Interview mit Cordula Stratmann„Kölner sind gezwungenermaßen lustig“
Frau Stratmann, die Frau an Ihrer Seite ist zurück: Nach acht Jahren Pause ist Annemie Hülchrath wieder losgezogen und hat sich mit prominenten Menschen zum Gespräch getroffen. Bevor wir uns darüber unterhalten. Wo war Annemie eigentlich in der Zeit? Auf dem Jakobsweg? Im Kloster?
Die ist seinerzeit aus Deutschland weggegangen, weil die Deutschen immer so schlecht gelaunt waren. Somit ist Annemie als überzeugte Europäerin nach Polen gezogen. Da war es zunächst besser, aber jetzt hat sie sich aus politischen Gründen wieder für Merkel-Land entschieden. Als Kölnerin ist für Annemie Homophobie oder Ausgrenzung undenkbar.
Annemie Hülchrath sucht ja gerne den Kontakt zu Promis. Sie war jetzt in Berlin bei Til Schweiger. In New York hat sie Ute Lemper getroffen. Es gibt ja so Menschen, die...
Halt, nicht dass da jetzt ein falsches Bild entsteht. Das macht sie nur im Auftrag des WDR. Ansonsten steht die Annemie nicht grundlos vor der Tür eines Prominenten. Ich bitte Sie!
Frau Stratmann, Ihrer Kultfigur Annemie wird ein „rheinländischer Charme“ zugeschrieben. Was macht für Sie den Charme der Rheinländerin aus?
Ihre Freundlichkeit, dass die nicht schmallippig ist. Die heitere Rheinländerin ist nicht so auf dem Sprung in die nächste Gehässigkeit. Annemie ist natürlich Rheinländerin, aber diesen Typ Mensch findet man in ganz Deutschland oder sogar in Italien. Es gibt so freundlich gestimmte, arglose, aber eben nicht dumme Menschen. Die werden häufig unterschätzt, weil man ihnen nicht zutraut, dass sie etwas durchschauen. Ich lasse mich gerne von solchen Menschen überraschen, die manchmal instinktiv etwas Kluges von sich geben, wofür Intellektuelle lange denken müssen. Die Annemie möchte sich mit anderen Leuten einfach eine gute Zeit machen. „Jetzt machen wir et uns erst mal nett und dann gucken wir weiter“, das halte ich für eine rheinländische Ausstattung.
Sie sind in Düsseldorf geboren, wohnen seit vielen Jahren mit Ihrer Familie in Köln. Wo fühlen Sie sich geborgen?
Im Rheinland. Da fühle ich mich zu Hause. Düsseldorf und Köln sind die Städte, die mich geprägt haben. Ich mache da auch keine Unterscheidung.
„Ich habe meine Freistunden am Rhein verbracht”
Zwei Städte am Fluss. Was bedeutet der Rhein für Sie?
Mit dem Rhein bin ich aufgewachsen, bin in Rheinnähe in die Schule gegangen, ins Ursulinengymnasium in Düsseldorf, direkt in der Altstadt. Ich habe meine Freistunden am Rhein verbracht und erste verliebte Spaziergänge. Und wenn ich unglücklich verliebt war, habe ich meinen Kummer im Fluss versenkt. Ich gehe noch immer gern am Rhein entlang.
Annemie Hülchrath spricht sehr Rheinisch. Sprechen Sie Dialekt?
Leider nicht. Ich bin hochdeutsch groß geworden. Das finde ich wirklich schade. Ich kann aber häufig Düsseldorfer Platt von Kölner Platt unterscheiden, obwohl sich das ja sehr nah ist.
Kölner Platt sagt man in Köln nicht.
Wat? Ah, ja: Kölsch! Entschulldijense!
Schon vergessen. Weiter bitte.
