Kalk – Entsetzte Kommentare begleiten die Ankündigung auf der Facebook-Seite der Bäckerei Schlechtrimen: „Wieder ein Traditionsfamilienbetrieb, der schließen muss. Ich mag mir nicht vorstellen, was in Ihre Räume demnächst hinein kommt“, schreibt eine Kundin.

Auf Facebook hatte Inhaber Engelbert Schlechtrimen vor wenigen Tagen erklärt: „Verschiedene, sich gegenseitig verstärkende Krisen machen es nötig, kurzfristig die endgültige Betriebsaufgabe zu erklären. Mir und auch vielen der 40 meist langjährig Beschäftigten fällt dieser Abschied sehr schwer.“

Bäckerei mit Tradition

Eröffnet wurde die Bäckerei im Jahre 1932 in Mülheim vom Großvater des jetzigen Inhabers. Der Umzug an die Kalker Hauptstraße, ins Gebäude mit der heutigen Hausnummer 210, erfolgte 1946, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. 1965 übernahm der Sohn des Gründers den Betrieb. Er trug, wie sein Vater und sein eigener Sohn, den Vornamen Engelbert – schon darin zeigt sich die Traditionsverbundenheit des Unternehmens. Der Bäcker und Konditormeister vergrößerte es 1971 um Konditorei und Café.

Seit beinahe 70 Jahren also gehört das Unternehmen zum Kalker Stadtbild und ist ein Markenzeichen der Geschäftsmeile, dem viele Kalker auch emotional tief verbunden sind. „Ich habe immer gerne bei Ihnen eingekauft, weil es bei Ihnen noch Qualität gibt. Und Ihr Kuchen, Brot, Brötchen, Teilchen richtig klasse schmecken“, lautet ein weiterer Eintrag im Internet.

Zu hohe Energiepreise

Der Inhaber in dritter Generation führt mehrere konkrete Gründe für die Schließung an. An erster Stelle steht der allgemeine Preisanstieg. So hätten sich die Rohstoff-Preise, schreibt Engelbert Schlechtrimen, seit Anfang des Jahres um rund 45 Prozent erhöht, bei den Preisen für die Energie sei beinahe eine Verdoppelung zu verzeichnen. Für das kommende Jahr müsse man gar mit einer Vervierfachung rechnen.

Dies sei nicht über höhere Preise auszugleichen, da sich die Kunden wohl aufgrund des Krieges, aber auch der Hitze derzeit zurückhielten. Außerdem könnten Bäckerei und Konditorei schon seit einiger Zeit nicht mehr ihre volle Angebotspalette präsentieren, weil schlicht das Personal fehle: „Überall sind Mitarbeiter seit Wochen am Limit. Ein geordneter Betrieb kann kaum noch aufrechterhalten werden. Krankheit und Urlaub zugleich können kaum noch ausgeglichen werden.“

Keine Besserung in Sicht

Gegen eine Überlastung der Mitarbeiter aber sperrt sich Schlechtrimen ebenso wie gegen eine Kostenersparnis durch Verminderung der Qualität – etwa über einen möglichen Ersatz der Butter durch Margarine oder eine Verkleinerung der Teilchen.

Auch für die nächsten Jahre sei keine Besserung in Sicht: Die durch die allgemeinen Kostensteigerungen ausgelöste Inflation werde so schnell nicht absinken. „Kunden mit begrenztem Einkommen sind deswegen gezwungen, extrem zu sparen und sich im Discount zu orientieren, möglicherweise über Jahre hinweg“, schreibt Engelbert Schlechtrimen.

Einen Seitenhieb auf die aktuellen Diskussionen über die Umgestaltung der Kalker Hauptstraße mag er sich nicht verkneifen: „Als jüngste Erschwernis betreibt die Stadt die Umwandlung der Kalker Hauptstraße in eine Einbahnstraße. Damit werden Kaufkraftströme und bitter nötiger Umsatz abgeschnitten.“ Er schließt enttäuscht über die Entwicklung: „Der richtige Zeitpunkt den Betrieb zu beenden und eine Insolvenz zu vermeiden ist – so schwer es uns allen fällt, spätestens jetzt.“