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„Der Markt ist leer“So warb ein Kölner Gastronom Mitarbeiter in Brasilien an

Lesezeit 4 Minuten
Brück

Sascha Halm (l.) mit Sabrina Silva, Andrezza Dantas und Angelo Mutton

  1. Die Gastro-Branche leidet unter erheblichen Personalmangel
  2. Einige Betriebe mussten sogar einen zweiten oder dritten Ruhetag einlegen
  3. Ein Kölner Gastronom fand jetzt Abhilfe in Brasilien.

Fast alle Kölner Gastronomen leiden unter Personalmangel. Doch wohl keiner hatte eine im wahrsten Sinne so weit hergeholte Idee wie Sascha Halm, Inhaber des idyllischen, denkmalgeschützten Gasthauses zur Alten Schule in Brück.

In Köln nach Personal zu suchen, das hatte er aufgegeben. „Große Konzerne oder Hotels können viel mehr zahlen als ich, der Markt ist leer.“ Zusammen mit seiner brasilianischen Frau kam er deshalb auf die Idee, in Brasilien zu inserieren. Es meldeten sich viele Interessenten – und für Vorstellungsgespräche reiste das Ehepaar nach Blumenau, einer deutschen, aber nicht mehr unbedingt deutschsprachigen, Enklave im Süden Brasiliens, wo das zweitgrößte Oktoberfest der Welt stattfindet und es Schnitzelhäuser gibt.

Zwei Brasilianer arbeiten in Köln-Brück

Halm konnte tatsächlich schnell mehrere Mitarbeiter gewinnen. Andrezza Dantas (43) und Angelo Mutton (44) sind schon da. Halms brasilianische Nichte Sabrina Silva (20), die in der Alten Schule seit zweieinhalb Jahren ihre Ausbildung macht, hilft beim Übersetzen vom Portugiesischen ins Deutsche. „Ich bin das Lexikon“, lacht sie. Ein Koch und eine Servicekraft aus Blumenau kommen in den nächsten Wochen.

Andrezza Dantas war in ihrer Heimat Personalberaterin, Angelo Mutton arbeitete in einer Firma, die Autolack produziert. Mit Gastronomie hatten sie nie etwas zu tun. Ihre Motivation herzukommen: „Deutschland hat in Brasilien einen sehr guten Ruf, alle schwärmen davon“, sagt Dantas. „Und in Brasilien herrscht ein große Krise, da ist das Leben zur Zeit sehr schwierig.“ Von Köln hatten die beiden keine Vorstellung, da mussten sie erst googlen. „Wir kennen nur Berlin“, sagt Sabrina Silva. Im Vergleich zur Zwölf-Millionen-Stadt Sao Paulo, wo sie herkommt, sei Köln sehr sauber und und überschaubar, meint Andrezza Dantas. Außer vielleicht am Neumarkt.

Kölsch ist schwierig auszusprechen

Die Feinheiten des richtigen Kellnerns werden täglich trainiert. „Ich übe immer mit rohen Eiern auf drei Tellern“, sagt Angelo Mutton. Auch an der völlig fremden Sprache wird gearbeitet. Vor allem an den deutschen Umlauten. „Kölsch ist schon ein schweres Wort für uns“, sagt Andrezza Dantas und lacht. „Und erstmal Hämchen oder Himmel un Äd mit Öllig“, meint einer der letzten deutschen Kellnerkollegen ironisch. Doch diese Gerichte stehen hier glücklicherweise gar nicht auf der Karte. „Gegrilltes Kalbskotelette mit Porzer Spargel“ ist aber auch nicht ohne.

Alte Schule

Sascha Halm seht selbst am Herd. Ein brasilianischer Koch soll noch kommen. 

Deshalb kommt es vor, dass die Kommunikation nicht auf Anhieb klappt. Dann wird oft mit Händen und Füßen erklärt. Die Gäste würden aber sehr positiv reagieren, ist die Erfahrung von Halm. „Ein paar haben schon gesagt: Das ist ja wie im Urlaub hier.“ Nicht umsonst gebe es für die neuen Kräfte oft ein gutes Trinkgeld.

Brasilianerin liebt den Dom

Halm lobt die große Freundlichkeit seiner neuen Angestellten. Angelo Mutton etwa sei von Anfang an mit minimalen Sprachkenntnissen zu den Tischen gegangen und habe die Gäste erst einmal begrüßt. „Die fühlen sich dann abgeholt.“

Sascha Halm hat in der Nähe des Gasthauses Wohnungen für seine Mitarbeiter gemietet. Schwer macht es ihm die Bürokratie. Brasilianer brauchen für die Einreise und die Arbeit die Genehmigung der heimischen Botschaft und der Arbeitsagentur. Die Servicekraft aus Blumenau wartet derzeit noch auf ihren Stempel von der Botschaft.

Karneval ist schön, aber kalt

Andrezza Dantas’ Familie ist inzwischen nach Köln nachgekommen. Sie liebt vor allem den Dom und das Rheinufer. Und den Karneval, obwohl es dabei hier so kalt ist. Angelo Mutton mag Brauhäuser. Vielleicht, weil es dort so laut ist wie in Sao Paulo. Was sie beide nicht mögen: Sauerkraut (brasilianisch: chucrute), was in Blumenau als das deutsche Essen schlechthin verkauft wird.

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Beide haben von Zeit zu Zeit – und da geht die Hand Andrezza Dantas an ihr Herz – „saudades de casa“. Heimweh. Was macht man dann in Brück? „Es gibt in Köln eine sehr große brasilianische Gemeinde, da findet man über Facebook schnell Anschluss“, sagt Sabrina Silva. Ansonsten: mit der Heimat telefonieren und brasilianische Filme gucken.

Brasilianisches Fest im August

Wie lange sie in Köln bleiben werden, wissen Andrezza Dantas und Angelo Mutton nicht. Das wird sich ergeben. Erst einmal werden Einkaufslisten für das große brasilianische Fest geschrieben, das Mitte August in der Alten Schule stattfinden soll. Wenn der Koch aus Blumenau bis dahin da ist, wird er Rodizio machen, dabei werden Fleisch und Fisch am Spieß gegrillt. Vielleicht, so Halm, wird er das als erstes brasilianisches Gericht auf seine Speisekarte aufnehmen. „Das passt nach Brück.“