Der teils deutliche Anstieg lässt sich laut Polizei nicht allein durch die Auswirkungen der Pandemie erklären.
Jugendkriminalität in Köln steigt starkImmer mehr Minderjährige verbreiten pornografisches Material
Sie sind erst 14 und 15 Jahre alt, aber schon derart oft mit Straftaten aufgefallen, dass ein Haftrichter sie nach einem erneuten mutmaßlichen Wohnungseinbruch vorige Woche in Untersuchungshaft schickte. Mit einem 17 Jahre alten Komplizen sollen die beiden Jugendlichen die Scheibe eines Wohnhauses auf der Salmstraße in Poll mit einem Stein eingeworfen haben, vermutlich um dort einzubrechen. Nachbarn hielten sie fest und übergaben sie der Polizei.
Nicht viel älter waren vier junge Männer, die zwei Tage zuvor, am 2. April, mit einem Mietwagen quer durch Köln gefahren waren und aus dem geöffneten Fenster heraus Passanten mit Gelkugeln aus einer Softair-Waffe beschossen haben sollen – 17, 18 und 19 Jahre alt. Die Polizei stoppte den VW Polo in der Innenstadt und stellte zwei Luftdruckpistolen sicher.
Polizisten und Kriminologen sprechen von „jugendtypischen“ Delikten
Und schließlich landete weitere fünf Tage vorher ein 18-Jähriger in Untersuchungshaft, weil er in der U-Bahn-Haltestelle am Neumarkt einem 24-Jährigen die Goldkette vom Hals gerissen haben und geflüchtet sein soll. Als das Opfer den Täter festhalten wollte, sollen dessen Komplizen den Mann zu Boden geschlagen haben.
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Es sind nur drei Beispiele von Straftaten aus den vergangenen zwei Wochen in Köln, bei denen die Verdächtigen minderjährig waren oder zumindest jünger als 21. Polizisten und Kriminologen würden alle drei Taten wohl als „jugendtypisch“ einsortieren: Einbruch, Körperverletzung und Raub – Delikte, die klassischerweise vielfach von jüngeren Männern begangen werden.
Das spiegelt sich auch im Jugendkriminalitätsbericht 2022 wider, den die Polizei Köln am Dienstag veröffentlicht hat. In nahezu allen Bereichen ist die Zahl der Straftaten gestiegen, teilweise noch viel deutlicher als in der Gesamtkriminalstatistik, besonders im Bereich der Straßenkriminalität. Der Anstieg betrifft vor allem Tatverdächtige unter 14 Jahren (plus 38 Prozent gegenüber 2021) und die 14- bis 18-Jährigen (plus 34 Prozent). Der Anteil Nicht-Deutscher ist in den vergangenen Jahren um acht Prozent gesunken und liegt nunmehr bei 47 Prozent.
„Die Einschränkungen durch Corona dürften einen wesentlichen Beitrag zu den rückläufigen Zahlen in den letzten beiden Jahren geleistet haben“, bilanziert Kripochef Michael Esser. Gemeint sind die Jahre 2020 und 2021, in denen das öffentliche Leben teilweise zum Erliegen gekommen war. Der nunmehr starke Anstieg – das Niveau liegt in vielen Deliktsbereichen deutlich über dem der Jahre 2018 und 2019 – lasse sich aber allein mit den Auswirkungen der Pandemie nicht erklären, sagt Esser. Für die weitere Ursachenforschung verweist der Kripochef auf andere Punkte. „Der vorliegende Bericht zur Jugendkriminalität soll mit Zahlen und Fakten informieren und Grundlage für die Bewertung und Analyse der am Themenfeld Jugendkriminalität interessierten Menschen sein.“
Und die empfehlen größtenteils, den Ball erst einmal flach zu halten. Dabei hilft ein Blick auf die langfristige Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte: Ende der 1990er Jahre etwa hatte die Polizei bundesweit noch 150.000 tatverdächtige Kinder unter 14 Jahren gezählt, inzwischen sind es knapp 90.000. Noch sei also längst nicht ausgemacht, ob es sich bei der auf den ersten Blick alarmierenden aktuellen Entwicklung tatsächlich um eine Trendumkehr handelt oder nur um eine zufällige Schwankung, warnen Kriminologen.
Straftaten von Jugendlichen selten geplant und oft dilettantisch ausgeführt
„Jugendkriminalität ist vorwiegend Gelegenheitskriminalität, die opportunistisch motiviert und selten geplant ist“, sagt Michael Esser von der Polizei. Die Taten seien meist unprofessionell ausgeführt. Aber: „Auch wenn es sich überwiegend um Bagatellkriminalität handelt, wird die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit durch wenige Fälle schwerster Gewaltkriminalität geprägt.“
Gerade die Gewalt unter Jugendlichen und die kriminelle Karrieren jugendlicher und heranwachsender Intensivtäter bereiten dem Kölner Kripochef nach eigenen Angaben Sorgen. „Deshalb arbeiten wir eng mit unseren Partnern im Haus des Jugendrechts zusammen, um kriminelle Karrieren gar nicht erst entstehen zu lassen und da, wo sich kriminelles Verhalten bereits verfestigt hat, schnell zu handeln.“
In Fällen, in denen die Polizei gegen Jugendliche ermittele, bleibe es in der Regel bei wenigen Straftaten. „Kriminologische Forschungen weisen immer wieder darauf hin, dass Delinquenz im Jugendalter überwiegend als entwicklungsbedingte Auffälligkeit zu bewerten ist, die mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter abklingt und sich nicht wiederholt“, betont Esser.
Besonders stark gestiegen ist die Zahl der Fälle von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, begangen von Kindern und Jugendlichen. Sehr häufig verbirgt sich dahinter die Verbreitung pornografischer Bilder oder Filme. Vermehrt, so hat es die Polizei beobachtet, laden Schüler und Schülerinnen kinder- und jugendpornografisches Material, aber mitunter auch tier- und gewaltpornografische Darstellungen beim sozialen Netzwerk Tiktok hoch und verbreiteten es in ihrer Community.
Manche tun dies bewusst, etwa um Ex-Partnerinnen bloßzustellen. Andere, so sagt es eine Ermittlern, „begreifen das als Challenge, als Mutprobe. Sie machen sich überhaupt keine Gedanken darüber, in welche Hände dieses Material geraten kann.“ Dass das Verbreiten solcher Bilder und Clips strafbar ist, sei vielen auch überhaupt nicht bewusst.