Kippa Köpp, Alaaf!Die lebendige Geschichte der Juden im Kölner Karneval
- Juden hatten im Kölner Karneval eine lebendige Geschichte, die bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurückreicht.
- Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten fanden die Aktivitäten ein jähes Ende.
- Seit einem Jahr knüpft ein Verein wieder an die Tradition an.
Köln – „Kölner Juden waren immer Teil des vielfältigen karnevalistischen Lebens, aber lange Zeit nicht sichtbar“, sagt Aaron Knappstein, Präsident Kölsche Kippa Köpp. Das sollte sich Anfang Februar 2019 schlagartig ändern. Und zwar durch eine Pressemitteilung. Absender war ein Karnevalsverein. Nicht ungewöhnlich mitten in der Session. Doch diese Nachricht war eine Sensation: „Jüdischer Karnevalsverein gegründet – Kölsche Kippa Köpp“. Damit schloss sich ein Kreis, der vor fast 90 Jahren gewaltsam aufgebrochen worden war.
Köln: Kippa Köln als jüdischer Karnevalsverein gegründet
Die Kippa Köpp sind ein neuer Verein mit historischen Wurzeln. „Wir haben uns im ganz kleinem Kreis 2017 zusammengefunden und sind zwei Jahre später nach draußen getreten. Wir sehen uns in der Tradition des ersten jüdischen Karnevalsvereins in Köln, des »Kleinen Kölner Klubs« (KKK)“, sagt Knappstein.
Der KKK wurde 1922 als „Kleiner Kölner Kegelklub“ ins Leben gerufen und war im Ursprung tatsächlich ein Kegelverein. Später wandelte sich der KKK vom Kegel- in einen Karnevalsverein und änderte den Namen. Gründer und Präsident war der Textilgroßhändler Max Salomon, genannt „die Pläät“, ein Karnevalist durch und durch. Er trat bereits 1910 bei der „KG Kuventsmöhne“ unter Präsident Fritz Herold im „Colosseum“ in der Schildergasse auf. Seine bekannteste Figur in der Bütt war die „Kölsche Marktfrau“.
Der Verein gehörte zwar nicht dem „Festausschuss des Kölner Karnevals“ an und zog auch nicht mit im Rosenmontagszug, spielte aber dennoch eine aktive Rolle im Karneval mit Kostümfesten, Prunksitzungen und Maskenbällen. Allein im Jahr 1928 veranstaltete er mehrere Sitzungen und einen Festball. Präsident Salomon war eng mit Karnevalsgrößen wie dem Präsidenten der Großen Kölner, Albrecht Bodde, dem Büttenredner Gerhard Ebeler, dem Sänger Karl Berbuer und dem Schauspieler Willi Millowitsch befreundet. Bis etwa 1930 existierte der von jüdischen Jecken geführte Karnevalsverein.
Der Historiker Marcus Leifeld, Autor des Buches „Der Kölner Karneval in der Zeit des Nationalsozialismus“ vermutet, dass sich die Mitglieder später nur noch intern getroffen haben. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten fanden die Aktivitäten des „Kleinen Kölner Klubs“ ein jähes Ende. Einigen Mitgliedern gelang die Flucht ins Ausland, andere kamen in Ghettos oder Konzentrationslagern um.
„Prinzessin Venetia beim Helden Carneval“
Der KKK war zwar der erste jüdische Karnevalsverein, aber Juden waren schon viel früher im Karneval aktiv. Das Jahr 1823 markiert die Wiederbegründung des Volksfestes Karneval. Zeitgenössische Schilderungen erzählen vom närrischen Treiben als einem wilden Mix aus Raufen und Saufen. Der Pöbel habe das Fest auf die Straße gezerrt, und entsprechend ramponiert sehe es nun aus. Dem wollten etliche Honoratioren der Stadt Einhalt gebieten. Sie gründeten das „Festordnende Comité“. 1823 gab es einen prächtigen Maskenzug, in dessen Mittelpunkt der Held Carneval stand. Im Folgejahr taucht mit Simon Oppenheim ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in exponierter Stellung im Zug auf. Das Motto der Session hieß: „Besuch der Prinzessin Venetia beim Helden Carneval“.
Venetia war niemand anderes als der 20 Jahre alte Simon Oppenheim. Und der leitete, wenn er nicht gerade Venetia verkörperte, mit seinem Bruder Abraham das gleichnamige Bankhaus.
