Drei Festwagen hatte das Festkomitee bis zuletzt geheim gehalten. Unter anderem aus Sicherheitsgründen. Einer davon ist den Jecken besonders wichtig.
„Schalom und Alaaf“Jüdischer Festwagen im Zoch dabei – „Jecke“ bedeutet in Israel etwas ganz anderes
Ein Wagen hätte eigentlich schon im Rosenmontagszug 2021 mitfahren sollen. So war der Plan, schließlich stand das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland an“. Aber wie bei so vielen Vorhaben machte die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Dass der Festwagen mit jüdischen Karnevalisten und geladenen Gästen nun zwei Jahre später im Zoch dabei ist, erscheint aber ebenso passend: Schließlich waren in den 200 Jahren des bürgerlichen Karnevals immer Kölner Juden aktiv und kreativ.
„Juden haben seit 200 Jahren den organisierten Karneval aktiv mitgestaltet.“ unterstreicht Andrei Kovacs, ehemaliger leitender Geschäftsführer des Vereins 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. „Mit dem Festwagen zeigen wir jüdischen und nicht-jüdischen Kölnerinnen und Kölnern: Juden leben seit über 1700 Jahren in dieser Stadt. Hier ist unsere Heimat. Auch in schwierigen Zeiten werden wir uns von nichts und niemandem vom gemeinsamen Feiern abbringen lassen. So ist es normal. So soll es bleiben. Schalom und Alaaf!“
Jüdischer Festwagen im Kölner Rosenmontagszug dabei
Der bereits 2021 gebaute Wagen erinnert an die Rolle der jüdischen Menschen und ihrer Kultur in Deutschland und natürlich ganz besonders in Köln, sagt FK-Präsident Christoph Kuckelkorn. „Gerade im Jahr des 200-jährigen Jubiläums des Kölner Karnevals ist uns wieder einmal bewusst geworden, wie sehr auch das Festkomitee sich in der Nazi-Zeit hat instrumentalisieren lassen. Sogar im damaligen Rosenmontagszug wurde gegen jüdische Mitbürger gehetzt. Umso wichtiger ist es, dass wir heute daran erinnern, dass jüdisches Leben seit 1.700 Jahren in Deutschland fest verwurzelt ist. Heute werden wir diese jahrhundertealte gemeinsame Geschichte miteinander feiern.“
Auf Einladung des Vereins 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland fahren nicht nur mehrere Vertreter der jüdischen Gemeinde in Köln auf dem Wagen mit. Auch der Botschafter Israels in Deutschland, Ron Prosor, ist dabei. Er hat sofort eine Gemeinsamkeit ausgemacht, wie er im Vorfeld gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte: „Juden, die aus Deutschland nach Israel eingewandert sind, hat man in Israel früher Jecken genannt. Als Nachfahre von waschechten Jecken werde ich aufmerksam beobachten, was einen kölschen Jecken von jemand wie mir unterscheidet.“
Das Wagenmotto „1700 Jahre in der Heimat – Alaaf und Shalom“ bringe es auf den Punkt, so Prosor: „Mittlerweile gibt es viele Juden, für die Deutschland wieder eine Heimat geworden ist und die hier in Frieden leben möchten. Da meine eigenen Großeltern als Juden aus Deutschland fliehen mussten, ist dies für mich alles andere als selbstverständlich. Damit schließt sich für mich persönlich ein Kreis.“
Neben Prosor sind auch Abraham Lehrer, Vorstande der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie Vertreter der „Kölsche Kippa Köpp“ auf dem Wagen dabei, der von einer 48-köpfigen Fußgruppe begleitet wird. „Ich freue mich sehr darüber, dass wir mit einem Festwagen am Rosenmontagszug teilnehmen können, sagt Lehrer. „Damit setzen wir ein wichtiges Zeichen. Karneval verbindet Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen. Wir wollen zeigen, dass auch die jüdische Gemeinschaft ein fester Bestandteil der Kölner Gesellschaft ist.“
Der Verein wurde 2017 gegründet, um an die Tradition des einstigen jüdischen Karnevalsvereins „Kleiner Kölner Klub“ anzuknüpfen, der mit Beginn der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ein Ende fand.
Viele Mitglieder der Kippa Köpp sind auch in anderen Karnevalsgesellschaften wie etwa den Roten Funken aktiv, auch gehören Christen der Kippa Köpp an. „Das ist für Karnevalisten eine Normalität, und so sollte es auch sein“, sagt Andrei Kovacs. Doch zur Realität gehört auch dies: Bis zuletzt musste die Teilnahme aus Sicherheitsgründen am Rosenmontagszug geheim gehalten werden.
Er erwarte ein rauschendes, feuchtfröhliches Fest, hatte der israelische Botschafter zuvor angekündigt. Mit Purim gebe es einen jüdischen Feiertag, der dem Karneval zum Teil ähnelt. „Zu Purim gehört auch die Tradition, an diesem Abend zu tief ins Glas zu schauen“, erzählt Prosor. „Zuerst macht man Erfahrungen, die man niemals vergessen möchte - dann ertränkt man die Erinnerung daran. Das Einzige, was am nächsten Morgen im Kopf hängen bleibt, sind Kopfschmerzen.“ Da dürfte Christoph Kuckelkorn vielleicht etwas widersprechen – zumindest aber die Hoffnung haben, dass dieser Rosenmontagszug so schnell nicht vergessen wird.