Ich habe mal in einem Auslandsurlaub plötzlich deutsche Stimmen im Rücken gehört und war davon überzeugt, das müssen Düsseldorfer sein, keine Kölner, keine Neusser, keine anderen Rheinländer. Ich hab sie angesprochen und lag richtig. Da war ich stolz, dass ich Leute aus meiner Heimatstadt identifizieren kann.
Was macht Köln aus Ihrer Sicht lebens- und liebenswert? Was ist nicht so toll?
Das fasse ich alles in einer Antwort zusammen. Aufgrund der Hässlichkeit der Stadt bemühen sich die Menschen, es sich hier besonders nett zu machen. Sie sind deshalb gezwungenermaßen lustiger. Und da fühle ich mich wohl. Ich brauche humorbereite Menschen um mich herum.
Gibt es Lieblingsorte in der Stadt?
Ich gehe in Köln gern durch die Straßen, durch Wohnviertel. Es muss schon dunkel sein und dann sehe ich mir die beleuchteten Fenster an. Die sind wie Wimmelbilder.
Sie sind am 10. November geboren, unmittelbar vor dem Beginn der Karnevals-Session. Hat die zeitliche Nähe gereicht, um Sie mit dem Karnevals-Virus zu infizieren?
Ich fand Karneval immer total anstrengend, als Kind schon, wenn dann alle so durchgedreht sind. Gut, wenn es sich plötzlich ergibt, wenn man ungezwungen mittendrin ist, dann finde ich es lustig. Es ist aber keine Feierei, die mein Herz höher schlagen lässt.
Warum Annemie Hülchrath wieder zurückgekommen ist, haben Sie schon erzählt. Wie froh sind Sie selbst, dass die Figur wieder da ist?
Ich hatte die Annemie nach zehn Jahren verabschiedet. Danach wollte ich andere Ideen verfolgen und nicht mehr diese Figur weiterentwickeln. Mit dieser Entscheidung war ich sehr zufrieden. Der Grund für die Rückkehr der Figur ist tatsächlich, dass ich in den acht Jahren nicht in Ruhe gelassen worden bin. Ich wurde beinahe in jedem Interview und auch auf der Straße angesprochen: Was ist denn mit der Annemie, dürfen wir damit rechnen, dass die noch mal wiederkommt?
Die Zuschauer haben Ihre Trennung nicht akzeptiert.
Genau. Man hat mich quasi nicht mehr von der Annemie gelassen. Irgendwann habe ich dem WDR gesagt: Hört mal Leute, die Annemie wird vermisst und ich glaub’, da müssen wir uns noch mal drum kümmern. Dann war das rasch klar.
Hat das gleich wieder mit Ihnen beiden geklappt? Oder fremdelte die Heimkehrerin etwas?
Das ging prima. Ich habe gemerkt, dass die Leute, die nicht locker gelassen haben, mir damit selbst eine Freude gemacht haben. Ich habe sehr gern diese zwei Sendungen gemacht, es war keinerlei Zähneknirschen dabei.
Hat sich die Gute in den letzten Jahren weiterentwickelt?
Eher nicht, ich sorge schon dafür, dass die Leute nun auch die Annemie wieder kriegen, die sie vermisst haben.
Sie geht aber schon mit der Zeit. Sie macht zum Beispiel Selfies mit Ute Lemper in New York.
Selbstverständlich, ja sicher.
Mit Ute Lemper waren Sie auch im Tonstudio. Welche Musik hört Annemie gern?
Da sage ich nur: „Beautiful Noise“ von Neil Diamond. Das ist ihr absoluter Liebling. Von dem hat sie alle Platten.
Und was hört Frau Stratmann gerne?
Frau Stratmann hört extrem stimmungsabhängig. Mal die ganze Klassik rauf und runter, mal Jazz oder Rock und Pop. Aber Achtung: keine 80er, die lasse ich aus.
