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Interview mit Ranga Yogeshwar„Wer Nudeln hamstert, ist selbst schuld”

Lesezeit 5 Minuten
Ranga Yogeshwar

Ranga Yogeshwar

  1. Ranga Yogeshwar ist einer der bekanntesten Wissenschafts-Journalisten Deutschlands.
  2. Der in Hennef lebende Moderator und Erfinder des WDR-Wissenschaftsmagazins „Quarks&Co“ beschäftigt sich derzeit ebenfalls intensiv mit dem Coronavirus.
  3. Ein Gespräch über die medizinische Lage in Deutschland, seine persönlichen Vorsichtsmaßnahmen und mögliche Therapien.

KölnHerr Yogeshwar, würden Sie am Samstag mit einer vollen Straßenbahn zum Shoppen in die Kölner Innenstadt fahren?

Ich würde in der Kölner Innenstadt shoppen gehen. Wenn man ein paar Dinge berücksichtigt, ist das vertretbar. Ich würde aber nicht auf eine internationale Konferenz gehen. Wenn aus vielen Ländern Menschen in geschlossenen Räumen zusammenkommen, ist die Möglichkeit einer Ansteckung größer. In der Fußgängerzone ist das nicht so. Wir müssen hier nicht in Panik verfallen und zu Hause bleiben.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage in Deutschland?

Die Zahlen in Deutschland sind mit etwa 1300 nachgewiesenen Corona-Fällen aktuell vergleichsweise niedrig. Jetzt sagen manche: „Wie kann das sein? So wenige Fälle, so drastische Maßnahmen.“ Ich habe mir die Covid-19-Fälle außerhalb von Januar bis 6. März angesehen. Es ist eine exponentielle Entwicklung ist: Wir haben alle 16 Tage eine Verzehnfachung der Fälle. Es ist schwierig für Menschen zu begreifen, dass ein solches Wachstum eben zu ganz großen Zahlen führen kann. Wenn wir in Deutschland also etwa 1000 Fälle haben, haben wir Ende März 100.000 und nochmal 14 Tage später eine Million – wenn wir nichts tun würden. Wir haben in Deutschland etwa 28.000 Notfallbetten – das ist hervorragend, in Italien sind es gerade mal 5000. Aber auch ein gutes System wie Deutschland würde dann an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Und deswegen müssen wir nun die Ausbreitung verlangsamen. Dazu müssen wir die Kontaktmöglichkeiten reduzieren. Also Isolierung von Erkrankten oder eben ein Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern. Und zum anderen müssen wir auf gewisse elementare Dinge achten. Hier vor allem regelmäßiges Händewasche, denn die Übertragung erfolgt meist über die Hände, indem man sich ins Gesicht fasst und das Virus über die Schleimhäute in den Körper gelangt. Wenn wir diese beiden Faktoren reduzieren, dämpft man die Kurve der Infektionen gewaltig. Das hat in China sehr gut funktioniert, in der aktuellen Phase gehen die Zahlen dramatisch wieder nach unten. Das ist wie im Auto. Wir schnallen uns nicht an, weil wir einen Unfall haben werden, sondern um für den schlimmsten Fall gewappnet zu sein. Wir können die Verbreitung nicht stoppen, aber dämpfen, um Zeit zu gewinnen. Damit verhindern wir eine Überlastung des medizinischen Systems. Und es gibt die berechtigte Hoffnung, dass uns das Virus im Sommer ein bisschen in Ruhe lässt, was nicht heißt, dass es weg ist. Das ist kostbare Zeit für die Wissenschaft was Therapien und Impfmöglichkeiten betrifft.

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Ältere Menschen sind besonders gefährdet.

Ältere und Personen, die ohnehin schon eine Vorerkrankung haben, sind massiv betroffen. Kleine Kinder am wenigsten. In der Altersgruppe null bis neun Jahre haben Sie null Prozent Todesfälle. Deshalb müssen wir diese Risikogruppe schützen. Altenheime dürfen nicht permanent frequentiert werden. Aber es geht nicht allein um das Alter im Reisepass. Denn die Menschen, die gestorben sind, hatten meistens eine andere Vorerkrankung, das spielt also eine wichtige Rolle. Wenn die Großmutter Lungenprobleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes oder eine größere Operation hatten, würde ich sagen: „Lass uns lieber skypen, statt besuchen.“ Natürlich muss jeder selbst wissen, wie fit er ist.

Wann wird es Therapien geben?

Die gute Nachricht ist, dass das Coronavirus stabil ist. Anders als Influenzaviren verändert es sich nicht. Wenn wir also einmal medizinische Rahmenbedingungen geschaffen haben, können wir die Fallzahlen schnell nach unten drücken.

Wann erleben wir eine Entspannung der Situation?

Spannend ist der Zeitpunkt der Verkündung, dass man sagt, wir sind jetzt virenfrei. Aber ich bin mir nicht sicher, dass das bei Corona der Fall ist. Es kann sein, dass viele Infizierte symptomfrei durch die Gegend laufen, von denen wir nicht wissen, dass sie krank sind. Und es wird die Herdenimmunisierung geben. Menschen sind von Covid 19 genesen, sie haben Antikörper entwickelt, können danach nicht mehr krank werden und dieses Virus auch nicht mehr weiterverbreiten. Um die Gefährlichkeit von Corona einzuschätzen, müssen wie mehr über die Todesraten erfahren, die im Moment noch sehr spekulativ sind. Wenn ich heute hohe Infektionszahlen habe, kann ich nicht sagen, wie viele werden tatsächlich sterben. Zudem sind nur die erfasst, die wirklich behandelt werden. Manche haben zum Beispiel kaum Symptome und genesen einfach wieder.

Verstehen Sie Menschen, die Hamsterkäufe tätigen?

Wer Nudeln hamstert, ist selbst schuld, weil er für lange Zeit Pasta essen muss. Wenn ich aber sehe, dass Menschen in Krankenhäusern Desinfektionsmittel stehlen, ist das unsolidarisch, weil die Krankenhäuser es wirklich brauchen, um Menschen zu helfen. Bei den Nudeln ist es dumm. Aber beim Desinfektionsmittel ist es – ich muss es so klar sagen – asozial. Da muss man deutlich werden, damit die Leute, die so etwa machen, ein schlechtes Gewissen bekommen.

Wie bewerten Sie das Krisenmanagement von Jens Spahn und Laumann?

Jens Spahn lobe ich. Er macht konsequent einige Sachen klar, mahnt aber auch zu Besonnenheit.

Wie bewerten Sie als Wissenschaftsjournalist den Umgang der Medien mit der Situation?

Vielleicht bietet das Coronavirus die Chance, dass wir den Sinn von gutem, das heißt, nicht auf Erregung setzenden Journalismus erkennen. Ich finde die Unverantwortlichkeit, mit der einige Medien solche Epidemien geradezu zelebrieren, total kontraproduktiv, weil sie Kollateralschäden erzeugen können. In den USA zum Bespiel waren die Leute von der Berichterstattung über die Anschläge vom 11. September 2001 so verunsichert, dass sie nicht mehr fliegen wollten. Sie sind stattdessen mit dem Auto gefahren. Die statistisch nachweisbare Erhöhung der Opferzahlen auf den Highways bedingt dadurch, dass die Leute nicht geflogen sind, entsprach mehr Leuten als das eigentliche Ereignis am World Trade Center.