, der seine Aufregung vorlaut überspielt: „Hallo, kann mein Freund ein Selfie mit Ihnen machen?“

Und ein paar Meter daneben die Frauen hinter der Theke der Bäckerei Zimmermann, die winken und lachen, als Barbara Schöneberger sich auf das vor ihrem Laden postierte Fahrrad für ein Foto schwingt. „Ich stehe ja auf Kohlenhydrate“, sagt sie mit Blick auf das Schaufenster. Ordentlich Kohlenhydrate hat auch das Eis der Manufaktur „Charlotte“, das Schöneberger bewirbt. Anlass für einen Stadtspaziergang durch Schönebergers Kölner Lieblings-Straßen.

Frau Schöneberger, Sie sind so oft beruflich in Köln. Da könnten Sie eigentlich auch nach Köln ziehen.

Eigentlich schon. Die Flugverbindungen sind hier definitiv besser als vom ollen Tegel-Flughafen. Nur die Vorstellung, dass man in Köln keine Altbauwohnung findet, finde ich beklemmend. Ich war scharf auf Stuckrosette, darum bin ich nach Berlin gezogen. Wie muss sich das anfühlen, wenn man in einer der letzten fünf Altbauwohnungen Kölns lebt? Da muss man doch viel Neid auf sich ziehen.

Bei der Preisverleihung „Wine Awards“ im Schloss Bensberg haben Sie neulich gesagt, von weitem betrachtet sehe Köln richtig schön aus. Pfui!

Das war durchweg positiv gemeint. Die Liebe der Kölner verstellt den Blick natürlich für problematische Architektur, und die gibt es hier an jeder Ecke. Aber wer Köln nach seiner architektonischen Schönheit beurteilt, hat nichts verstanden. Köln kann man nicht nach seinen vielen gekachelten Fassaden, sondern muss man nach seinen Leuten beurteilen.

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Blumen kann Barbara Schöneberger nie genug haben, wie sie beim Schlendern durch die Markthalle an der Maastrichter Straße erzählt. 

Oft muss Schöneberger beruflich in Kölner Ecken, wo es nicht besonders schön ist, die Fernsehstudios in Ossendorf etwa. „Dann bin ich immer begeistert, wenn wir vom Flughafen einen klitzekleinen Umweg durch die Apostelnstraße, Ehrenstraße und die Mittelstraße machen können.“ Das Restaurant 4Cani sei toll gewesen, „aber das hat ja leider zugemacht. Und den Zara auf der Ehrenstraße gibt es auch nicht mehr“. Die Apostelnstraße und die Straßen drumherum, die schätzt sie. „Hier in dieser Kölner Ecke ist alles super. Fast wie in London. Aber wer in Köln Prachtmeilen sucht, ist natürlich falsch. Unter den Linden in Köln, das gibt es nicht.“

In Ihrem Lied „Zu hässlich für München“ singen Sie, Sie seien „zu kühl und zu trocken für Köln“. Ist das so?

Das ist natürlich das lyrische Ich, das diese Zeile singt und nicht ich persönlich. Aber den Umkehrschluss, dass man für Köln exaltiert, lustig und warm sein sollte, bestätige ich gerne. In einer Gruppe von Menschen sind von den letzten vier, die am Ende noch um den Bistrotisch rumstehen, drei aus Köln.

Haben Sie schon mal Karneval gefeiert?

Leider noch nie. Aber das hat auch keinen Zweck, weil ich dann nur noch Selfies mit Leuten machen muss, den ganzen Tag. Bestimmte Sachen gehen leider nicht mehr, wenn man ständig erkannt wird. Dazu gehören der Swingerclub, die öffentliche Sauna und der Kölner Karneval.

Aber Sie wären doch verkleidet.

Die Verkleidung, die es mir ermöglicht, einen exaltierten Karnevalstag zu erleben und nicht erkannt zu werden, die gibt es nicht. Bei meinem Junggesellinnen-Abschied war ich bis zur Unkenntlichkeit verkleidet und maskiert. Dachte ich jedenfalls, bis ich in die erste Bar ging und der Mann hinter fer Theke rief: Schöneberger, was trinkste?

Mögen Sie Karnevalsmusik?

Die Frage stellt sich gar nicht, ob das schön ist. Wenn man zum Karneval geht, ist das wie mit dem Oktoberfest. Dann musst du das ganze Programm mitspielen. Dass ich kaum Alkohol trinke, bremst mich immer sehr, weil ich mich eben nicht so zuschütten kann, wie man das dafür müsste.

Der Dom ist den Kölnern heilig. Wie stehen Sie zu Religion?

Ich lebe in einem christlichen Umfeld und befürworte das zunehmend. In Berlin ist es ja an der Tagesordnung, das Fach Religion aus den Schulen komplett rauszustreichen, das finde ich schade. Man sollte wissen, warum wir Weihnachten feiern. Ich und meine Familie gehen gerne in die katholische Kirche, obwohl wir gar nicht katholisch sind. Da ist einfach mehr Action, mehr Weihrauch, mehr Barock.

