AboAbonnieren

Wegen Nazi-VergangenheitKölner Politiker diskutieren Straßen-Umbenennung

Lesezeit 4 Minuten

Das Straßenschild der Heinrich-Lersch-Straße in Neubrück.

Neubrück – Die Entscheidung über einen gemeinsamen Antrag von SPD und Linken, die Heinrich-Lersch-Straße in Neubrück wegen der Nazi-Vergangenheit des Schriftstellers umzubenennen, hatten Kalks Bezirksvertreter einige Monate vor sich hergeschoben. Schließlich bestand noch interner Diskussionsbedarf. Jetzt wurde der Antrag in leicht abgeschwächter Form mehrheitlich beschlossen.

Die Verwaltung soll klären, ob die im Juli 1967 eingeweihte Straße entsprechend den „Richtlinien des Rates für die Neu- und Umbenennung von Straßen und Plätzen“ vom August 1999 umbenannt werden kann, „falls Recherchen der Verwaltung ergeben, dass bei Heinrich Lersch Aspekte im Geschichtsbild festgestellt werden, die heute eine Benennung verhindert hätten“.

„Er war aber auch überzeugter Nazi“

Der Ball liegt nun also bei der Stadt. Dabei war die Sachlage für SPD und Die Linken längst klar. „Den Lersch hat man uns immer als katholischen Arbeiterschriftsteller angegeben. Er war aber auch überzeugter Nazi und NSDAP-Mitglied“, sagt Heinz Peter Fischer, der Fraktionsvorsitzende der Linken.

Er ist sich mit seinem Kollegen Markus Klein von der SPD einig: „Es ist politischer und gesellschaftlicher Konsens, dass eine Straßenbenennung nach Nazis und ihren Anhängern abgelehnt wird.“

Inzwischen sind sich Historiker über die Nazi-Vergangenheit Lerschs einig. 1889 in Mönchengladbach als Sohn eines Kesselschmieds geboren und 1936 in Remagen gestorben, galt der Schriftsteller Lersch zunächst als Vertreter eines katholisch geprägten Expressionismus.

Im August 1935 wurde er Mitglied in der NSDAP

Im Mai 1933, zu Beginn des Nationalsozialismus, wurde Lersch in die Preußische Akademie der Künste berufen und gehörte im Oktober 1933 zu den 88 deutschen Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten.

Lersch schrieb einige seiner alten Gedichte und Lieder in linientreue Texte um und hielt mehrfach Vorträge bei der Hitler-Jugend. Im August 1935 wurde er Mitglied in der NSDAP, wollte auch in die SS eintreten und erhielt im selben Jahr den mit 200 Reichsmark dotierten Rheinischen Literaturpreis.

Bei Bürgern in Neubrück und vor allem bei Anwohnern der Heinrich-Lersch-Straße sorgt der Beschluss der Kommunalpolitiker sowohl für Verständnis als auch für Unmut. Ein Gegner der möglichen Umbenennung ist der CDU-Stadtrat Stephan Pohl, der auch dort wohnt. So kritisiert Pohl die „zu kurze Anhörungsfrist der Anwohner, die bereits kurz nach dem Ende der Sommerferien am 31. August zu Ende gehen soll“.

Seinen Beobachtungen nach hätten viele Anwohner diese Gelegenheit zur Anhörung, wegen der Ferien, noch gar nicht wahrgenommen und würden möglicherweise keine Stellungnahme abgeben. Daher fordert er das zuständige städtische Liegenschaftsamt auf, die Frist wenigstens bis zum 15. September zu verlängern.

Lersch starb bereits im Jahre 1936

Darüber hinaus hält Pohl von der Straßenumbenennung „rein gar nichts“ und sie „für überflüssig“ sowie „nicht schlüssig begründet“. Denn auch Schriftsteller Leo Weismantel, nach dem der Weismantelweg benannt ist, gehörte als Katholik und früherer Abgeordneter zu den 88 Schriftstellern, die, wie Lersch, das „Gelöbnis treuer Gefolgschaft“ unterschrieben hatten. Weismantel hatte aber, so Pohl, die Erkenntnis der Schreckensherrschaft Hitlers und ging in den späten 1930er Jahren in Konfrontation zu den Herrschenden. Lersch starb bereits im Jahre 1936.

„Würde man alle Straßen umbenennen, wo von Mitläufertum in der NSDAP die Rede ist, hätten wir eine Flut von absurden Änderungen zu bewältigen“, sagt Pohl. Dies wäre genauso unverhältnismäßig und stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen einer solchen, wie von SPD und Linken beantragten Maßnahme. Daher lehnt er die Umbenennung nach wie vor ab.

Historische Personen des Zeitgeschehens als Namenspaten

Als die Mietshäuser und Eigenheime der Konrad-Adenauer-Siedlung als Vorläufer des Stadtteils Neubrück vor mehr als 50 Jahren gebaut wurden, waren die zugehörigen Straßen weitgehend nach bekannten Persönlichkeiten benannt worden. Das waren zum Teil berühmte Personen des Zeitgeschehens aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die durch ihr gesellschaftliches und politisches Wirken direkt an der europäischen Einigungsbewegung beteiligt waren.

Dazu zählen Politiker wie Gustav Stresemann (Reichkanzler und Außenminister) und Andreas Hermes (Landwirtschafts- und Finanzminister) aus der Weimarer Republik sowie aus den Nachkriegszeiten Karl Arnold (NRW-Ministerpräsident, CDU), Thomas Dehler (FDP-Vorsitzender und Bundesjustizminister) sowie Robert Schuman (französischer Außenminister).

Mit anderen Straßennamen wurden Persönlichkeiten der Frauen- oder Arbeiterbewegung geehrt, beispielsweise Helene Weber und Ludwig Quidde. Im Süden des Stadtteils wird an bildende Künstler erinnert (Paul Klee, Oskar Schlemmer) und im Mittel- und Westteil Neubrücks an Schriftsteller, darunter Wolfgang Borchert, Hermann Hesse und eben Heinrich Lersch. (NR)