Odysseum in Köln-KalkHarry-Potter-Ausstellung eröffnet

Die Harry-Potter-Ausstellung macht Station in Köln. Rund 400 Requisiten aus den Filmen sind zu sehen, viele verschlossen hinter Glas.
Copyright: michael bause Lizenz
Kalk – Die Alraune kreischt und kein Ohrenschützer in Sicht. Bestenfalls kann man sich einen Audioguide an die Muschel halten, falls man zuvor die fünf Extra-Euro für diesen berappt hat. Oder die magische Pflanze einfach wieder zurück in ihren Topf fallen lassen. Doch so durchdringend ist ihr Schrei zum Glück nicht, sie ist ja noch jung, und sieht sie nicht auch ein wenig aus wie ein verstopftes Baby?
Immerhin darf man hier, in Madam Sprouts Gewächshaus der Hexen- und Zaubererschule Hogwarts, endlich mal etwas anfassen. Denn für die meisten Artefakte, die es in „Harry Potter – The Exhibition“ zu sehen gibt, gilt: Anfassen ist nicht. Das versteht sich allerdings fast von selbst. Schließlich handelt es sich in den allermeisten Fällen um Original-Kostüme und -Requisiten aus den obszön erfolgreichen Verfilmungen der J.K. Rowling-Bücher, und die leuchten dem Betrachter inzwischen mit der Numinosität alter Meisterwerke heim.
Freilich, diese Ausstellung gleicht eher einem Wanderzirkus, der seit seiner Premiere 2009 in Chicago unter anderem schon in New York, Singapur und Tokyo gastierte. Das Kölner Odysseum ist die einzige deutsche Station. Um die Presseinformationen zu zitieren: Die von Warner Bros. produzierte Reihe ist die Lizenz mit dem größten Umsatz der Filmgeschichte. Und der kommt eben nicht von Zauberhand, sondern auch durch schwarzmagische Eintrittspreise von 29,95 Euro für Erwachsene und 23,95 Euro für Kinder und Jugendliche zustande.
Andererseits bedeuten die rund eine halbe Milliarde weltweit verkaufter Harry-Potter-Bücher auch, dass sich eine solche Ausstellung nicht dem kleinstmöglichen Nenner andienen muss. Die Potter-Fans sind Legion und wissen entsprechend jedes in stimmungsvollem Licht präsentierte Stück zu schätzen, von Alastor Moodys Flachmann bis zu Rita Kimmkorns giftgrüner Flotte-Schreibe-Feder, von Harrys „Nimbus 2000“ und seiner „Karte des Rumtreibers“ bis zur Sammlung von Lord Voldemorts Horkruxen. Und wenn sie nicht wissen, was diese Dinge bedeuten, gehören sie einer schwindenden Minderheit an, ein hoffnungsloser Muggel.
In Harry Potters Welt transportiert
Die Verfilmungen hatten oft ihre liebe Mühe, Rowlings detailreich ausgeklügelte Romane in ihrer begrenzten Laufzeit adäquat abzubilden. Doch in zwei Bereichen gelang ihnen einfach alles, im Casting der Hauptdarsteller und im Design der Sets, der magischen Gegenstände, all der Zaubererumhänge und Hexenhüte und Quidditch-Ausrüstungen.
Sieht man sie hier, an einem Ort versammelt, schummrig angestrahlt, mit einem kleinen Windhauch zum Leben gebracht, fühlt man sich wirklich in Harry Potters Welt transportiert, beziehungsweise appariert, um im Jargon der Bücher zu bleiben.
Zu Anfang der Ausstellung können sich die Besucher vom Sprechenden Hut einem der vier Häuser von Hogwarts zuteilen lassen. Anders als in der Vorlage erfüllt der Hut auch Wünsche, damit der teure Spaß für jüngere Gäste nicht mit einer Enttäuschung beginnt. Die Wahl hat sowieso keine Konsequenzen. Hat man einmal den dampfenden Hogwarts-Express passiert, hängt die Frage, welche Stücke wie stark zu wem sprechen, vor allem mit den eigenen Lektüreerfahrungen zusammen.
Sieg über den schnöden Alltag
Diesem Schreiber etwa überkommt ein eiskalter Schauer beim Anblick von Dolores Umbridges – einer piepsstimmigen Intrigantin aus dem Zaubereiministerium – rosafarbenen Stoffkostüm, ausgestellt vor einer Wand drapierten Samtvorhängen und Porzellantellern, die süße Kätzchen zeigen, ebenfalls in Rosatönen. Andere mögen vor dem Seelen aussaugendem Schreckwesen eines Dementoren zurückweichen, der hier von der Decke baumelt, oder vor Lord Voldemorts lindgrüner Kutte, aus deren Falten eine Schlange hervorlugt. Oder vor der Zauberstab-Kollektion von „Dumbledores Armee“, die man im Geschenke-Shop für 190 Euro erwerben kann.
Man kann ein Phänomen wie Harry Potter schwerlich auf einen, alles entscheidenden Faktor reduzieren. Aber die Beschreibungsdichte, mit der Rowling ihre surreale Welt zwischen Nähte der Wirklichkeit fädelt, gehört mit Sicherheit dazu. Wenn sich die von ihr erdachten Objekte erst als Film-Fälschungen in die Welt der Dinge einordnen, um hier nahezu als Reliquien präsentiert zu werden, dann hat die zauberische Welt einen Sieg über den schnöden Alltag errungen.
Dann lässt sich die Aura des Kunstwerks, Walter Benjamin zum Trotz, technisch reproduzieren und kommerziell ausschlachten und steht dennoch unbeschadet vorm Betrachter, hell glänzend und schwer zu fassen wie der goldene Schnatz.