„Mietshäuser-Syndikat“ in KölnWie eine Wohngemeinschaft gegen ihre Kündigung kämpft
- Kaufen oder mieten: Das sind die einzigen Alternativen, glauben die meisten.
- Doch es gibt noch einen dritten Weg: Kaufen und trotzdem Mieter bleiben.
- Eine Kölner Wohngemeinschaft will damit in ihrem Haus wohnen bleiben, nachdem ihnen die Kündigung wegen Eigenbedarf angedroht worden war.
- Wie erklären, wie das geht.
Köln – In Anlehnung an ihre Adresse haben die Mieter ihr Haus „Neuerburg“ genannt. In einer Burg kann man Stürmen und Angriffen in einer recht turbulenten Umgebung trotzen. Der Wohnungsmarkt ist in Schieflage, die Mieten steigen, Menschen mit weniger Geld müssen weichen – in der „Neuerburg“ sitzen sechs Mitglieder einer Wohngemeinschaft, die nicht weichen wollen.
Alle sind zwischen 30 und 35 Jahre alt, berufstätig und „in Kalk verwurzelt“, wie sie sagen. Ihre gemütliche Wohnküche muss mittlerweile immer wieder mal als Veranstaltungsort herhalten, weil die Burgbewohner hier Interessierten ein besonderes Projekt vorstellen wollen. „Die Burgen denen, die drin wohnen“, haben sie kämpferisch auf ein Flugblatt geschrieben.
Kündigung wegen Eigenbedarf durch einen neuen Eigentümer droht
Was nach einer neuen Protestaktion gegen die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt klingt, ist tatsächlich eine hochseriöse Angelegenheit. Der Hausbesitzer will verkaufen; da droht den Bewohnern die Kündigung wegen Eigenbedarf durch einen neuen Eigentümer.
Deshalb wollen die Mieter selbst in die Kaufverhandlungen eintreten – als Miteigentümer einer zu gründenden Gesellschaft, die dann ihr neuer Vermieter werden soll. Die Bewohner kaufen und bleiben trotzdem Mieter. Wer aus der WG auszieht, ist ohne finanzielle Verpflichtungen raus. Ein neuer kann den Platz einnehmen – auch er zahlt nur die Miete, die möglichst nicht steigen soll.
Das klingt unwirklich und ziemlich kompliziert, was vor allem daran liegen dürfte, dass es so gar nicht zu dem passt, was man vom außer Rand und Band geratenen Immobiliengeschäft zu wissen weiß. Der 31-jährige Isteyn Hartbrich holt ein großes, selbst gemaltes Schaubild, um die Kooperation mit einem bundesweit tätigen, nicht kommerziellen Unternehmen – dem „Mietshäuser-Syndikat“ – zu erläutern.
Einfach zu erklären ist das Ganze wirklich nicht. Da müssen Firmen und Vereine gegründet, rechtliche Grundlagen der Finanz- und Immobilienwirtschaft erfasst werden. Und gut rechnen muss man auch noch können.
„Mietshäuser-Syndikat“ mit Sitz in Freiburg organisiert Selbstverwaltungsmodelle
Seit über fünfundzwanzig Jahren organisiert das „Mietshäuser-Syndikat“ mit Sitz in Freiburg Selbstverwaltungsmodelle, mit denen langfristig bezahlbarer Wohnraum gesichert wird, indem Mietshäuser dem spekulativen Wohnungsmarkt entzogen werden. Dazu gründet das nicht kommerziell arbeitende Unternehmen mit den Bewohnern einzelner Häuser gemeinsame Gesellschaften.
Das für eine GmbH nötig Stammkapital von 25.000 Euro wird zu gleichen Teilen eingebracht. Die Beteiligung des Syndikats sichert nicht nur eine Beratung und Förderung der Initiative, sondern auch die dauerhafte Zweckbindung des Hauses und die Garantie, dass die Miete niedrig bleibt.
Um eine Immobilie kaufen zu können, suchen die Nutzer private Unterstützer, die Darlehn geben. Sie hoffen darauf, dass sie ihnen mit günstigen Zinsforderungen entgegenkommen. Im Kalker Fall sollen die einzelnen Direktkredite nicht höher als 10 000 Euro sein, auch mit kleineren Summen ab 500 Euro kann man sich beteiligen. Auf diese Weise soll mindestens die Hälfte des Kaufpreises zusammen kommen; der Rest wird über einen üblichen Bankkredit finanziert. Mit der monatlichen Miete wird dann dieser Bankkredit getilgt, sowie die Zinsen aller Kredite gezahlt. Die Tilgung der Direktkredite erfolgt erst, wenn der Bankkredit abbezahlt ist.