Gestiftetes Kirchenfenster im Kölner Dom
Die Familie war Teil des Kölner Großbürgertums, beide Brüder waren aktive und angesehene Mitglieder der Stadtgesellschaft. Sie spendeten viel Geld für den Bau der Synagoge in der Glockengasse und den Weiterbau des Kölner Doms. In der Kathedrale sieht man noch heute ein von der Familie Oppenheim gestiftetes Kirchenfenster. Die Synagoge wurde während der Diktatur der Nazis in der Pogromnacht zum 10. November 1938 niedergebrannt.
Marcus Leifeld weist darauf hin, dass eine genaue Angabe über die Teilnahme von Juden im organisierten Karneval nicht möglich ist. „Hierfür fehlen für die einzelnen Vereine zum einen Listen von Vereinsmitgliedern, zum anderen gab es eine ausgeprägte Fluktuation in den Karnevalsgesellschaften – jedes Jahr aufs Neue zeichneten sich die Kölner in Listen ein und erwarben eine Mitgliedskarte.“ Dennoch lassen sich Beispiele finden, die belegen, „dass Kölner Juden im Karneval mitwirkten“. So wie der Maler und Lithograph David Levy Elkan. 1808 in Köln geboren, schuf er Illustrationen und Kultobjekte sowohl für die Kölner Synagogen-Gemeinde als auch für die katholische Kirche und den Zentral-Dombau-Verein. Überliefert sind auch zahlreiche Aufträge von verschiedenen Karnevalsgesellschaften. Sein bekanntestes Bild ist die Darstellung des Maskenzugs aus dem Jahr 1827.
Den Jüdischen Karneval ins Bewusstsein rücken
Es gibt einen weiteren naheliegenden Grund, warum es schwierig ist, Juden im Karneval zu lokalisieren: Es gab und gibt keinen jüdischen Karneval. Wer sich im Karneval engagieren und organisieren wollte, schloss sich einem der bestehenden Vereine an. Die Existenz des „Kleinen Kölner Klubs“ steht dazu nicht im Widerspruch. Einige Jecke des KKK waren parallel in anderen Gesellschaften aktiv. Bei den Kippa Köpp heute ist es ähnlich. Die Männer des vierköpfigen Vorstands gehören zur Stattgarde Colonia Ahoj, zu den Blauen Funken und zur KG Alt-Köllen. Der Anstoß, wieder einen jüdischen Karnevalsverein zu gründen, kam vor gut sieben Jahren von Festkomiteepräsident Christoph Kuckelkorn. „Ich fand es wichtig, den jüdischen Karneval wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. Dass dies nun geklappt hat, ist großartig. Es ist die Renaissance eines verloren gegangenen Stücks Kölner Karneval. Bildlich gesprochen kann man sagen: Das bunte Kostüm Lappenclown, wo alle Vereine vertreten sind, ist um eine besondere Farbe bereichert worden. Der Karneval ist immer inklusiv und offen für alle Nationalitäten und Religionen.“
In der Weimarer Republik sorgten jüdische Bühnenkünstler wie Norbert Stein für Furore. In der Kölner Presse stand im Januar 1927 unter anderem: „Starken Beifall fand Norbert Stein als Blitzdichter, der in schneller Gedankenarbeit die unmöglichsten Wortbilder zu treffenden Reimen formte.“ Stein trat als Stegreif-Dichter auf einer Sitzung der KG „Fidele Zunftbrüder“ im Haus Metropol auf. Der Künstler initiierte und leitete als Präsident auch Wohltätigkeitsabende. So etwa 1931 eine Benefizveranstaltung für „Kölner Notleidende“ unter der Überschrift „Hab Sonne im Herzen“ in der mit knapp 7000 Zuschauern gefüllten Kölner Messehalle. Die „Rheinische Zeitung“ schrieb: „Norbert Stein, der geistige Urheber der Veranstaltung, hatte die Riesensitzung voll in der Hand, vielleicht war es die größte Leistung, die je einem Karnevalspräsidenten zugemutet wurde. Mit Schneid und Humor entledigte er sich seiner großen Aufgabe.“ Noch im Januar und Februar 1933 trat er in vollen Sälen auf und brachte laut „Rheinischer Zeitung“ das „ganze Haus aus Rand und Band“.
