Kleingärtner in Vingst und OstheimDer Stangenbohnen-König thront im Apfelbaum

Top gepflegt: Edith Krämer putzt ihren Zierbrunnen.
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Vingst/Ostheim – „Das ist unsere Naherholung, unser kleines Paradies“, sagt Charly Emmel. Seine Frau Helga ist ganz seiner Meinung – die beiden zeigen stolz die frisch bearbeiteten Blumen und Gemüsebeete ihres Schrebergartens. „Wir wohnen in Deutz, da haben wir nicht mal einen Balkon.“ Wie viele andere Gartenfreunde nutzt das Ehepaar die ersten schönen Tage als Start in die Kleingartensaison. „Endlich geht es los“, ruft Helga Emmel. Darauf hätten sie sich den ganzen Winter gefreut.
Mit Harken und Spaten, Samentütchen und Setzlingen ziehen die Mitglieder des Kleingärtnervereins Köln-Vingst in diesen Tagen zwischen Hollywood-Schaukel, Grill und Gartenzwergen auf das Gelände zwischen der Straßenbahn-Trasse der Linie 9 und dem Autobahnzubringer Vingster Ring sowie dem Gelände des Vingster Freibades und dem Neubaugebiet Waldbadviertel. Die einen versuchen das Wachstum von Blumen und Gemüse mit Dünger und Zuneigung zu forcieren, andere setzten auf Radio oder auf Live-Musik.
Die Straßenbahn, die in regelmäßigen Abständen gleich hinter ihrem Garten vorbeirauscht, hören die Emmels kaum noch – schon gar nicht, wenn sie sich auf das Baumhaus zurückziehen, das der Ehemann vor einigen Jahren in einem Apfelbaum (Sorte Boskop) zurecht gezimmert hat. „Hier kann man mit sechs Leuten gemütlich sitzen“, schwärmt er. Wenn der Baum rundum Blätter und Früchte trägt sogar auch unsichtbar für den vorbeigehenden Nachbarn und Spaziergänger. „Das ist schon eine ganz tolle und einzigartige Idylle hier“, sagt Helga Emmel.
Einzigartig in der Anlage ist auch die Theke, die neben dem Gartenhäuschen emporragt und bei den Männern der Umgebung als beliebter Treffpunkt gilt. Die Frauen sitzen dann meistens auf der Terrasse vor der „Villa Tomate“, wie die Emmels ihr Gartenhäuschen getauft haben.
Daran prangen zwei Schilder, die auf Erfolge und Status des Mannes hinweisen. „Stangenbohnenkönig“ heißt es da – wegen der vielen Bohnen, die geerntet wurden – und „Chefchen“. Helga Emmel: „Aber ein bisschen Chef bin ich auch. Jeder hat seinen Bereich. Er ist für Erbsen und Bohnen zuständig, ich für Kartoffeln und Blumen.“ Besonders stolz ist Helga Emmel auf die bunte Blumenwiese, die sie in den nächsten Monaten erwartet. „Dafür habe ich Früchte und Samen im Rheinpark gesammelt und hier eingepflanzt.“
Ein paar Gärten weiter sitzt Kurt Vonthron (76) auf dem Rasen in seiner „zweiten Heimat“ und spielt bekannte Wander- und Volkslieder auf der Mundharmonika. „Ich warte auf die Tulpen“, sagt er. Mit Musik – wenn er nicht selbst spielt, läuft ein altes Radio – wüchsen die Blumen besser. „Daran glaube ich fest.“ Seit 1962 hat er den rund 400 Quadratmeter großen Garten gepachtet, für den er derzeit pro Jahr 350 Euro zahlt. Neben den Blumen baut er Gurken, Bohnen und Zucchini an. „Das lohnt sich. Im Vorjahr habe ich soviel geerntet, da habe ich halb Vingst mit Gurken versorgt“, sagt Vonthron. Mit seiner Mundharmonika ist er bekannt im Veedel. Ostersonntag durfte er bei der Messe in St. Theodor mitspielen, und bei der Sommerferien-Aktion Hövi-Land erhält schon seit Jahren jedes Geburtstagskind ein Ständchen.
Mit dem Instrument in der Tasche und dem Fahrrad an der Hand zieht er vorbei an Miroslav Gayzner, der schon Kartoffeln setzt („300 kleine Knollen werden gepflanzt. Das gibt im Herbst 80 bis 100 Kilo Kartoffeln“), zum Garten seines Wanderfreundes Erich Bender (62). Die beiden erlaufen an Wochenenden oft Strecken in der Eifel und im Hunsrück, im Siegerland und im Rheintal. „Der Garten läuft ja nicht weg“, so Bender. Er hat nicht nur ein paar Flaschen Kölsch kaltgestellt, sondern in seiner Parzelle („Seit 1928 in Familienbesitz“) gerade einen neuen Pfirsichbaum gepflanzt – gekauft in einem Baumarkt in Kalk.
Ein Stückchen weiter wachsen die Pfirsiche bei Eduard und Ingrid Ploog. Die Höhenberger, die im Sommer sieben Tage pro Woche im Garten verbringen, präsentieren stolz eine üppige rosafarbene Blütenpracht. Dazu haben sie schon das Gemüsebeet vorbereitet, schwarze Johannisbeeren gepflanzt und einen Weinstock beschnitten. Nächstes Projekt ist der Wechsel der Fahne: Während in der Nachbarschaft Flaggen in Schwarz-Rot-Gold oder auch mal eine aus Italien, Portugal und Thailand auf die Herkunft der Hobbygärtner hinweisen, weht bei den Ploogs eine FC-Fahne. „Im Winter eine wetterfeste kleine, jetzt kommt die Große an den Mast – 3,50 Meter mal 1,50 Meter.“ Daneben steht eine Galerie großer und kleiner Gartenzwerge – natürlich alle im FC-Outfit.
Auch bei Maschinenbauingenieur Thomas König prangt ein FC-Banner. „Ich habe eine Dauerkarte“, sagt er. Der 34-Jährige entfernt mit einer Art Rasenmäher Moos. Jetzt müsse das Unkraut raus und der Rasen belüftet werden. „Wir wollen hier doch gemütlich sitzen und grillen“, sagt er.
Ein bisschen FC, aber vor allem Rut un Wieß, blinkt im Garten von Edith Krämer (54). „Das muss so sein. Ich bin doch ein kölsch Mädche.“ Die Gemüsepflanzen zieht sie auf der Fensterbank ihrer Wohnung in Neubrück. „Im Mai kommen die dann raus – dann ist für mich Hochsaison.“ Jetzt wienert sie aber schon einmal mit einem Lappen den Zierbrunnen blank. „Nach einem Sturmschaden ist der leider nur noch Deko.“
Als Dekoration flattert bei Brigitte Cardoso eine Piraten-Flagge. „Das mögen die Kinder“, sagt sie. Mithilfe ihrer Schwestern befreit sie derzeit in ihrem Garten das Ufer eines kleinen Fischteichs von Unkraut und Gestrüpp. Sie hat den Garten von ihrem im vergangenen Jahr verstorbenen Mann übernommen. „Das ist für mich eine Art Vermächtnis. Mein Mann hat sich hier mehr als 25 Jahre stets wohlgefühlt“, sagt die Einzelhandelskauffrau. „So ein Garten ist schön. Aber es gibt auch viel Arbeit. Man hat immer etwas zu tun.“