Auf diese Weise werden bundesweit zur Zeit rund 140 Wohnprojekt organisiert, darunter seit über zehn Jahren eines in der Ehrenfelder Lessingstraße. Während im angesagten Stadtteil in den letzten Jahren die Preise explodierten, zahlen die Mieter dort 5,50 Euro pro Quadratmeter, zuzüglich 21 Cent Solidarbeitrag an das „Mietshäuser- Syndikat“. So günstig wird das Leben in dem ruhigen, 170 Quadratmeter großen Neubau mit kleinem Garten, Balkon und Dachterrasse im aufstrebenden Kalk nicht sein.
Informationen zum „Mietshäuser-Syndikat“
Das Ziel des 1992 in Freiburg gegründete Mietshäuser-Syndikats ist, zusammen mit Mietern Häusern zu erwerben, die dann selbstorganisiert und gemeinwirtschaftlich verwaltet werden. Ein „Solidarfonds“ speist sich aus den Mitgliedsbeiträgen der Initiativen.
Die Miete für das Haus und die Beiträge sollen zusammen aber nie mehr als 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete betragen. Aus dem Solidarfonds werden neue Initiativen unterstützt, Finanzierungslücken bei einzelnen Projekten geschlossen oder die Öffentlichkeitsarbeit bezahlt.
Wer sich über die Idee und das Kalker Projekt informieren möchte, kann das in der „Neuerburg“, Neuerburgstraße 4 am Sonntag, 5. Mai, um 18 Uhr sowie am Montag, 20. Mai, um 19 Uhr dort tun. Da die Kapazitäten begrenzt sind, soll man sich per Mail anmelden.
Das Ziel sei, die finanzielle Belastung für alle auf heutigem Niveau zu halten, sagt Hartbrich. „Wir wollen hier wohnen bleiben und gleichzeitig ein politisches Zeichen senden: Das Haus, in dem wir leben, soll dauerhaft für kollektives, bezahlbares Wohnen erhalten bleiben.“ Das eigene Interesse verbindet sich mit einem wirkungsvollen wohnungspolitischen Beitrag. „Die Mieten werden weiter steigen. Viele haben keine Chance, eine Sozialwohnung zu bekommen, weil es zu wenig gibt oder sie zu viel verdienen. Die Genossenschaften sind voll. Da ist es naheliegend, Alternativen aufzubauen“, sagt die 35-jährige Maren Krätzschmar.
Noch ist nichts in trockenen Tüchern
Das Haus selbst zu kaufen, sei für sie keine Option gewesen. Zu sechst Eigentümer zu werden, konnten sich die WG-Partner nicht vorstellen „Der Streit um Geld wäre absehbar gewesen“, so Christian Brosig. Das bekomme dann schnell eine „krasse Dynamik“. Sich in dieser Lebensphase „auf ewig“ an ein gemeinsames Eigentum zu binden, wäre zudem für die meisten nicht in Frage gekommen.
Noch ist nichts in trockenen Tüchern, die Verhandlungen mit dem Hauseigentümer laufen, die GmbH muss gegründet werden, mit dem Syndikat und den anderen Finanz-Partner müssen Verträge geschlossen werden. Die Vorbereitungen sind aufwendig. Und wenn alles klappt, wird auch die anschließende Selbstverwaltung viel Zeit und Nerven kosten.
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Die sechs Bewohner der „Neuerburg“ haben sechs Arbeitskreise gegründet, jeder arbeitet in mindestens zweien mit. Schließlich muss nicht nur ein Haus verwaltet, ein Bankkredit abbezahlt und GmbH-Bilanzen erstellt werden. Es werden auch Dutzende „Direktkredite“ in verschiedenen Höhen mit unterschiedlichen Konditionen und Laufzeiten von Unterstützern, Helfern und Anlegern bedient werden müssen. Der Aufwand dürfte ein Grund dafür sein, dass dieses Modell noch kein Massenphänomen ist.
„Selbstverwaltung ist arbeitsintensiv“, so Julia Brychcy. Ein Grund, warum es in Köln und in NRW bislang nur wenige Syndikat-Projekte gibt, sei auch, dass es immer schwerer werde, an Immobilien für Wohnprojekte zu kommen. Außerdem wüssten zu wenige von dieser Möglichkeit. Die allgemeine Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt dürfte aber das Interesse an der Idee wachsen lassen, sind sich die Burgbewohner sicher.