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Denkmal des MonatsEhemalige Luftnachrichtenzentrale in Ostheim ist eine von Kölns wenigen NS-Bauten

Lesezeit 5 Minuten
30.03.2023, Köln: Das heute leerstehende Haus 30 des Krankenhauses Merheim war einst die Luftnachrichtenzentrale des Fliegerhorstes Ostheim. Es gilt als Baudenkmal. Foto: Uwe Weiser

Das heute leerstehende Haus 30 des Krankenhauses Merheim war einst die Luftnachrichtenzentrale des Fliegerhorstes Ostheim. Es gilt als Baudenkmal.

Der alte Fliegerhorst war in den Jahren 1936 und 1937 nach Beschluss im Berliner Reichsluftfahrtministerium errichtet worden.

Mit ausladenden Gesten weist Alexander Hess die Gruppe seiner Gäste am Donnerstagnachmittag auf die rund 80 Meter lange Fassade der ehemaligen Luftnachrichtenzentrale des früheren Fliegerhorstes Ostheim an der Ostmehreimer Straße 210 hin. Der stellvertretende Vorsitzende im Regionalverband Köln des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz präsentiert in Merheim das „Denkmal des Monats“ im März.

Nur wenige NS-Bauten auf Kölner Stadtgebiet

Der Diplom-Geograf leitet den gleichnamigen Arbeitskreis des Vereins Regionalverband und betont, dass das Gebäude mit zwei Geschossen „nicht nur aus architektonischer Sicht eine Besonderheit“ darstelle. Bereit seit einiger Zeit wird über Erhalt oder Abriss des Komplexes aus der Zeit des Nationalsozialismus auf dem Gelände des Klinikums Merheim zugunsten eines möglichen Grundschulneubaus diskutiert. Hess zufolge ist im Rahmen der Debatte zu wenig thematisiert worden, dass es sich dabei um einen der wenigen ausgeführten Staatsbauten der NS-Zeit im Kölner Stadtgebiet handele, der mit Ausnahme der Haupteingangstüren vollständig erhalten sei und „eine Fülle an bislang nicht gewürdigten architektonischen Details“ aufweise.

Der alte Fliegerhorst Ostheim war in den Jahren 1936 und 1937 nach Beschluss im Berliner Reichsluftfahrtministerium errichtet worden und bestand aus einer fast kreisrunden Landebahn und den sich nördlich und westlich darum gruppierenden Gebäuden des Flugbetriebes und der Luftwaffenkaserne. „Die Entscheidung fiel damals gegen den möglichen Standort in Rodenkirchen aus, der zuvor ebenfalls im Gespräch war, jedoch weniger geeignet schien“, erläutert Hess vor Ort.

Stahlbetondecken sollten bis zu 100 Kilogramm schweren Bomben standhalten

Die Anlage sei bis heute von den verputzten Bauten mit Walmdächern und betonten Eingangsbereiche in Werkstein geprägt. Mit Ausnahme der nach dem Zweiten Weltkrieg entfernten Parteisymbole im Innen- und Außenbereich, würden sich die Kölner Bauten in der Gestaltung nicht gravierend von zeitgleich errichteten Bauten in anderen europäischen Ländern unterscheiden, so der Experte.

30.03.2023, Köln: Das heute leerstehende Haus 30 des Krankenhauses Merheim war einst die Luftnachrichtenzentrale des Fliegerhorstes Ostheim. Es gilt als Baudenkmal. Foto: Uwe Weiser

Teile des Gebäudes.

Die meisten Obergeschosse der Gebäude seien aus Sicherheitsgründen mit massiven, nach außen abfallenden Stahlbetondecken überdacht worden, beschreibt Hess seinem Publikum. „Diese sogenannten Sargdeckel sollten bis zu 100 Kilogramm schweren Bomben standhalten“, sagt er. Die im Westen des Komplexes gelegene Luftnachrichtenzentrale war demnach Bestandteil der Flugabwehr gewesen und habe dem Sammeln von Informationen des alliierten Flugverkehrs im Anflug auf das Rheinland sowie deren Auswertung und Weiterleitung nach Berlin gedient.

Gebäude wirkt eher zivil als militärisch

„Drei Bauflügel erzeugen eine Hammer-Form der Anlage mit angeschlossener Grünanlage, sechs unterschiedlich architektonisch betonte Eingangsbereiche und zurückgesetzte, hohe rechteckige Sprossenfenster im Stil der 1930er-Jahre prägen mit leicht vorstehenden Basaltsteinsohlbänken die insgesamt zehn weiß verputzten Fassadenbereiche“, beschreibt Alexander Hess weiter. Weit vorkragende Walmdächer mit Ein- und Zweifenster-Dachgauben schließen das Objekt nach oben ab.

