„Ich täusche Kölsch vor“Wahlkölnerin überzeugt mit „grottenehrlicher Sitzung“
Köln – Diese Frau hat eine Mission. Sie möchte karnevalsfernen Menschen „dieses wunderbare kölsche Brauchtumsfest“ näherbringen. Kein leichtes Unterfangen. Denn Hildegart Scholten ist gar keine Kölnerin. „Ich täusche Kölsch vor“. Doch die Walküre im hellbraunen Stretch-Rock und blauer Bluse – Size S wie spack – ist ebenso wild wie entschlossen. Sie hat mit der „Grottenehrlichen Sitzung“ eigens ein völlig neues Format geschaffen. Bei der Premiere in der Gaststätte „Em Birkebäumche“ in Sülz erlebten rund 50 Gäste das kölsche Grundgesetz des Feierns in der freien Interpretation der Frau Scholten.
Zu „grottenehrlich“ gehört die Information, dass Hildegart Scholten eine Kunstfigur ist. Dahinter steht die Schauspielerin, Autorin und Kabarettistin Maria Luise Winkendick. Doch mehr gibt diese aus ihrer Vita nicht preis. Wir haben es fortan nur mit Hildegart zu tun. Was völlig ausreicht.
Köln: Zuschauer als Teil der „Grottenehrlichen Sitzung“
Das Geschehen spielt sich auf einer kleinen Bühne, erweitert um den gesamten Schankraum, ab. Das Ganze ist ein Gemeinschaftsprojekt. Zuschauer im engeren Sinn gibt es nicht. Alle sind Teil der Sitzung: als Präsident (wechselnd), als Elferrat (Zahl ist nach oben offen) oder als Teilzeitbühnenstar (Talent unerheblich).
Angeleitet von Frau Scholten entwickelt sich eine urkomischen Sause. Sie erklärt, was alles zu einer richtigen Sitzung gehört. Ein- und Ausmarsch, Alaaf-Rufe, Raketen, ein Rednerinnen-Duo, Musik und der Auftritt des Dreigestirns. Das bringt sie mit Unterstützung des Kneipenwirts Frank Glitscher und Maria Zocco, dem Funkenmariechen aus Sizilien, auf die Bühne. Maria ist die zweite Säule der Sitzung. Sie begeistert als Tänzerin, Sängerin und als Zauberkünstlerin. Partnerin Hildegart kündigt sie mal als „mediterrane Hupfdohle des kölschen Gardetanzes“, mal als „verzaubertes Mariechen“ an.
Hildegart Scholten als „Sexsymbol des Karnevals“
Scholten begnügt sich mit den Titeln „Humorkönigin“ und „Sexsymbol des Karnevals“. Gerade weil die beiden Künstlerinnen selber nicht so recht wissen, wie die Rituale auf einer klassischen Sitzung ablaufen, ist das Programm zum Schreien gut. Dazu passt auch das Ein-Mann-Orchester Jeff Brathering (Dennis Kresin), der die Aufforderung „Tusch mal“ so versteht, dass er mal tuscht und mal nicht.
Wer beim Vortrag der „falschen Hasen“ (Scholten/Zocco) oder beim Auftritt des Bibers Bo (Handpuppe am Ende des Arms von Zocco) vor Lachen nicht fast von der Bank kippt, ist womöglich gar nicht im Raum. Die „grottenehrliche Sitzung“ fällt komplett aus dem Rahmen und transportiert so genau das, was Karneval in seiner Urform ausmacht: Fastelovend lebt vom Mitmachen. Ob die Party (Sitzung) gelingt, entscheiden alle, die da sind.
Hildegart Scholten bekam Heiratsanträge von Priestern
Vita der Figur Hildegart Scholten: Geboren in Haltern am See. Aufgewachsen mit 14 Brüdern, einer Schwester. Die Eltern hatten einen Bauernhof und eine Gaststätte. Fragen nach ihrem Alter beantwortet sie mit „Nee, ne Beziehung habe ich nicht.“ Das „T“ am Ende ihres Vornamens ist ein Versehen; wer das auf dem Standesamt verbockt hat, lässt sich nicht mehr feststellen.
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Ihren ersten Kontakt zum Karneval hatte sie im Alter von neun Jahren. Da ging sie mit im Zug. Er bestand aus ihr und einem Bollerwagen, auf dessen Ladefläche der Fernsehturm von Wesel stand, den Hildegart selber gebaut hatte. Mittlerweile lebt sie in Köln und feiert ausgelassen Karneval. Mit ihren Kostümen bewies sie in der Vergangenheit nicht immer ein glückliches Händchen. Als sie mal als schwangere Prinzessin ging, bekam sie in den Kneipen kein Kölsch. Dafür aber unfassbar viele Heiratsanträge von Priestern.
„Grottenehrliche Sitzung“, freitags und samstags (bis 8. Februar), 20 Uhr, „Em Birkebäumche“, Neuenhöfer Allee 65 in Sülz; Karten zum Preis von 25 Euro gibt es vorab in der Kneipe oder an der Abendkasse.