Anfang der 1960er kam Asuman Doğan aus der Türkei nach Deutschland. Schnell packte sie das jecke Fieber. Der Karneval ist zu einer Liebe geworden.
„Gerne geraucht, getrunken und gefeiert“Sie kam als türkische Gastarbeiterin und wurde zur kölschen Jecken
Asuman Doğan ist mit inzwischen 80 Jahren vermutlich eine der jecksten Frauen, die in den 1960ern als Gastarbeiterin nach Deutschland kamen. Wahrscheinlich sogar die jeckste. Ihre Tochter, Selda Selbach, hat das offenbar geerbt; sie spielt bei der Immisitzung, ehrt ihre Mutter in der aktuellen Session mit einer Version eines der Lieder, die Asuman Doğan damals sang.
Denn nachdem Asuman Doğan 1961 zunächst in ein Kloster in Andernach kam, erlangte sie Berühmtheit. „Im Kloster hatte ich eine Ausbildung zur Krankenschwester angefangen“, erzählt sie. „Eines Tages war der Geburtstag eines Mädchens, es wurde viel getanzt.“ Sie war aufgefordert worden, mitzutanzen. Doch das Tanzen war nicht ihr Ding – „Ich kann singen“, sagte sie. Und sie sang. „Ein türkisches Volkslied. Eine Freundin hat es aufgenommen.“
Türkischer Star wird zum Bekannten
Wie der Zufall es wollte, war die mit dem 2022 verstorbenen Metin Türköz verheiratet, Star der türkischen Community und bei der deutschen Plattenfirma Türküloa unter Vertrag. Man war begeistert von Asuman Doğan, die damals noch Çevikkalp hieß. Sie arbeitete zusammen mit Türköz, erlangte Bekanntheit, besonders unter türkischen Gastarbeitern. Sie spielte Konzerte in Köln und außerhalb, ihre Plakate hingen in der Stadt, sie verteilte Autogrammkarten, hatte sogar Auftritte im Fernsehen und im türkischen Radio, wo sie einen Gesangswettbewerb gewann.
Die Menschen hätten sie erkannt, sagt sie. „‚Das ist Asuman‘, haben sie gesagt.“ Die ältere Dame lacht viel, wirkt stolz, wenn sie von ihrem früheren Leben erzählt, legt Wert auf ihr Äußeres, als wolle sie jederzeit bereit sein, wieder auf eine Bühne zu treten. Ihre Songs finden sich auch heute noch auf Youtube.
Kloster Andernach: Erste Berührungen mit Karneval
Die große Leidenschaft neben dem Gesang aber galt und gilt dem Karneval. „Ich bin immer dabei“, sagt die 80-Jährige. Auf die Frage, was ihr am Karneval besonders gefällt, hat sie eine einfache Antwort: „Alles. Einfach alles.“ Angefangen hatte das schon in den 1960ern in Andernach. „Da wurde auch gefeiert. Ich wollte erst gar nicht mitmachen.“ Beim allerersten Karneval im Kloster war Doğan nämlich krank, wollte lieber im Bett bleiben. Die anderen Schwestern und Ärzte feierten im Erdgeschoss – und konnten sie überreden, ein wenig mitzutanzen. Die erste Begegnung begeisterte. Ein Kostüm fehlte ihr jedoch.
So fertigte sie von Hand ein Tanzmariechenkleid an, „ein ganz einfaches“, wie sie sagt, mit weißem Pulli und rot-weißem Rock und Hütchen aus Bastelpapier. So wurde sie zum wohl ersten, inoffiziellen türkischen Tanzmariechen. Am Karneval fand sie schnell immer mehr Gefallen, kam Mitte der 60er Jahre nach Köln. Sie rauchte, sang, trank und feierte gerne und viel. Asuman Doğan stellt klar: „Aber ich habe ganz wenig geraucht. Vielleicht mal drei oder vier Zigaretten. Ich habe schnell wieder aufgehört.“
Auch die Kinder stehen auf den Bühnen Kölns
Gerne hätte sie auch auf den Karnevalsbühnen gestanden. Dazu kam es nie, die Möglichkeit hatte sich nicht ergeben, Doğan sich nie ganz getraut. Fünf Kinder bekam Doğan in Köln, die größtenteils auch im Rampenlicht stehen: Tochter Selda unter anderem bei der Immisitzung, ihr Mann Tino Selbach als „Kölsche Tenor“, Sohn Serhat als Comedian, Tochter Hülya, verheiratet mit Autor Moritz Netenjakob, als Schauspielerin und Regisseurin.
In den 80ern kehrte Asuman Doğan – motiviert durch das von Helmut Kohl ausgelobte Abschiedsgeld – in die Türkei zurück. Seit Ende der 1990er Jahre lebt sie wieder in Köln, wie auch ihre Kinder, und feiert seitdem leidenschaftlich Karneval, früher heftiger als heute. Wobei „früher“ relativ zu sehen ist. Tochter Selda Selbach verrät eine Geschichte, da war Asuman Doğan immerhin schon 70: „Sie war bei meinem Mann und mir am Tag vor Rosenmontag zum Übernachten und richtig krank. Sie bereitete schon alles vor für den Tag, da habe ich ihr gesagt: Du gehst nicht zum Zug.“
Ihre Mutter hatte andere Pläne: „Um 7 Uhr morgens an Rosenmontag hörte ich die Tür zuknallen.“ Asuman Doğan war heimlich aus dem Haus gegangen. „Sie war nicht am Handy erreichbar. Abends, gegen 18 Uhr, kam sie zurück: Lippe blutig, Arm dick, am Bein verletzt.“ Ein Treffer mit Kamelle, erklärt Doğan. Junge Leute hätten ihr in einer Garage auf der Severinstraße Hilfe angeboten – und Kölsch. „Schnaps auch“, fügt sie hinzu. Selda Selbach weiter: „Da kam sie, mit zwei vollen Tüten Kamelle, verletzt und total betrunken.“ – „Ich war ganz alleine unterwegs“ sagt Asuman Doğan kichernd. Was genau sie am Karneval so fasziniert, kann sie nicht erklären. „Das kommt von alleine“.
Alles, was mit Karneval zu tun hat, nahm und nimmt sie mit, von Stunksitzung bis zum kleinsten Zoch vun Kölle in Raderthal. Jetzt, mit 80, nach einem Schlaganfall und einer Bypass-OP, lässt sie es nach 60 jecken Jahren ruhiger angehen und feiert mit Kindern und Enkeln lieber im geschützten Rahmen; singt und lacht lieber im Brauhaus als auf den vollen Straßen. „Ich trinke jetzt nicht mehr so viel, weil es früher so unheimlich viel war“ sagt sie. Und lacht wieder.