Auf Augenhöhe mit Willi Ostermann
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete seine Karriere abrupt. Leifeld schreibt, dass das weitere Schicksal von Norbert Stein nicht zweifelsfrei geklärt ist. Am 17. Mai 1938 wurde von Berlin ein Norbert Stein nach Auschwitz deportiert und ermordet. Name und Geburtsjahr 1888 legen nahe, dass es sich bei ihm um den Kölner Künstler gehandelt haben könnte.
Ein Topstar im Karneval war auch Hans David Tobar. Er war der wohl bekannteste jüdische Karnevalist, geboren 1888 in Köln. Zeitgenossen sahen ihn auf Augenhöhe mit Willi Ostermann, mit dem er befreundet war. Tobar trat als Kabarettist, Krätzchensänger und Rezitator bei allen Traditionsgesellschaften auf und schrieb viele Programme für den Kleinen Kölner Klub. In den 1920er Jahren verfasste und inszenierte er im Kaiserhof elf Karnevalsrevuen. Anfang 1933 änderte sich auch für Tobar die Situation schlagartig. Seine Faschingsrevue „Karneval wie einst“ wurde Ende 1932/Anfang 1933 noch widerspruchslos aufgeführt. Bei der von ihm mitverfassten Revue „Alle Poppe danze“ wurde sein Name im Februar 1933 dann aber aus dem Autorenverzeichnis gestrichen. Danach gab es für den populären Künstler keine Aufträge mehr. Im Sommer reiste er für wenige Monate auf die Nordseeinsel Norderney und gründete dort die Karnevalsgesellschaft Zoppejröns.
In den kommenden Jahren moderierte Tobar für die Kölner Synagogen-Gemeinde Tanzabende und schrieb Programme wie „Krach im Morgenland“ für den Jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr. Am 9. Dezember 1939 gelang ihm mit seiner Familie die Flucht zunächst nach Rotterdam und von dort aus nach New York. Dort starb er am 4. April 1956. Seine Mutter Ida und fünf seiner acht Geschwister wurden in Konzentrationslagern ermordet. Die Flucht aus Nazi-Deutschland nach Amerika glückte im November 1939 auch Max Salomon gemeinsam mit seiner Frau Christina und Tochter Erika. Sein Bruder Willi emigrierte mit seiner Familie nach Israel. Vom Karneval ließen sie auch an ihren neuen Heimatorten nicht. Willi ging als Redner der „Köln-Mülheimer-Dampf-Schifffahrts-Gesellschaft“ in Israel in die Bütt. Max Salomon organisierte mit Erika rheinische Abende in Los Angeles und trat in seiner Paraderolle als „Kölsche Marktfrau“ auf. 1961 kehrte Salomon kurz nach Köln zurück und war zu Gast bei der KG Große Kölner, die ihn zum Ehrensenator machte.
Den Kölschen Kippa Köpp ist es zu verdanken, dass die Erinnerung an Kölner Karnevalisten wie Tobar und die Brüder Salomon wieder fassbar wird. „Wir stehen in Kontakt mit den Nachkommen von Hans David Tobar, die in New York leben, und von Max Salomon, die in Los Angeles daheim sind“, sagt Aaron Knappstein. Inzwischen ist ein wahrer Schatz aufgetaucht. „Die Familie besitzt ein von Max Salomon selber angelegtes Album. Das Album umfasst 86 Seiten und enthält Fotos, Dokumente, Zeitungsausschnitte und handschriftliche Zitate von ihm. Es tauchen Namen anderer jüdischer Künstler aus der Zeit vor dem Krieg auf. Auch Fotos vom Kleinen Kölner Klub, die in Köln bisher nicht bekannt sind. Ein Glücksfall für die Stadt Köln und den Karneval. Das Album gehört meiner Meinung nach auch nach Köln, zumindest als sehr gute Kopie. Es dokumentiert ein Stück Zeitgeschichte.“
Es ist bereits oft beschrieben worden, wie wenig Widerstand die Karnevalisten dem Willkürregime der Nazis entgegensetzten. Das gilt auch für den offen zur Schau gestellten Antisemitismus im Karneval. Der begann nicht erst 1933. Schon zehn Jahre zuvor waren Juden nicht überall willkommen, war es für einen Juden nicht immer leicht, einem Karnevalsverein beizutreten. Julius Freund zum Beispiel wollte Mitglied der Ehrengarde der Stadt Köln werden. Am 21. Juli 1923 wurde in der Vorstandssitzung darüber diskutiert, ob Juden zumindest als inaktive Mitglieder aufgenommen werden können. Das Ergebnis war eindeutig: „Zur Sprache gebracht und zur Beschlussfassung gestellt wurde die Frage der Aufnahme jüdischer inaktiver Mitglieder. Einstimmig wurde beschlossen, jüdische Elemente fernzuhalten und weder inaktiv noch aktiv aufzunehmen. Infolge dieses Beschlusses wurde die Aufnahme des Herrn Julius Freund abgelehnt.“
Darüber berichteten auf eigenen Wunsch des Traditionskorps im August 2012 Historiker Leifeld und Korpsmitglied Heinrich Fleu in ihrer Ehrengardepost. Ähnlich sah es bei den Roten Funken aus. Louis Gross beispielsweise wurde zum inaktiven Mitglied degradiert. Tatsache ist gleichwohl, dass mit der Machtergreifung der Karneval rasch ins Blickfeld der neuen Machthaber rückte. Ein Volksfest, mit dem man die Massen erreichen konnte, war wie gemacht für Propaganda-Zwecke. Dazu heißt es bei Renate Matthaei in „Der kölsche Jeck“: „Politisch wurde der großmäulig auftrumpfende Ton, den die Büttenrede seit der Kaiserzeit entwickelt hatte, zum propagandistischen Verstärker der Diktatur“.
