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Lieteraturfestival in Köln-KalkProsa zum Weinen und zum Lachen

Lesezeit 4 Minuten

Kids des Comic-Workshop mit  Jacquie Mundri (l.) und Philipp Bo Franke (r.).

Köln-Kalk – Die Ruhe liegt in einem Tresor in der Bank. Einbrecher versuchen, die Ruhe zu stehlen, denn sie ist offensichtlich wertvoll. „Sie verkaufen die Ruhe an Menschen, die keine Ruhe haben“, erzählt Ben. „Bezahlen kann man sie mit Stress.“ Eine surreale aber auch erstaunlich reife Geschichte ist im Comic-Workshop des dritten Europäischen Literaturfestivals Kalk (Elk3) entstanden. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Teilnehmer am einwöchigen Workshop, der in den Sommerferien stattfand, erst zwischen acht und zehn Jahren alt sind.

Immerhin vier der sieben jungen Teilnehmer haben sich auf das Podium gewagt, um die Ergebnisse am zweiten Tag des Festivals rund 40 Besuchern auf dem Ottmar-Pohl-Platz vorzustellen. „Wir haben mit den Kindern über ihren Alltag, ihre Sorgen und Wünsche gesprochen“, erklärt Comic-Künstlerin Jacquie Mundri. Dabei ging es nicht immer superernst zu, wie schon die Überschrift der Präsentation verrät: „Warum es okay ist, ein Toastbrot als Kopf zu haben“.

Die sei entstanden, als alle gemeinsam ein Bild malten und schließlich ein Dinosaurier mit einem Toastbrot als Kopf herauskam. Die beeindruckende „Ruhe-Geschichte“ aber, verrät Autor Philipp Bo Franke, sei das Ergebnis eines Gesprächs mit dem zehnjährigen Ben gewesen: „Er hatte die Grundidee mit dem Tresor. Ich habe immer weiter gefragt: Weshalb das so ist, was weiter passiert? Dann habe ich nur seine Antworten mitgeschrieben.“ Der ständige Zeitdruck nerve eben schon die Kinder.

Franke ist Mitarbeiter von KLiteratur, einer Kölner Literaturzeitschrift, die das Festival wieder zusammen mit dem Verlag Parasitenpresse, dem Verein Kunts zur Förderung von Kunst und Kultur auf der Schäl Sick und dem Integrationshaus veranstaltet. Statt der acht internationalen Autoren, die in den vergangenen Jahren dabei waren, seien diesmal nur sechs eingeladen worden: „Dafür haben wir aber Übersetzungsworkshops im Programm und drei unabhängige Literaturzeitschriften können sich vorstellen“, erzählt Adrian Kasnitz, Begründer der Parasitenpresse. „Außerdem gibt es Konzerte, die zum Teil in der Pflanzstelle nebenan stattfinden. Das Festival ist eher größer geworden.“

Schon beim Eröffnungsabend unter der Überschrift „Wir trafen uns auf Deutsch, um über das Arabische zu sprechen, das sich nach dem Hebräischen sehnt“ stellten sich die sechs Autorinnen und Autoren aus Portugal, Syrien, Spanien, Israel und Duisburg vor, von denen drei in Deutschland leben. Die Gedichte und Prosa-Texte werden – wie stets beim ELK – vom Autor im Original und anschließend in deutscher Übersetzung gelesen. „Andreea Simionel kann wegen eines positiven Corona-Tests am Flughafen leider nicht aus Italien anreisen“, erklärt Jonas Linnebank von Kunts den einzigen Ausfall.

Er hat ihre vergnüglichen Prosa-Texte auch übersetzt und liest sie auf Deutsch vor, während Rob Madic die Originale vorträgt. Da geht es unter anderem um einen Hund, dem Kinder die Zähne putzen, weil der Vater nicht riechen soll, dass er Thunfisch genascht hat.

Satirisches Gedicht

Von anderem Kaliber sind die Gedichte des Israelis Mati Shemoelof: „Nenn mir den Satan, der Fassbomben auf die Köpfe kleiner Kinder wirft“, beginnt das Gedicht „Aleppo“. Shemoelof lebt mittlerweile in Berlin, ist mit einer Deutschen verheiratet und dichtet weiter auf Hebräisch. Im Gespräch mit Alexander Estis bekennt er seine Probleme mit dem Wohnort: „Ich kann doch nicht vergessen, dass die Nazis Schuhe aus unseren Thora-Rollen gemacht haben.“ Was aber nicht bedeutet, dass ihm Humor völlig fremd geworden wäre: „Ziehst du hochzeitsanzug an und gehst du tempel ausländerbehörde, kommst an öde ubhan station und immer mehr du hast angst: götter von ausländerbehörde werden urteilen – wie kannst du wagen, von die ruhe zu stören“, hebt ein satirisches Gedicht an, dessen Sprache die radebrechende Sprache eines Flüchtlings imitiert.

Mati Shemoelof rezitiert es unter dem Gelächter der Anwesenden stehend mit Blick auf das Kölner Ausländeramt, dessen Rückseite auf den Ottmar-Pohl-Platz weist. Auch Alexander Estis liest aus eigenen Texten. Als Kalker Veedelsschreiber hat er schließlich in den letzten Monaten so einiges gesammelt: „Früher hieß es: Jehst du nach Kalk, verjiß datt Metz nich“ lautet der Titel seiner Auswahl.