Kampf gegen BienensterbenZahl der Imker in Köln hat sich verdreifacht
Köln – Kölner, packt die Wäsche ein! Wenn an den ersten milden Tagen die Honigbienen mit ihren prall gefüllten Pollenhöschen aus ihrem Stock ausschwärmen, dann ist der Frühling da. Der erste Flug nach dem langen Winter dient dazu, die winzigen Därme zu leeren. Zu besichtigen an vielen kleinen gelben Punkten, die die kleinen Brummer etwa auf der Wäsche hinterlassen. Dann beginnt für die Bewohner der inzwischen 2500 Bienenstöcke auf Kölner Gebiet die Jagd auf Schneeglöckchen und Krokusse, um den ersten Nektar zu saugen.
Während die Bienen auf dem Land aufgrund von Monokulturen und Pestizid-Einsatz immer weniger Nahrung finden und sterben, sind die Kölner kollektiv dem Bienenfieber verfallen.
„Köln wird Bienenstadt – das ist das Ziel“, erklärt Stephanie Breil, die gemeinsam mit Iris Pinkepank der jüngst gestarteten Umweltinitiative Honnig-Connection vorsteht und das nützliche Tier überall in der Stadtgesellschaft sichtbar machen will – unterstützt durch einen Landeszuschuss von 95 000 Euro.
Während die Not der Bienen jetzt im Koalitionsvertrag von Union und SPD explizit auf die Agenda genommen wurde, hat in Köln das Thema längst Fahrt aufgenommen:
Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Kölner Stadt-Imker auf an die 300 fast verdreifacht, erklärt Ralf Heipmann, zweiter Vorsitzender des Kölner Imkervereins, darunter 80 Frauen.
Jünger und weiblicher ist die Imkerei in Köln geworden: „Als ich vor zehn Jahren eingetreten bin, war die Imkerei ein Alt-Herren-Hobby. Die meist besuchten Veranstaltungen waren Beerdigungen. Das hat sich komplett geändert.“ 2500 Bienenvölker tummeln sich nach Schätzungen im Sommer inzwischen im Stadtgebiet – jedes von ihnen mit im Sommer rund 60 000 Bienen. Allein Heipmann ist Herr über 100 Bienenstöcke. Überall auf Balkonen, Terrassen und Gärten summt es. Selbst große Vermieter wie die GAG starten in Müngersdorf mit ihren Mietern ein Imkerprojekt mit vier Völkern.
Imkerkurse schnell ausgebucht
Es könnten noch viel mehr sein: Die Kölner Imkerkurse, die außer Heipmann auch noch der Porzer Imkerverein sowie Imkermeister Johann van den Bongard anbieten, sind im Nu ausgebucht. Die Nachfrage übersteige das Angebot bei weitem, konstatiert er. Zwei- bis dreimal so viele könne man anbieten. Wer einen Kurs absolviert hat, bekommt eine Saison einen Imkerpaten zur Seite gestellt, ehe er Verantwortung für einen eigenen Bienenstock übernimmt. Als Ende Februar die Umweltverbände zum Wildbienen-Tag ins Forum der Volkshochschule geladen hatten, kamen so viele hundert Interessenten, dass die Stühle bei weitem nicht ausreichten. Im nächsten Schritt wird die Honig-Connection als Kooperationspartner der Initiative Kult-Crossing in Kölner Schulen gehen, um in fächerübergreifendem Unterricht für die Biene und ihre Bedeutung zu werben.
„Ich glaube die Leute spüren, dass es um etwas geht. Bienen sind nicht nur Sympathieträger, sie sind auch robuste Tiere. Wenn sie in Schwierigkeiten kommen, sollten wir uns Gedanken machen um die Welt“, konstatiert Heipmann. Er meint die ökologische Katastrophe, die sich da in Gestalt des Insektensterbens vor aller Augen vollzieht: Langzeitstudien haben ergeben, dass die Zahl der Insekten in den vergangenen Jahren um mehr als 75 Prozent abgenommen hat. Ein Rückgang, der das ganze Ökosystem betrifft, da Insekten Pflanzen – also Obst und Gemüse – bestäuben und anderen Tieren als Nahrung dienen. „Jeder dritte Bissen unserer Nahrung hängt von der Bestäubung durch Insekten ab“, konstatiert Iris Pinkepank. Und da habe der Städter erstens ein schlechtes Gewissen und zweitens das gute Gefühl, dass er hier etwas konkret verbessern kann.
Dazu muss man nicht gleich Imker werden, sondern kann einfach Blumen pflanzen, die Bienen lieben oder einen Blechdosennistplatz für die solitär lebende Wildbiene aufstellen, die für die Bestäubung noch wichtiger ist als die Honigbiene. Nach Angaben von Betina Küchenhoff vom Wildbienenprojekt der Stadt Köln bestäuben sie täglich fast doppelt so viele Blüten wie die Honigbiene. Wer statt Geranien etwa Lavendel pflanze, leiste schon einen Beitrag.
Köln soll Vorreiter sein
Auch hier soll die Stadt Köln eine Vorreiterrolle einnehmen. So ist die Honig-Connection mit dem Grünflächenamt im Gespräch: Ziel ist es, die so genannten „Eh da-Flächen“ – das sind Grünflächen ohne Funktion, wie etwa am Straßenrand – für die Belange der Wildbienen zu nutzen. Dabei könnte die Stadt sogar Geld sparen: „Wenn diese Flächen nur noch ein Mal statt wie bisher sieben Mal gemäht pro Jahr werden, bietet das viele Habitate für Bienen,“ erläutert Pinkepank. Zudem versuchen sie, ein Pestizid- und Glyphosatverbot auch für private Flächen in Köln zu erreichen, um die Bedingungen weiter zu verbessern. Wer sich um die Bienen kümmert, der kümmert sich um sich selber, das ist die Kernbotschaft.
„So ein Bienenstock ist ein geheimnisvoller Organismus, der lehrt einen Ehrfurcht“, sagt Breil. Wie die Arbeitsbienen in ihren 40 Lebenstage sechs Berufe durchleben – von der Putzbiene, über die Amme bis zur Baubrigade. Wie sich sich mit Tanzsprache verständigen oder ihre Königin wählen. „ Jede Frage, die sich beantwortet, wirft eine neue auf“, so Heipmann. Aber, dass im Leben alles mit allem zusammenhängt, das verstehe jeder, der sich mit Bienen befasse.
40 Kilogramm Honig pro Bienenvolk
Die Kölner sorgen mit ihren bunt bepflanzten Beeten und Kästen schon jetzt dafür, dass die Biene in Köln offensichtlich gut lebt: Im Durchschnitt mehr als 40 Kilo Honig erarbeitet ein Kölner Bienenvolk – Imker im ländlichen Umland müssen sich mit 20 Kilo zufrieden geben. Im Bienenhaus in Finkens Garten, wo die Hobby-Imker ihren Honig anbieten, kann man inzwischen Sorten aus 15 Veedeln kaufen: Von nussig aus Nippes bis blumig aus Holweide. „Und jedes Veedel schmeckt anders“, verspricht Heipmann.