„Die für militärische Bauten dieser Zeit typischen langen Gebäudezeilen und Fenstergrößen stehen im Kontrast zu der an Siedlungen der Heimatschutzarchitektur erinnernden Bauweise“, führt der Fachmann weiter aus. Alles in allem weisen die Gebäude dadurch weniger den sonst häufig bei Bauwerken des Nazi-Regimes zu findenden wuchtigen und dominant wirkenden Charakter auf. Auch die zu den beiden Haupteingängen an der Ostmerheimer Straß führenden gepflasterten Wege und kleine Werksteinmauern und Treppen lassen das Areal eher zivil denn militärisch erscheinen – was den Vermutungen der Anwesenden nach auch mit dem Wunsch nach geringer Auffälligkeit und Geheimhaltung der Militärführung zusammenhängen könnte.

30.03.2023, Köln: Das heute leerstehende Haus 30 des Krankenhauses Merheim war einst die Luftnachrichtenzentrale des Fliegerhorstes Ostheim. Es gilt als Baudenkmal. Foto: Uwe Weiser

Von außen ist die ehemalige Luftnachrichtenzentrale unscheinbar.

An der Westseite des Komplexes erhebt sich ein knapp 20 Meter hoher quadratischer Turm mit Basaltabschluss und Flachdach mit leichter Brüstung über dem Mittelrisalit. „Er diente vermutlich während es des Zweiten Weltkrieges als Beobachtungsturm“, schätzt Hess. Konkrete Baupläne oder Unterlagen in Archiven habe er bei den Recherchen dazu nicht finden können. „Alle Informationen stammen von Zeitzeugen und nicht offiziellen Berichten“, sagt er. Die Fenster sind zum Teil noch immer durch die originalen, diagonal gekreuzten Metallgitter verschlossen.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Häuser, die sich heute im Besitz der Stadt Köln befinden, zunächst größtenteils von der Firma Madaus und dem Merheimer Klinikum genutzt und durch Neubauten im ähnlichen Baustil ergänzt worden. Der wuchtige Turm erinnere ihn an kubische Bauten der Neuen Sachlichkeit, so Hess, und stelle damit einen Kontrast zu dem übrigen Baukörper dar. Jeweils drei ähnliche getreppte Konsolsteine mit vertikaler Vertiefung an den fensterlosen Nord- und Südseiten des oberen Turmgeschosses - Alexander Hess zufolge möglicherweise Wasserspeier - komplettieren seiner Meinung nach „den expressionistisch wirkenden Bauschmuck“.

Rheinischer Verein plädiert für Schutz des Gebäudes

Der Rundgang um die das Gebäude führt noch vorbei an mehreren markanten Stellen, darunter Lichtschächten für die Kellerfenster und Treppen zum Kellergeschoss. „Es ist unklar, ob sich hinter den provisorisch verkleideten Türen noch die originalen Türen und Beschläge befinden“, schließt Hess seinen Vortrag ab. Der Rheinische Verein möchten mit der Wahl des Gebäudes zum Monatsdenkmal auf die architektonischen Qualitäten des Bauwerks aufmerksam machen, wie er betont.

30.03.2023, Köln: Das heute leerstehende Haus 30 des Krankenhauses Merheim war einst die Luftnachrichtenzentrale des Fliegerhorstes Ostheim. Es gilt als Baudenkmal. Foto: Uwe Weiser

Heute steht das Haus leer.

Dass es angesichts von Wohnungsnot und der guten Grundsubstanz des Bauwerks, das seit 2015 leer steht, zahlreiche und geeignete Nutzungsmöglichkeiten gäbe, ist dem Experten und allen Anwesenden vor Ort bewusst. Ein Erhalt würde außerdem die Kosten gegenüber eines Neubaus deutlich reduzieren. „Wir plädieren darum gegen einen Abriss“, so Alexander Hess, „sondern für die Unterschutzstellung des Gebäudes, beziehungsweise für dessen Erhaltung und Nutzung, durchaus denkbar etwa auch zu Schulzwecken.“

Weitere Informationen zur Reihe „Denkmal des Monats“ sowie der Arbeit des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz sind im Internet zu finden.