Polizei erschießt MieterWie eine Zwangsräumung in Köln-Ostheim eskalierte
Es waren wohl nicht mehr als ein paar Sekunden, die eine Zwangsräumung in Köln-Ostheim eskalieren ließen. Sekunden, an deren Ende Louzef B. in seiner eigenen Wohnung von der Polizei erschossen wurde – und die nun viele Fragen aufwerfen. Die Kriminalermittler der Polizei Bonn, die aus Neutralitätsgründen ermittelt, müssen nun versuchen, diese Fragen aufzuklären und zu rekonstruieren, was an jenem Mittwochmorgen in einem Wohnblock in der Gernsheimer Straße passierte.
Die letzten Momente im Leben von Louzef B. begannen gegen 8 Uhr in der Früh, als zwei zivile Polizisten an seiner Tür klingelten. Während die Gerichtsvollzieherin mit etwas Abstand wartete, gingen die beiden Beamten zu der Wohnung im vierten Stock, die B. offenbar trotz Kündigung und mehrmaliger Aufforderung nicht räumen wollte. Der Mieter galt schon im Vorhinein als gefährlich und aggressiv, war seit längerem polizei- und gerichtsbekannt. Die Zwangsräumung sollte daher unter Aufsicht der Polizei stattfinden.
Pfefferspray hielt B. nicht ab
Kurz nachdem B. den Beamten die Tür öffnete, eskalierte die Situation. Der 48-Jährige soll nach einem Messer gegriffen und die Polizisten damit bedroht und angegriffen haben. Weder in der engen Wohnung, noch in dem ebenfalls kleinen Vorraum zum Treppenhaus hatten die Beamten genug Platz, um Abstand zu dem Mieter zu halten. Die Polizisten setzten daraufhin Pfefferspray ein, das üblicherweise beim Angreifer so starke Schmerzen in den Schleimhäuten – insbesondere den Augen – erzeugt, dass dieser handlungsunfähig wird. Nicht so bei B., der dessen ungeachtet die Beamten weiter angegriffen haben soll. Die Polizisten sollen dann angedroht haben, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen und als auch diese Maßnahme ohne Wirkung blieb, mindestens einen Schuss abgegeben haben, der B. noch in seiner Wohnung tötete.
Die genauen Umstände des tödlichen Schusses stehen nun im Mittelpunkt der in Bonn geführten Ermittlungen. Zu klären ist unter anderem, ob einer der Beamten oder beide schossen, wie viele Schüsse insgesamt abgegeben wurden und wie viele davon den Mieter trafen. Ferner gilt es herauszufinden, ob ein tödlicher Schuss tatsächlich das einzige noch zur Verfügung stehende Mittel der Beamten war, oder ob diese noch eine andere Möglichkeit gehabt hätten, den Angreifer zu stoppen. In jedem Fall werden die Bonner Ermittler aber wohl berücksichtigen, dass sich die Situation innerhalb kürzester Zeit abspielte.
B. galt als unliebsamer Nachbar
Kritiker brachten kurz nach der Tat im Netz die Frage auf, warum die Polizisten nicht zu dem sogenannten „Taser“ griffen, also einer neuen Waffe, die Aggressoren auf längere Distanz mittels Elektroschock außer Gefecht setzt. Die Wache in Kalk ist eine von zweien in Köln, deren uniformierte Streifenbeamte mit diesen Geräten ausgestattet wurden. Im Laufe der Ermittlungen soll sich nun herausstellen, ob auch die beiden an dem Einsatz beteiligten, zivilen Beamten solche „Taser“ bei sich trugen und ob die bei der Enge der Wohnung tatsächlich geeignet gewesen wäre, um B. außer Gefecht zu setzen, ohne ihn zu töten.
Am Mittwochmittag sicherte der Erkennungsdienst noch Spuren in der Wohnung des 48-Jährigen. Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens brachten den Leichnam in die Rechtsmedizin, wo er obduziert werden sollte. Andere Bewohner des Hochhauses in der Ostheimer Wohnsiedlung beschreiben B. als eher unfreundlichen und unliebsamen Nachbarn. Regelmäßig habe er zuletzt randaliert, auch nachts betrunken vor der Tür gestanden und geschrien, als er wegen einer verlegten Schlüsselkarte nicht hereinkam. „Eigentlich sind hier alle freundlich, nur er war leider jemand, mit dem man lieber nichts zu tun haben wollte“, sagt ein Nachbar. Mehrmals soll B. Wasserschäden in seinem Appartement verursacht haben und damit die unter ihm wohnenden Nachbarn und die Wohnungsgesellschaft verärgert haben, die ihm schließlich die Kündigung aussprach. Auf seinem Balkon weht neben einer deutschen auch eine sowjetische Fahne. B. wurde in Russland geboren.
Schon in den letzten Wochen soll der arbeitslose B. die Kontrolle über sein Leben verloren haben. Zuletzt wurde er im Juni 2022 beim Amtsgericht angeklagt. B. soll Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet haben, nachdem er seinen Suizid angekündigt und die ihm zu Hilfe eilenden Polizisten getreten haben soll. Außerdem soll er zuletzt immer häufiger Alkohol getrunken und Drogen genommen haben, berichten Nachbarn. Dass B. am Mittwoch das Pfefferspray nicht beeindruckte, könnte dafür sprechen, dass er auch da nicht mehr Herr seiner Sinne war. Ob er die anschließenden Schüsse in seinem Zustand und mit seinem Verhalten womöglich sogar herbeiführen wollte, soll noch geklärt werden. Die Beamten jedenfalls verbleiben im Dienst. Für eine Suspendierung gebe es keinen Grund, hieß es aus dem Präsidium.