Köln-Kalk – Der Bericht von Ayoub Bouslah verdeutlicht auch Optimisten, dass Rassismus in staatlichen Institutionen keineswegs besiegt ist. An seiner früheren Schule, einer Gesamtschule, erzählte der Schüler bei der Zeremonie in der Aula des Georg-Simon-Ohm-Berufskollegs (GSO), habe sich ein Lehrer über seinen Vornamen lustig gemacht und ihn statt Ayoub nur „Josef“ genannt. Immerhin habe die Schulleitung das Verhalten des Lehrers nicht akzeptiert: „Der Lehrer musste die Konsequenzen tragen.“
Auch dass das GSO nun mit dem Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ausgezeichnet wurde, sei keineswegs ein Selbstläufer gewesen, erzählten die beiden Lehrer Nicole Tomczyk und Thorsten Pöttger. Sie hatten die Aufnahme in das gleichnamige Schulnetzwerk nicht nur als Koordinatoren betreut, sondern 2020 überhaupt erst in die Wege geleitet: „Die Einstellung: Rassismus - gibt’s doch bei uns nicht„ ist im Kollegium noch hier und da anzutreffen“, sagt Tomczyk. Auch Schüler sprächen da oft von „Übersensibilität“ oder witzelten über die „Genderpolizei“, die wohl demnächst ihren Auftritt habe, wenn man nicht die politisch korrekten Formulierungen verwende, ergänzte Pöttger.
„Wir möchten einfach nur, dass man uns mit Respekt begegnet“
Denn auch der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit und die Anerkennung von Menschen, die von der heterosexuellen Norm abweichen und die häufig unter dem Kürzel LSBTTIQ zusammengefasst oder als „queer“ bezeichnet werden, gehört zur Aufgabe einer „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Denn: „Täglich werden bundesweit im Durchschnitt drei Straftaten gegen LSBTTIQ-Menschen verübt“, sagte Irmgard Coerschulte, Regionalkoordinatorin des Netzwerks.Zuletzt waren die Voraussetzungen für die Aufnahme des GSO in das Schulnetzwerk allerdings erfüllt, denn eine Mehrheit von rund 90 Prozent der Schüler und Lehrer hatte die notwendige Selbstverpflichtung unterzeichnet. Was bedeutet, dass die Unterzeichner künftig bei diskriminierenden Handlungen einschreiten, aber auch bei der Organisation von Schulveranstaltungen und Projekten zum Thema mithelfen.
Dank der guten Verbindungen einiger Schüler in die Medienwelt und die LSBTTIQ-Community kam bei der Zeremonie auch Martin Hommel, Vorstand von Cologne Pride, Veranstalter der CSD-Parade, zu Wort. „Es ist wichtig, dass solche Werte gerade an den Schulen vermittelt werden, wo Jugendliche ganz unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft zusammenkommen und von ihrem traditionellen familiären Umfeld abgelöst sind.“
90 Prozent der Schüler unterzeichnen die Selbstverpflichtung
In einer Live-Schalte beschrieb Saskia Michalski, Dozentin für Diversity und Queerness, wie Menschen im Alltag häufig durch missbilligende Blicke oder unpassende Bemerkungen diskriminiert werden. Sie ermutigte die betroffenen Schüler, Flagge zu zeigen: „Ihr seid keinem Menschen eine Erklärung schuldig.“ Ähnlich sah es Moderator Amiaz Habtu: „Wenn euch so etwas passiert, müsst ihr gleich dagegen halten.“
Bewegend die Schilderung des GSO-Schülers Nathan Gimbel, der als „biologische Frau“ geboren wurde, damit aber „todunglücklich“ war und seit einem Jahr Hormone nimmt, um das Geschlecht zu wechseln.
Er erzählte vom Unverständnis seiner Familie, aber auch von Beleidigungen durch Unbekannte: „Wir möchten einfach nur, dass man uns mit Respekt begegnet“, sagte er abschließend. Das sorgte nicht nur bei Daniel Pottgüter für Empathie. Er ist Pianist der Kölschrock-Band Miljö, die – wie „Höhle-der-Löwen-Moderator Amiaz Habtu – als Paten das Engagement der Schule unterstützen möchten. „Als Musiker haben wir natürlich Power und sehen es als unsere Aufgabe, gegen Diskriminierung anzugehen“, sagte Pottgüter. Miljö stellte einen neuen Song vor mit dem Refrain „Bunt, bunt, bunt malen wir das Veedel an“, der die kölsche Vielfalt feiert. Die Musiker gaben aber auch zu, dass in ihrer Branche Rassismus und Ablehnung von LSBTTIQ-Menschen immer noch an der Tagesordnung sei.
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Besonders auffällig seien die Missstände im Fasteleer: „Viele Karnevalsgesellschaften nehmen immer noch keine Frauen auf, auch Menschen mit Migrationshintergrund sind stark unterrepräsentiert“, sagte Bassist Max Eumann. „Karneval ist eine Sache der weißen Männer.“ Da sei noch viel zu tun.