Karnevalszug mit Reaktion auf „Nürnberger Gesetze“
Ähnliches galt auch für die Karnevalsumzüge. Jürgen Meyer erinnert in seinem Aufsatz „Organisierter Karneval und »Narrenrevolte« im Nationalsozialismus“ (Geschichte in Köln, Heft 42, 1997) an einen Artikel aus dem Westdeutschen Beobachter vom 1. März 1933. Darin heißt es: „Der Zug hatte nichts Improvisiertes, Volksfremdes, wie das in den Nachkriegsjahren unter den mannigfachen Einflüssen liberalistisch-marxistischer Strömungen der Fall gewesen war. Kein überladener Schmuck, kein verlogener Prunk, sondern urwüchsiger Humor, volkstümlich in der Darstellung, passte er sich ganz natürlich in den Rahmen des Volksfestes ein (...) Der Kölner Karneval war wieder ein echter Volkskarneval und keine Massenfabrikation, keine Konfektionsware aus dem jüdischen Warenhaus.“
Es scheint, als sei ab 1935 ein Schalter umgelegt worden. Im September 1935 waren die „Nürnberger Gesetze“ erlassen worden. Damit verloren die Menschen jüdischen Glaubens ihre Grundrechte und wurden zu Bürgern zweiter Klasse. Die Gesetze schufen die rechtliche Grundlage für die Verfolgung der Juden. Der Karneval reagierte prompt. Im Rosenmontagszug 1936 fuhr ein Festwagen mit der Karikatur eines Juden mit sehr langem Schlips mit. Der Wagen trug die Aufschrift „Däm han se op d’r Schlips getrodde“. Darauf trampelte eine Figur mit Stiefeln und einem Paragrafenzeichen. Eine deutliche Anspielung auf die neuen Gesetze.
Karnevalslied verhöhnte Juden
Die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lange erzählte Geschichte vom unpolitischen Kölner Karneval ist längst als Mär enttarnt. Carl Dietmar und Marcus Leifeld weisen in ihrem Buch „Alaaf und Heil Hitler“ darauf hin, dass „im Zuge der Nürnberger Rassengesetze 1935 (...) das endgültige erzwungene Aus von Juden im Kölner Karneval“ erfolgte. Infolge der Rassengesetze nahmen etliche Vereine den Arierparagrafen in ihre Satzungen auf, nichtarische Mitglieder mussten die Vereine verlassen. Die Juden, die zuvor als Büttenredner, Liederdichter, Vereinsmitglieder, Elferratsmitglieder geschätzt und geachtet waren, wurden nun verhöhnt und weggejagt.
Sehr populär war das Karnevalslied „Hurra mer wäde jetzt die Jüdde loß“ von Jean Müller aus dem Jahr 1936. Darin heißt es:
Hurra mer wäde jetz de Jüdde loss,Die ganze koschere Band,Trick nohm gelobte Land.Mir laache uns für Freud noch halv kapott,Der Izig und die Sahra die träcke fott!Wenn die ganze koschere Jüdde,us Deutschland sinn erus,Zwei mir dann he behalde,Die stelle mir dann uus.Eine enn de Schreckenskammer,Eine ett Museum kritt geschenk,Datt mir an die Judenplage,Mett Schrecke später denk.
