Mit einem enormen Andrang auf die Feier-Hotspots im Kwartier Latäng begangen Zehntausende den Sessionsauftakt in Köln. Die Stimmung blieb überwiegend friedlich, es gab aber auch negative Höhepunkte. Wir ziehen Bilanz.
Friedlich und bei herrlichem WetterZehntausende Jecken feiern den Sessionsauftakt in Köln
Der vielleicht meistgehörte Satz im Kwartier Latäng am Freitag fiel an den zahlreichen Absperrungen und Kontrollstellen: „Hier ist nur ein Ausgang“, mussten die Ordner tausenden Jecken immer wieder erklären. Der einzige Eingang, der diesmal auf die rundum abgezäunte Zülpicher Straße führte, war am Zülpicher Wall, kurz vor dem Bahnhof Süd.
Den vielleicht schönsten Satz riefen zwei angetrunkene Eisköniginnen einem Ordner zu, der ihnen den Weg dorthin beschrieben hatte, und dies extrem geduldig: „Du hast ein Herz aus Gold“, bedankten sich die Jugendlichen strahlend.
Köln: Enormer Andrang überrascht auch Stadt und Polizei
Derart harmonisch ging es zwar nicht den ganzen Tag über zu im Zülpicher Viertel, vor allem ab dem späten Nachmittag stieg die Zahl der Polizeieinsätze. Überwiegend aber feierten zehntausende Menschen den Sessionsauftakt friedlich bei herrlichem Wetter. Der Andrang war enorm und hat selbst Wirte, Anwohner und vermutlich auch Verantwortliche bei Stadt und Polizei überrascht.
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„Es sind einfach zu viele Menschen auf zu engem Raum“, bilanzierte Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Nachmittag, als sie sich vor Ort selbst ein Bild machte. „Man mag das schön finden oder nicht, wie hier gefeiert wird, aber die jungen Leute tun das so.“ Davon abhalten, nach Köln zu kommen und hier Karneval zu feiern, könne man niemanden. Wer eine Idee habe, wie man Menschenströme „unproblematisch“ lenken könne, sei „herzlich eingeladen“, sie zu äußern. Ob das Sicherheitskonzept der Stadt aufgegangen ist, wollte Reker lieber noch nicht bewerten.
Kölner Polizei: Angriff mit Messer negativer Höhepunkt
„Zum Jubeln ist es noch zu früh“, sagte auch Polizeisprecher Wolfgang Baldes um 20.30 Uhr. Erst wenige Stunden vorher hatte die Polizei weitere Einsatzkräfte einer auswärtigen Hundertschaft zur Verstärkung nach Köln gerufen. Der Alkoholpegel vieler Feiernder steige, die Stimmung werde aggressiver, sie könnte kippen, begründete ein Polizeisprecher die Vorsichtsmaßnahme.
Die Zahl von zehn Platzverweisen, vier Ingewahrsamnahmen und 21 Anzeigen vor allem wegen Körperverletzung nannte er am Abend dann aber „überschaubar“ – vor allem angesichts der Massen, die tagsüber unterwegs waren. Negativer Höhepunkt: Ein Streit zwischen zwei Dreiergruppen im Hiroshima-Nagasaki-Park gegen 18 Uhr, einer stach einem anderen mit dem Messer in den Rücken. Der 27-Jährige wurde leicht verletzt und im Krankenhaus genäht. Den Tätern gelang die Flucht.
Ab 19 Uhr leerte sich die Zülpicher Straße deutlich. Die große Freiluftparty verlagerte sich in Kneipen und Privatwohnungen, viele zog es auch nach Hause. Der zuvor stundenlang gesperrte Zugang am Zülpicher Wall wurde wieder geöffnet. Manche zogen noch weiter zu einer Technoparty am Aachener Weiher. „Hier ist es auch cool, und nur Karnevalsmusik muss es auch nicht sein“, sagte Johannes aus Bergisch Gladbach. Aus drei Soundanlagen dröhnten die Beats über die Wiesen. Die Stimmung war friedlich. Bereitschaftspolizisten standen unten am Weiher und beobachten das Geschehen.
Ziel Zülpicher Straße: Feiernde hinterlassen Spur der Verwüstung
Während das neue Sicherheitskonzept die Anwohner des Kwartier Latäng etwas entlastete, weil viele Seitenstraßen gesperrt waren und das Gedränge aus den Vorjahren ausblieb, hinterließen die Feiernden vor allem am Barbarossaplatz, auf der Luxemburger Straße, aber auch auf der Lindenstraße und an den Uniwiesen hinter dem Hauptgebäude eine Spur der Verwüstung: Bergeweise Müll, Glasflaschen und Fast-Food-Verpackungen bedeckten Straßen, Gehwege, Hauseingänge und Fensterbretter. Zwar standen alle paar hundert Meter mobile Toiletten. Vielen war der Weg dorthin aber offenbar zu beschwerlich, sie entleerten sich an Hauswänden, in Einfahrten oder mitten auf dem Gehweg.
Was deutlich wurde: Alle wollten auf die Zülpicher Straße, einen Plan B aber hatten die wenigsten. Als Stadt und Polizei den Zugang um 12 Uhr sperrten, weil die Straße voll war, wusste niemand so Recht, wo er hin sollte. Die meisten blieben einfach stehen, der Druck auf die Sperrstellen erhöhte sich. Immer wieder ließ die Polizei die Zäune für ein paar Minuten öffnen, um für Entlastung zu sorgen. Aber immer wieder brachen auch kleine Gruppen durch. Teils überfordert wirkende Ordner hatten alle Hände voll zu tun, die Lücken zwischen verschobenen Zäunen wieder zu schließen. An der Dasselstraße verlor ein Sicherheitsmann gegen 14.30 Uhr die Nerven: Er brüllte eine Jugendliche an, schubste und stieß sie zurück. Weinend zog das Mädchen davon.
Bis 22 Uhr registrierte die Polizei 71 Strafanzeigen, ihr allem wegen Körperverletzungen, Taschendiebstählen und Sexualstraftaten. Am Abend häuften sich zudem Meldungen auf der Innenstadtwache über Diebstähle und Raubüberfälle im Bereich der Zülpicher Straße. Die Polizei verstärkte daraufhin ihre Präsenz im Umfeld der Tatorte.