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Eis-Pause auf den Stufen von St. Michael im Belgischen Viertel. 

Als die Ehrenstraße ihr Ende erreicht hat, steuert Schöneberger auf die Ringe zu. „Ich war noch nie im Belgischen, finde ich super.“ Dann sprintet sie bei Rot über den Ring – ungeachtet des Polizeiautos, das nur zwanzig Meter weiter auf der Straße steht.

Kommen Sie um Strafzettel herum mit Ihrem Prominenten-Bonus?

Niemals würde ich vor einem Polizisten eine süße Schnute ziehen, einen Strafzettel weglächeln. Mir tut das ja viel weniger weh als den meisten anderen. Ich parke quasi grundsätzlich in der zweiten Reihe und auf der Busspur. Wenn dann mal der Abschleppwagen gerufen wird, ist das so. Ehrlich gesagt rechnet es sich trotzdem.

Keine Figur in Deutschland wird in Klatsch-Magazinen häufiger diskutiert als Ihre. Ist es nicht anstrengend, ständig beurteilt zu werden?

Nein. Ich werte das als ein Zeichen der Wertschätzung und als Kompliment. Offenbar muss man sich an meiner Figur abarbeiten. Dabei hat doch jeder Deutsche schon mindestens 800-mal über mich gelesen, dass ich Kurven habe, keine Kurven mehr habe, total abgerockt bin, weil ich zu viel arbeite. Das nimmt so eine lustige Eigendynamik an. Inzwischen lache ich darüber.

Hat Sie noch nie eine Geschichte verletzt?

Nein. Wer sich davon verletzt fühlt, ist entweder 22 und hat noch nichts erlebt oder hat ein großes Selbstbewusstseins-Problem. Viele solcher Geschichten entstehen ja aus den Fotos, die ich selbst bei Instagram von mir poste, weil ich die schön finde. Da steht dann, ich hätte so schwarze Ringe unter den Augen. Frechheit.

Sie haben schon für viele Produkte geworben. Jetzt machen Sie also auch noch Werbung für Eis?

Es gibt so viele, die vorwurfsvoll sagen: Jetzt macht die auch noch Werbung dafür, ey! Ja, genau! Weil es Spaß macht! Warum soll sollte ich die ganze Zeit darauf warten, dass mir ein TV-Sender einen Moderatorenjob gibt, wenn ich mit tollen Firmen wie der Charlotte-Eismanufaktur zusammenarbeiten kann und dann sogar Geld dafür bekomme? Ich esse jetzt seit drei Tagen nonstop köstliches Eis, und meine Kinder – Erwachsene übrigens auch – sind total neidisch auf mich. Ein Schuhhersteller fehlt mir übrigens dringend noch im Portfolio.

Artgerecht und selbstgejagt: Schönberger in der Markthalle im Belgischen Viertel

Welche Job-Anfragen lehnen Sie ab?

Viele. Sehr viele. Manche rufen auch an, weil sie sich denken: Die buche ich mir für meinen Geburtstag privat. Russische Millionäre sind auch darunter. Aber ich kriege das meistens gar nicht mit, weil mein Management das alles abbügelt.

Wenn wir Preisverleihungen, die Sie seit gefühlt Jahrzehnten moderieren, als Gradmesser für Gleichberechtigung nehmen: Wie weit sind wir?

Noch ganz am Anfang. Es geht ja meist schon damit los, dass die Hostess, die mit dem Preis auf die Bühne kommt, das Ding automatisch an den Mann auf der Bühne vergibt, selbst wenn eine Frau neben ihm steht. Ich weiß gar nicht, wo die ganzen Frauen arbeiten. Ich bin in so vielen Branchen unterwegs, fast nie sehe ich eine Frau. Auf der Baumaschinen-Messe neulich: Von 550 Gästen waren 30 Frauen, 20 davon im Service.

Woran liegt es, dass die Frauen in den Chef-Etagen so rar sind?

Ich glaube, viele Frauen wollen gar nicht in die vorderste Vorstandsebene. Die haben viel mehr Bock, in der zweiten Reihe zu sein, Kinder zu kriegen, Familie und Freunde zu haben. Die sagen sich: Ich bin doch nicht so blöd und arbeite 80 Stunden. Frauen wollen mehrere Dinge im Leben, nicht nur arbeiten. Männer sagen viel eher: Ist mir scheißegal, ich will Karriere machen, koste es, was es wolle.

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Schöneberger bei der Mittagspause im Frittenwerk auf der Ehrenstraße

Nach einer Pause auf den Stufen der Kirche St. Michael am Brüsseler Platz schlendert Schöneberger in die Markthalle am Belgischen Viertel und erzählt, dass sie bei sich Zuhause am liebsten Gäste einlädt – mit opulenten Blumen und selbstgekochtem Essen.

Sind Sie Feministin?