Von der Musik zum Buch. Sie haben einige Bücher geschrieben. Zwischen den einzelnen Werken haben Sie sich jeweils ein paar Jahre Zeit gelassen. Ihr jüngstes Buch „Danke für meine Aufmerksamkeit“ ist vor gut drei Jahren erschienen. Es wäre so langsam Zeit für was Neues. Wie steht es damit?
Ich habe immer ein paar Ideen in der Schublade liegen und auch schon eine neue Geschichte angefangen, aber wann ich die Geschichte weiterschreibe, zeigt mir die Zukunft. Ich liebe den Schreibprozess, das werde ich in keinem Fall aufgeben.
Sie waren vor Ihrer Fernsehkarriere Familientherapeutin beim Jugendamt in Pulheim. Könnten Sie sich das noch einmal vorstellen. Oder ist das Thema für Sie durch?
Nein, das Thema Familie war, ist und bleibt meine erste Leidenschaft. Das Interesse an der Frage, wie harmonisch oder disharmonisch Familien zusammenleben, wird nie abnehmen in mir. Je ratloser Familien werden oder je mehr ich das Gefühl habe, da wissen die Großen nicht mehr wie sie mit den Kleinen leben sollen, desto mehr juckt es mich, mich in dem Thema zu bewegen, diese Verbindung habe ich auch nie ganz aufgegeben.
Kommen wir wieder zu Annemie Hülchrath. Zwei Besuchstermine sind im Kasten. Wird es weitere geben?
Mir hat das großen Spaß gemacht, und es haben sich auch schon mehrere Prominente dahingehend geäußert, dass sie sich über einen Besuch von Annemie freuen würden. Insofern: Es gäbe eine Zukunft.
Nach welchen Kriterien entscheidet Frau Hülchrath, bei wem sie auf die Klingel drückt?
Die allererste Überlegung ist stets: Wie ist es für Annemie, diesen Menschen zu treffen? Was hat Annemie für Bilder und Assoziationen zu diesem Menschen? Möchte sie das gerne mal überprüfen und mit ihm in Kontakt treten. Bei der Auswahl des Gegenübers geht die Arbeit mit der Figur schon los. Dabei steht Cordula Stratmann mehr im Hintergrund.
Am Montag ist „Annemie Hülchrath & Til Schweiger“ zu sehen; am Dienstag, 3. Januar, läuft „Annemie Hülchrath & Ute Lemper“, jeweils ab 22.10 Uhr.
Zur Person – Cordula Stratmann
Cordula Stratmann wurde 1963 in Düsseldorf geboren. Sie studierte Sozialarbeit in Köln und hat eine Zusatzausbildung in systemischer Familientherapie. Sie arbeitete etliche Jahre in der Familienberatung. Aus diesem Beruf stieg sie vor 20 Jahren aus. Seither ist sie TV-Moderatorin und Komikerin.
Die Figur Annemie Hülchrath dachte sie sich für eine Karnevalssitzung aus. Bekannt wurden sie und Annemie durch Auftritte in der WDR-Sendung „Zimmer frei“. Die Künstlerin spielte unter anderem die Hauptrolle in der Impro-Show „Schillerstraße“ (Sat1). Sie erhielt unter anderem den Deutschen Fernsehpreis, den Deutschen Comedypreis, die Goldene Kamera und den Bayrischen Fernsehpreis. Sie spielte Hauptrollen in einigen Fernsehfilmen und veröffentlichte mehrere Bücher. Die Komikerin lebt mit ihrem Mann, dem lit.Cologne-Geschäftsführer Rainer Osnowski, und dem gemeinsamen Sohn Emil in Köln. Für zunächst zwei Folgen kehrt Cordula Stratmann mit Annemie Hülchrath zurück ins WDR-Programm. Am Montag ist „Annemie Hülchrath & Til Schweiger“ zu sehen; am Dienstag, 3. Januar, läuft „Annemie Hülchrath & Ute Lemper“, jeweils ab 22.10 Uhr. (mos)