Nach Unfall im Höhenbergbad in KölnEltern haben im Schwimmbad oft weder Kind noch Gefahr im Blick

Das 1,20 Meter tiefe Becken (vorn) im Höhenbergbad
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Köln – Als sie ihre fünf Jahre alte Schwester auf dem Grund des Nichtschwimmerbeckens sah, seien die Schreie der Zwölfjährigen durchs ganze Schwimmbad gehallt, erzählt Ismail M., Stammgast im Höhenbergbad. Er war am Sonntag da, als die Fünfjährige beinahe im 1,20 Meter tiefen Nichtschwimmerbecken ertrunken wäre. Ihr Vater hatte sie nach Darstellung der Köln-Bäder GmbH mit ihrer zwölfjährigen Schwester alleine gelassen. „Ein Bad-Mitarbeiter und ein weiterer Mann zogen das Kind raus“, schildert Ismail M. „Nach ein paar Minuten klappte die Wiederbelebung. Viele Leute guckten zu, meine Frau war so fertig, dass sie weinen musste.“
Unfall sorgt für Betroffenheit, aber auch Wut
Die Fünfjährige hat überlebt. Doch der Unfall am Sonntag sorgt bei den Köln-Bäder-Mitarbeitern für Betroffenheit, aber auch für Wut – etwa über Gaffer, die die Wiederbelebung des Mädchens mit ihren Handys filmten. Marc Riemann, der Leiter des Betriebsmanagements der Köln-Bäder, forderte am Dienstag eine gesetzliche Pflicht, dass Kinder unter sieben Jahren, die noch nicht schwimmen können, in Bädern Schwimmhilfen tragen müssen. „Das ist kein Höhenberger Problem und kein Kölner Problem. In Deutschland wird so viel reguliert mit weitaus weniger Gefährdungspotenzial. Warum das nicht? Diese Vorfälle machen auch unseren Mitarbeitern schwer zu schaffen.“
Überwiegend an Wochenenden und Feiertagen, aber auch an warmen Wochentagen, muss Maja Krause im Agrippabad vier- bis fünfmal pro Tag Kindern in Gefahr zur Hilfe kommen. Seit 23 Jahren ist sie als Schwimmmeistergehilfin auch in der Beckenaufsicht tätig – überwiegend im Agrippabad in der Innenstadt. Was sie dabei erlebt, erschreckt die 40-Jährige trotz so langer Berufserfahrung noch immer.
Eltern seien „ganz oft sehr unaufmerksam“, so Krause. Ganz unabhängig von Herkunft oder Bildungsstand, „vom Arbeiter bis zum Arzt“ gaben sie die Verantwortung für ihre Kinder an Bad-Mitarbeiter oder nicht viel ältere Geschwister ab. „Die gehen ins Solebecken und lassen die Kinder alleine im Planschbecken zurück, weil sie denken, dass ist gar nicht so tief.“ Dabei könnten Kleinkinder dort genauso ertrinken. „Die kippen nach vorne, verlieren ihre Schwimmflügel oder rutschen aus und verletzen sich.“ Derweil stünden die Eltern oft im Außenbereich, rauchend und mit ihrem Handy spielend. „Da bin ich erstmal sprachlos.“ Aber auch Eltern, die verantwortungsbewusst in der Nähe blieben, würden oft böse überrascht, wie schnell so ein Unglück geschehen kann.
„Noch am Sonntag habe ich ein zweijähriges Kind aus dem Wasser geholt“, erinnert sich die Schwimmmeistergehilfin. Das habe zunächst ganz friedlich am Beckenrand gesessen, als sich nach dem Betrieb des Wellenballs das Becken wieder mit Wasser füllte. „Das waren nur Sekunden, da sah ich, dass der Kleine nicht mehr da ist.“ Der Vater habe zwar dabei gestanden. Doch als dieser den Untergang bemerkte, „war ich schon drin“. Manche Eltern reagieren aggressiv, wenn sie sie an ihre Aufsichtspflicht erinnert werden. „Sie sagen genervt, das gehe uns nichts an und drohen mit Beschwerden.“ Einige seien bereits des Bades verwiesen worden.
Natürlich hätten sie und ihre Kollegen nicht immer alles im Blick, sagt Krause. „Wir sind auch nur Menschen.“ Doch jeder wisse, wann er wo zu stehen und was er zu tun habe. Sie hätten einen geschulten Blick für Kinder und Erwachsene, die sich sicher fühlten, aber tatsächlich unsicher sind. „Viele überschätzen sich.“ Dann reiche ein Blick von Kollege zu Kollege – „und einer springt.“ Aber auch Besucher werden zu Lebensrettern: Daniela Zito, selbst zweifache Mutter, hat ein Vorschulkind geborgen. „Der war als Nichtschwimmer ins Schwimmerbecken gesprungen. Seine Eltern fanden wir erst, als er schon wieder an Land war.“ Sportschwimmer Ali Basar würde sich ebenfalls „nicht auf den Bademeister verlassen“. Besondere Gefahren sieht der 44-Jährige in Freibädern. „Da springen sogar Erwachsene vom Beckenrand auf andere drauf.“