Viele nehmen mich offenbar als Feministin wahr, was ich gut finde, weil es meinen manchmal etwas dürftigen Inhalten einen philosophischen Überbau gibt. In Wahrheit mache ich ja vor allem viel Quatsch. Aber ich habe nie die Absicht gehabt, mich feministisch zu zeigen. Ich bin immer verschüchtert, wenn ich mit sehr kämpferischen Frauen zusammen bin, weil ich das nie war. Wenn ich Lust hatte, einen Mann mit nach Hause zu nehmen, habe ich mich nicht am nächsten Tag als Opfer gefühlt, das sich der männlichen Begierde hingegeben hat. Ich habe es einfach gemacht. Ich finde, wir müssen aufpassen, dass wir im Political-Correctness-Wahn nicht überall anfangen, Fehler, Benachteiligung und die Misshandlung zu suchen.

Sie sind jetzt 45 Jahre alt. Ein klassisches Alter für Männer, um eine Midlife-Crisis zu bekommen. Denken Sie auch darüber nach, sich ein Motorrad zu kaufen?

Nein, ich habe keine Krise. Trotzdem weiß ich, dass in meinem Alter nicht mehr alles geht. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass mir die Welt offensteht, ich noch alles entscheiden kann. Mein Leben ist in einer Bahn, und da bleibt es auch. Bei mir ist es zum Glück eine super Bahn, aber wenn ich nicht den richtigen Mann geheiratet hätte, hätte ich jetzt auch eine Midlife-Crisis. Manchmal gehe ich von einem Foto-Shooting direkt in ein Restaurant und finde mich eigentlich ganz gut aussehend. Und dann denke ich: Das gibt’s doch nicht. Kein Schwein guckt mich an? Warum guckt dieser süße Typ nicht? Und meine Freundin muss mir dann erklären, dass wir schon zu alt sind für die.

„Man traut mir einen nackten Männerunterkörper nicht mehr zu”

Und das wurmt Sie?

Klar. Neulich habe ich Palina Rojinski (Schauspielerin, Anm. der Redaktion) interviewt. Die hat erzählt, dass sie jeden Tag Bilder von nackten Männern untenrum bekommt. Ich habe dann im Radio vor einer großen Zuhörerschaft dazu aufgerufen, man möge mir doch bitte auch einmal etwas Vergleichbares schicken. Kein einziger hat reagiert. Das heißt, man traut mir einen nackten Männerunterkörper nicht mehr zu, was ich ein bisschen schade finde.

Auf der Apostelnstraße

Sie bringen eine Zeitschrift heraus, haben einen eigenen Online-Radiosender und moderieren viel im Fernsehen. Gibt es den geheimen Plan, die komplette Presselandschaft zu übernehmen?

Keine Sorge. Ich will nur sichergehen, dass ich gut zu tun habe. Aus mir würde nicht das Beste werden, wenn ich nichts zu tun hätte. Dann würde ich Fotos von mir beim Sport posten oder so, die wieder in Bezug auf mein Gewicht diskutiert würden.

Für einen Instagram-Post mit der Ankündigung, dass Sie an einer Kreuzfahrt teilnehmen, haben Sie Ärger bekommen in den sozialen Netzwerken. Zu Recht?

Zum Teil. Es gibt da einen Punkt, über den wir im Vorfeld zu wenig nachgedacht haben. Ich habe mich nicht wirklich darüber informiert, wie schwierig Kreuzfahrten für die Umwelt sind.

Wenn Sie Preisverleihungen moderieren: Wie groß ist die Versuchung, anschließend immer noch mitzufeiern?

Null. Ich bin danach sofort auf meinem Zimmer. Ich trinke noch nicht mal ein Schlückchen. Für mich ist das alles Arbeit. Ich müsste auf der Party 500 Selfies machen, und neben mir stünde ein TV-Team, das in Kamera-Reißschwenks von unten nach oben meine Klamotten abfilmt. Jetzt stehen Sie unter diesen Umständen mal da und amüsieren sich zu Tode. Geht nicht. Ich fliege am nächsten Tag um sechs Uhr morgens nach Berlin und sitze um acht mit meiner Familie am Frühstückstisch. Das ist alles, was mich interessiert.

Sie haben gerade Ihre Tour beendet mit dem neuen Album. Was hören Sie zu Hause?

Klassik! Im Moment vor allem Schostakowitsch. An Karajan (der Dirigent Herbert Karajan) kann ich mich gar nicht satt hören. Ich kann diese Melancholie in meinem Leben gut vertragen, weil ich ja sonst gar nicht so bin. Deshalb höre ich gerne tieftraurige Musik. Ich habe früher sogar auch mal Klavier gelernt, mein Vater war ja professioneller Musiker. Aber das Instrument und ich haben leider nicht zusammengefunden.

Das Gespräch führte Sarah Brasack

Dieser Artikel ist im Juli 2019 im „Kölner Stadt-Anzeiger” erschienen. Im Rahmen unserer „Best Of”-Reihe veröffentlichen wir auf www.ksta.de regelmäßig interessante Texte aus unserem Archiv.