Antisemitische Wägen im Jahre 2019
Der erste antisemitische Wagen im Rosenmontagszug war übrigens der sogenannte Palästinawagen 1934 mit der Aufschrift: „Die Letzten ziehen ab“. Als orthodoxe Juden verkleidete Männer spielten auf die erzwungene Auswanderung der Kölner Juden an. „Mir mache nur e kleines Ausflügche nach Lichtenstein und Jaffa“. Hildegard Brog erinnert in „D’r Zoch kütt!“ daran, dass dieser Wagen schon in den Veedelszöch 1933 erstmals in Köln zu sehen war. Im Westdeutschen Beobachter hieß es seinerzeit dazu, der Wagen habe eine „ausgezeichnete Charakteristik der nicht genehmen Fremdlinge“ geliefert.
85 Jahre später bringen die Organisatoren des Karnevalsumzuges in der belgischen Stadt Aalst einen Wagen mit antisemitischen Darstellungen auf die Straße. Die Großfiguren zeigten jüdisch-orthodoxe Juden in stereotyper Weise mit Schläfenlocken und Hakennasen, ähnlich den Darstellungen in dem Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“. Und diese antisemitische Darstellung war nicht die erste in Belgien. 2013 trat bei der Parade eine Karnevalsgruppe in SS-Uniformen auf. Der mitgeführte Wagen erinnerte an einen Waggon für Tiertransporte, auf einer Seitenwand klebte ein Plakat mit Männern, die Dosen mit der Aufschrift „Zyklon B.“ in den Händen halten. Die Unesco reagierte Ende 2019 und strich den Karneval der Stadt Aalst von der Liste für das Immaterielle Kulturerbe der Menschheit. Die Aalster Karnevalisten scheint das wenig zu stören. Um auf die kommende Karnevalsparade am 23. Februar 2020 hinzuweisen, wurden Schleifen gedruckt, die wieder orthodoxe Juden mit den oben beschriebenen Attributen zeigen.
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Bereits vor der Gründung der Kölschen Kippa Köpp drang die Erinnerung an die jüdischen Karnevalisten langsam wieder ins Bewusstsein. Es gibt in Köln Stolpersteine für die Familien von Max Salomon und von Hans David Tobar. Die Karnevalsgesellschaft Stattgarde Colonia Ahoj vergibt seit 2014 in unregelmäßigen Abständen den Hans-David-Tobar-Preis. Er geht an Leute, „die sich selbstlos für andere Menschen einsetzen, oder bei gesellschaftskritischen Themen mutig aufstehen und für Veränderung kämpfen“. Die erste Auszeichnung erhielt 2014 der damalige FK-Präsident Markus Ritterbach. Anwesend waren die seinerzeit 88 Jahre alte Tochter Lieselotte Tobar-Cordaro (2017 verstorben) sowie deren Enkel Julia und David. Die Ehrengarde Köln zeigte bei ihrem Regimentsappell 2019 zu Ehren der Kölschen Kippa Köpp einen Kadettentanz zur Melodie des jüdischen Volksliedes Hava Nagila. Und die Karnevalsgesellschaft Treuer Husar erhob kürzlich den Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland und Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, Abraham Lehrer, in den Rang eines Rittmeisters.
Die Kölschen Kippa Köpp möchten den Karneval wieder stärker in die jüdische Gemeinde tragen. In der Synagoge in der Roonstraße fand Anfang Januar so zum zweiten Mal der karnevalistische Frühschoppen „Falafel & Kölsch“ statt. Im jüdischen Wohlfahrtszentrum in Neuehrenfeld feierte man den Rheinischen Nachmittag mit dem Besuch des Dreigestirns. Prinz, Bauer und Jungfrau traten unmittelbar zuvor etwa 1000 Meter entfernt auf der Pfarrsitzung von St. Anna auf. Für Aaron Knappstein ein wichtiges Zeichen: „Wir sind ein jüdischer Verein, der offen für alle ist. Bei uns können auch Menschen nichtjüdischen Glaubens mitmachen. Wir feiern Karneval wie alle anderen in der Stadt.“ Das stimmt nicht ganz. Für alle Veranstaltungen der Kölschen Kippa Köpp gelten erhöhte Sicherheitsbestimmungen: Mit vorheriger Anmeldung für die Gäste, Einlasskontrollen und Polizeipräsenz.